Liège (Lüttich) 11/2011

  • 30.11.2011
  • Royal Standard Club de Liège – Hannoverscher SV von 1896 2:0
  • UEFA Europa League (Group Stage)
  • Stade Maurice Dufrasne (Att: 18.100)

Bei der Gruppenauslosung klang Standard Club de Liège als Gegner eigentlich super, aber die Sicherheitsbehörden im unschönen Teil Belgiens (Wallonien) drehten ziemlich am Rad und servierten uns das volle Programm an Auflagen. Anreise und Tickets gab es nur im Bundle und personalisiert. Die Route war fest vorgeschrieben und sollte ab der deutsch-belgischen Grenze non-stop zum Gästekäfig in Liège (Lüttich) führen. Liège ist nun keineswegs eine touristische Perle, die man unbedingt mal gesehen haben muss, aber ein Bummel über den Weihnachtsmarkt und ein paar gemütliche Kneipen abklappern, wäre schon eine sehr nette Geschichte geworden. Stattdessen wird einem die Reisefreiheit massiv eingeschränkt. Es wurden von Fanseite zwar alle Hebel in Bewegung gesetzt (Verein, EU-Parlamentarier, UEFA…), um das Ganze noch zu kippen, aber am Ende setzte sich das belgische Gefahrenabwehrrecht durch.

Souvenir aus Kopenhagen

Nach einem üppigen Frühstück in Hannover schlenderten wir zum Startpunkt der Busse und freuten uns wenigstens mit einigen bekannten Gesichtern die nächsten Stunden im Bus zu verbringen. Die Anreise war unspektakulär und hatte schon fast Klassenfahrt-Charakter. An der Grenze gab es dann intensive Kontrollen der Polizei, aber irgendwie waren die auch nicht intensiv genug. Man musste aus den Bussen raus, die dann kurz durchsucht wurden und draußen sollte die Menschentraube die Ausweise abgeben. Ich hatte meinen allerdings nicht griffbereit. Nach und nach gab es die Ausweise zurück und irgendwann meinte ein Beamter, dass doch alle, die ihre Ausweise bereits zurück haben, in den Bus steigen sollen. Ich hatte mein Exemplar ja eh noch am Mann und schloss mich unkontrolliert der Gruppe Richtung Bus an. Dieser kleine Sieg über die überzogenen Polizeimaßnahmen am heutigen Tage hatte zwar keinen wirklichen Mehrwert für mich, aber war trotzdem ein bißchen Genugtuung.

Ankunft am Stade Maurice Dufrasne

In Liège staute sich der Verkehr dann mächtig vor’m Stadion, so dass einige Jungs die Busse schon auf der Straße verließen. Das Zeitfenster war aber von den uniformierten Gestalten so knapp kalkuliert, dass sich nichts anderes mehr, als sofort ins Stadion zu gehen, lohnte. Dort gönnten wir uns ein paar Fritten und beflaggten anschließend den Gästesektor. Die Gästekarten waren natürlich trotz Auflagen alle weggegangen und somit immerhin 1.500 96-Fans anwesend. Einige wenige Szeneleute hatten sich auch über andere Kanäle Karten besorgt und waren bereits am Vortag angereist und verlebten einen schönen Abend und schönen Tag in Liège, aber das war eine quantitativ sehr überschaubare Gruppe. Und die Gold- und Silber-Reisenden des Reiseverantsalters auf der 96-Brust durften natürlich auch noch ein bißchen in die Stadt. Das sind halt wertvollere Menschen.

Der Ground vor’m Anpfiff

Dem gemeinen Fan blieb nur das Stadion als Sehenswürdigkeit vergönnt. Dieses fügte sich mit seinem granatroten Anstrich gut in die reizvolle Umgebung aus rostigen Hochöfen und anderen Industriebrachen ein. Es fasst 30.000 Zuschauer und wurde zuletzt für die EM 2000 aufgehübscht. Dennoch merkt man der Sportstätte an, dass es im Kern ein Stadion der 1970er Jahre ist. Der große Arena/Sportdome-Boom setzte erst nach der EM 2000 ein, wenn auch beim Co-Ausrichter Niederlande bereits die Pionierstadien dieser Ära Spielstätten waren. Im Stade Maurice Dufrasne, so der offizielle Name, gab es noch harte Sitzschalen ohne Rückenlehne und keine verglasten VIP-Logen. Wir waren im Mittelrang des Gästebereichs untergebracht und zündeten ein paar Freudenfeuer zu Spielbeginn.

Fackeln zum Intro

Der Funke im nur mit etwas über 18.000 Besuchern gefüllten Stade Maurice Dufrasne sprang nicht auf die Mannschaft über. Sie waren zwar bemüht, aber bei Standard waren sowohl Offensive als auch Defensive einen Tick besser. Folgerichtig ging der Hausherr in der 26.Minute durch Tschité in Führung. Bis zur Pause sträubte sich das Team gegen den Rückstand und hatte ein paar gute Möglichkeiten, aber nach dem Seitenwechsel kam von 96 gar nichts mehr. Das 2:0 nach knapp einer Stunde durch Cyriac war dementsprechend auch verdient und danach flachte die Partie ab, da Slomkas Mannen nichts mehr einfiel und die Belgier das Ergebnis verwalteten.

Das Intro aus der Spielfeldperspektive

Derweil schauten wir immer öfter auf das Smartphone, um zu erfahren wie es in der Ukraine bei Poltava vs. Kopenhagen steht. Es blieb dort unentschieden (Endstand 1:1) und damit war 96, trotz schlechter Leistung, ebenso wie Standard bei Abpfiff vorzeitig eine Runde weiter. Die große Party startete jetzt nicht, obwohl die Techno-Hymne von Standard zum Abgehen einlud. War schließlich immer noch eine Niederlage heute und für ganz große Emotionen muss man direkt beim eigenen Spiel das Weiterkommen klarmachen und nicht per Liveticker auf dem Handy davon erfahren. Nichtsdestotrotz sollten natürlich einige Feierbiere auf der Rückfahrt die Kehlen runterfließen, aber zuvor warteten erstmal andere Abenteuer.

Oberrang Gästeblock

Der Polizei ging das Verlassen des Stadions nicht schnell genug, aber andererseits waren kaum Ausgänge geöffnet und es staute sich an den engen Toren. Es war fast schon logisch, dass die rabiate Gangart der wallonischen Polizisten ein Echo provozierte. An einem Ausgang gab es ein etwas hefteriges Hin- und Hergeschubse. Aber anstatt es deeskalierend zu klären, wurde gleich völlig überzogen aus dem Wasserwerfer gefeuert. Das machte aus einem lokal begrenzten Kleinkonflikt ein großes Ding. Denn natürlich erwischte es Unbeteiligte und natürlich solidarisierten sich weite Teile des Fanmobs mit den Angegangenen. Da tobte nun plötzlich eine unübersichtliche Schlacht auf dem Parkplatz und nahezu alle Busse wurden von der freundlichen Polizei gewaschen.

Halligalli vor Abfahrt

Irgendwann waren alle Fans unter den kritischen Augen von Vereins- und UEFA-Vertretern (die danach ganz klar von einem Fehlverhalten der Polizei sprachen) in die Busse geprügelt und jeder musste erstmal wieder sein Adrenalin runterfahren. Ab der deutschen Grenze kam jedoch die Feierlaune zurück und die, die wollten, zechten sich ordentlich zu. Hannover wurde pünktlich zu den ersten Bahnen und Bussen nach Hause erreicht und man war wieder eine Europapokal-Erfahrung reicher.

Blick aus dem frisch geduschten Bus

Sevilla, Poltava, Kopenhagen und Liège konnten irgendwie alle kaum unterschiedlicher sein, aber das alles ist Europapokal. Erst Jahrhundertspiel in Sevilla, dann mit ein paar Hundert Fans in der tiefsten Ukraine, darauf mit 10.000 in Kopenhagen und nun Hochsicherheitsspiel und Polizeiwillkür in Liège. Was wird uns wohl als nächstes erwarten? Genug tolle Gegner werden auf jeden Fall in der Verlosung sein, wenn man sich mal die Tabellen der anderen Gruppen mal anschaut.

Song of the Tour: Diese Stadionhymne der besonderen (BENELUX-) Art blieb einfach haften.