Lecco (Leck) 03/2025

  • 17.03.2025
  • Calcio Lecco 1912 – L.R. Vicenza 1:1
  • Serie C – Girone A (III)
  • Stadio Rigamonti-Ceppi (Att: 3.650)

Die treuen Leser erinnern sich; vergangenen Herbst verhagelte mir eine kurzfristige Verlegung meinen geplanten Spielbesuch bei Calcio Lecco. Die folgenden Wochen habe ich jede verdammte Nacht vom Stadio Rigamonti-Ceppi geträumt und infolgedessen an Silvester nur einen einzigen Vorsatz für 2025 postuliert: Der Ground von Calcio Lecco muss noch vor dem Frühlingsäquinoktium fallen! Kaum waren die Worte gesprochen, zündete ich eine Tischbombe und es regnete Konfetti in Kleeblattform auf meinen Fliesentisch nieder. Das muss Gottes unzweifelhaftes Zeichen gewesen sein, dass ich am Sankt-Patricks-Tag nach Lecco (Leck) wiederkehren soll.

Der See von Como erstreckt sich mit dem einen seiner Zweige gegen Süden zwischen zwei Ketten von ununterbrochenen Bergen und bildet an ihrem Fuße eine Menge von Buchten und Busen. Nachdem diese vielfach hervorgetreten und sich wiederum zurückgezogen, verengt er sich plötzlich und nimmt zwischen einem Vorgebirge zur Rechten und einem weiten Gestade zur Linken den Lauf und die Gestalt eines Flusses an.

Deutsche Übersetzung der ersten Zeilen aus Manzonis „I Promessi Sposi“

Nach ein bisschen Vorgeplänkel auf italienischem Boden, war es am 17. März endlich soweit. Es ging am frühen Nachmittag für 28,10 € per Zug von Bologna nach Lecco. Den Schauplatz von Alessandro Manzonis Meisterwerk I Promessi Sposi (Die Brautleute) erreichte ich um exakt 16 Uhr. Da die heutige Partie zwischen Calcio Lecco 1912 und L.R. Vicenza erst um 20:30 Uhr angestoßen werden sollte, hatte ich nun 270 Minuten für andere Vergnügen an meinem Sehnsuchtsort.

Back in Lecco

Amtshandlung Nr. 1 war natürlich der Bezug meiner Unterkunft. Denn eine kleine Ferienwohnung in der Altstadt von Lecco stellte mit 60 € die günstigste Option für meine letzte Urlaubsnacht dar. Das Apartment war vom Bahnhof binnen fünf Minuten zu Fuß erreicht und auch ansonsten kein Fehlgriff. In Sachen Sauberkeit und Komfort gab es meinerseits jedenfalls nichts zu meckern.

Der Torre Viscontea (letzter Überrest der mittelalterlichen Burg aus dem 14. Jahrhundert)

Als nächstes ging es an den gerade mal 250 m vom Apartment entfernten Lago di Como (Comer See), wo ich in der Nachmittagssonne einen kleinen Uferspaziergang machte. Erinnerungen an vorherige Besuche der Stadt wurden wach und erste Flaneure in Fankleidung machten noch mehr Vorfreude auf das heutige Spiel.

Mein Lieblingssee

Nachdem der Sonnenuntergang am See genossen wurde, musste vor’m Stadionbesuch allerdings noch was in den Magen. Auf einem Montag in der Nebensaison gab es dafür allerdings gar nicht so viele Optionen. Die Wahl fiel letztlich auf die sehr versteckt liegende Pizzeria Ante Omnia. Dort entschied ich mich für eine köstliche Pizza mit Steinpilzen und Tiroler Speck, die zusammen mit einer kleinen Karaffe Rotwein, einer Flasche Wasser und einer Tasse Espresso inklusive Coperto 21,50 € kostete.

Mein Abendessen in Lecco

Nach der Stärkung aus dem Steinofen, spazierte ich gegen 19:45 Uhr zum 1.312 m von der Pizzeria entfernten Stadio Rigamonti-Ceppi in der Via Cantarelli. Das steht dort übrigens schon seit 1922 und trug ursprünglich einfach nur den Namen Campo sportivo di Via Cantarelli. Als Leccos Ex-Spieler Mario Rigamonti jedoch 1949 mit der kompletten Mannschaft der AC Torino bei der Tragedia di Superga (Flugunfall von Superga) tödlich verunglückte, beschloss man das Stadion nach ihm zu benennen.

Der Cateringpartner im Stadion hatte Passendes für den heutigen St Patrick’s Day am Hahn

Doch springen wir nochmal zurück in die Zeit der Stadioneröffnung. Seinerzeit war der 1912 als Fußballabteilung des Ruderclubs Società Canottieri Lecco gegründete Hauptnutzer gerade einmal zehn Jahre alt und hatte auch erst zwei Jahre zuvor begonnen in den regulären Ligabetrieb einzusteigen. 1931 spalteten sich die Ballsportler schließlich als Associazione Calcio Lecco von der Società Canottieri ab. Man behielt jedoch mit Dunkelblau und Himmelblau weiterhin die Clubfarben der Kanuten. Erstere symbolisiert den Lago di Como, zweitere den Himmel darüber.

Das frisch renovierte Stadio Rigamonti-Ceppi fasst 5.508 Zuschauer

Nachdem die AC Lecco vor dem Zweiten Weltkrieg nicht über die drittklassige Serie C hinausgekommen war, begann 1948 eine neue Ära. Damals übernahm der lokale Leuchtenfabrikant Mario Ceppi die Präsidentschaft und schwang sich zugleich zum großen finanziellen Förderer des Clubs auf. 1957 gelang erstmals der Sprung in die Serie B und 1960 ging es gar in die erstklassige Serie A rauf. Dem Oberhaus des italienischen Fußballs gehörte man nun immerhin in den drei Spielzeiten 1960/1961, 1961/1962 und 1966/1967 an.

Ich saß heute für 28 € auf der Haupttribüne

In den 1970er Jahren ging es jedoch langsam sportlich bergab und 1983 stellte der Abstieg in die 5. Liga den vorläufigen Tiefpunkt der Clubgeschichte dar. Zum sportlichen Misserfolg gesellten sich fast zwangsläufig auch finanzielle Schwierigkeiten. Entsprechend durchlief der Club schon mehrere Insolvenzen und damit verbundene Namensänderungen. Die vorerst letzte Insolvenz datiert aus dem Dezember 2016. Doch im Sommer 2017 übernahm Paolo Di Nunno das Ruder und der mit der Entwicklung von elektronischen Glücksspielen vermögend gewordene Unternehmer brachte den fortan als Calcio Lecco 1912 s.r.l. firmierenden Club zunächst wieder auf Kurs.

Die Gegengerade

Die Blucelesti stiegen zwei Jahre nach Di Nunnos Einstieg in die Serie C auf und 2023 feierte der Club nach einem halben Jahrhundert Abstinenz gar die Rückkehr in die Serie B. Nur leider bekam das nicht mehr nur nach Mario Rigamonti, sondern mittlerweile auch nach dem 1983 verstorbenen Ex-Präsidenten Mario Ceppi benannte Stadio Rigamonti-Ceppi keine Zulassung für die Serie B. Es begann ein langer Rechtsstreit um die Lizenz und erst am 29. August 2023 gewann Calcio Lecco 1912 diesen letztinstanzlich. Da war die Saison bereits drei Spieltage alt und bis die allernotwendigsten Modernisierungen am heimischen Stadion abgeschlossen waren, musste man mangels Alternativen zunächst ins Stadio Euganeo im über 200 km entfernten Padova (Padua) ausweichen.

Zunächst gab es einen kleinen Protest gegen jüngst verhängte Stadionverbote in der Heimkurve

Die fehlende Planungssicherheit im Sommer 2023, der reichlich verspätete Saisonstart und das temporäre Exil machten es für den Aufsteiger natürlich nicht leichter. Am Ende ging es sang- und klanglos als Tabellenletzter zurück in die Serie C. Wobei klanglos ist vielleicht das falsche Wort. Denn aus der Fanszene gab es während der Saison kritische Töne über den niedrigen Etat und manch eine Personalentscheidung des Präsidenten. Das nahm Di Nunno sehr persönlich und giftete im Frühjahr öffentlich: “Vi ho portato in B, ma meritate la Terza Categoria” (Ich habe euch in die Serie B gebracht, aber ihr verdient nur die Terza Categoria). Jene Terza Categoria ist übrigens die unterste Ligastufe im italienischen Fußball, quasi so etwas wie die 3. Kreisklasse.

Doch nach einer Viertelstunde begann der organisierte Support

Da wunderte es nicht, dass Di Nunno den Club nach dem Abstieg gern wieder veräußerte. Käufer war Aniello Aliberti, der das notwendige Vermögen für die Transaktion als Unternehmer in der Medizintechnikbranche angehäuft hat. In der Fußballbranche läuft es dagegen noch nicht so erfolgreich. So ging Lecco ging als Fünfzehnter in diesen 32. Spieltag der Serie C und muss sich gegenwärtig sogar Abstiegssorgen machen. Zuletzt spielten die Blucelesti dreimal 0:0 und wahrscheinlich hätten sie gegen den als Tabellenzweiten angereisten L.R. Vicenza – derzeit zwei Punkte Rückstand auf Calcio Padova – durchaus noch mit einem vierten torlosen Remis in Serie leben können.

Der Gästesektor zu Spielbeginn

Der bei den Buchmachern deutlich favorisierte Gast wurde von ca. 650 aus dem Veneto mitgereisten Fans unterstützt und auch der Rest des Stadions war am heutigen Abend mit 3.000 weiteren Zuschauern überdurchschnittlich gut gefüllt. Doch die erhoffte Stimmung kam auf beiden Seiten erst mit Verzögerung zustande. Leccos wichtigste Fangruppen UnoNoveUnoDue, Veterani und Cani Sciolti protestierten nämlich zu Spielbeginn noch ein paar Minuten gegen Stadionverbote und im Gästesektor traf der harte Kern der Fanszene erst verspätet ein.

Der Gästesektor nach dem verspäteten Eintreffen der Ultras

Als u. a. South Terrace, Lanerossi Crew 1902, Banda Thiene, Vecchia Guardia, sowie die befreundete Gruppe Teste Quadre (AC Reggiana) endlich angeflaggt hatten, gab es für den Gästeanhang gleich was zu feiern. Bei einer Flanke in den Strafraum der Lecchesi herrschte etwas Chaos und Vicenzas Claudio Morra nutzte dies zum 0:1 (36.) für den italienischen Pokalsieger von 1997. Da Calcio Lecco bis dahin eine couragierte Leistung gezeigt hatte, war das mehr als bitter. Aber man steckte nicht auf und belohnte sich nach dem Seitenwechsel noch mit dem verdienten Ausgleich durch den eingewechselten Fallou Sene (74.).

Torfreude in der Curva Nord

In der Schlussphase wollten beide Teams durchaus noch etwas gegen die Punkteteilung tun, doch letztlich musste keiner der Torhüter ein zweites Mal hinter sich greifen. Für die Blucelesti ein Achtungserfolg. Allerdings rutschen sie dennoch an diesem Spieltag auf den 16. Platz ab, da sich Tabellennachbar US Triestina durch einen Sieg gegen Pro Patria an ihnen vorbeischieben konnte. Die Biancorossi bleiben derweil Zweiter, haben jedoch auf den heute siegreichen Tabellenführer Calcio Padova (2:1 gegen US Pergolettese) zwei weitere Punkte verloren.

Die Gästefans peitschen ihr Team bis zuletzt enthusiastisch an

Als ich mich nun von meinem Platz erhob und den Blick nochmal durch das Stadion schweifen ließ, spürte ich kurz Zufriedenheit. Dieser Ground ist gemacht. Dieser Ground raubt mir fortan nicht mehr den Schlaf… Doch auf dem Weg zum gute zehn Fußminuten entfernten Apartment kamen wir meine Worte aus dem Januar 2023 erneut in den Sinn. Als ich damals das erste Mal in Lecco war und das Stadion schon einmal ohne Spielbesuch in Augenschein nahm, befand ich, dass „ein Spielbesuch allein schon wegen des Panoramas hinter den Tribünen lohnen würde“. Irgendwie doch blöd, dass bei der heutigen Ansetzung nach Einbruch der Dunkelheit nichts von diesem Panorama zu sehen war. Da ist ein Revisit bei Tageslicht eigentlich Pflicht.

Auch die Heimkurve sorgte für eine stimmungsvolle Schlussphase

Am Dienstagmorgen nahte die Rückreise und ich musste mir aufgrund der gewählten Unterkunftsart ausnahmsweise selbst ein Frühstück organisieren. War in der Altstadt von Lecco natürlich nicht das Problem. Für je 2,50 € gab es zwei Foccacce speciale auf die Faust. Ferner wurde noch etwas Geld im Feinkostgeschäft Buzzi Fedele gelassen, damit zumindest mein Gaumen sich die nächsten Tage noch weiter in Italien wähnen darf und ein guter Freund außerdem im April ein delikates kulinarisches Geburtstagsgeschenk bekommen wird.

Fixes Frühstück auf die Faust

Um 10:01 Uhr fuhr ich dann per Bahn für 7,40 € binnen 96 Minuten ins schweizerische Chiasso (Pias). Von dort sollte es 12:05 Uhr für 0 € via Frankfurt nach Hildesheim weitergehen (da es zu meinem Buchungszeitpunkt für den Fernverkehrsteil der heutigen Rückreise nur noch in den Tagesrandlagen günstige Tickets gab, hatte ich bei BahnBonus 2.000 Punkte für eine internationale Freifahrt eingelöst). Allerdings erreichte der bereits in Milano (Mailand) gestartete EuroCity Chiasso mit 35 Minuten Verspätung. Damit der Schweizer Takt nicht durcheinander kommt, ließ man den Zug nun lediglich noch bis Bellinzona (Bellenz) weiterrollen und verwies für Reisende in die Nordschweiz und nach Deutschland auf die nächsten Verbindungen.

Endlich wieder deutsche Küche

Schade, schade. Denn jetzt sollte ich nicht nur mindestens eine Stunde später als geplant in Hildesheim ankommen, sondern die Anzahl der Umstiege war auch rapide gestiegen. Anstatt nur in Frankfurt umsteigen zu müssen, hatte ich nach Bellinzona noch weitere Zugwechsel in Arth-Goldau, Luzern, Basel und Göttingen vor mir. Letzterer Zwischenstopp wurde aber wenigstens noch für die zweite Mahlzeit des Tages genutzt, ehe ich um 22:39 Uhr wieder in der Hildesheimat war. Na ja, eine Stunde weniger Schlaf war zu verkraften und immerhin gab es einen Teil der eingelösten Bonuspunkte wieder gutgeschrieben. Somit nichts was Potential hatte, um Ende eines wunderbaren Urlaubs nochmal die Stimmung zu drücken.

Song of the Tour: Nach dem Rapper Baby Gang der erfolgreichste Musiker aus Lecco

P. S.: Wer etwas mehr über den heutigen Gastverein L.R. Vicenza und dessen Heimatstadt erfahren möchte, wirft mal einen Blick in meinen Reisebericht Vicenza 02/2023.