- 01.05.2024
- Siemianowiczanka Siemianowice Śląskie – Wawel Wirek 3:3
- Klasa A Katowice (VII)
- Stadion w Siemianowicach Śląskich (Att: 144)
Nach Aufenthalten in den Woiwodschaften Dolny Śląsk (Niederschlesien) und Opole (Oppeln), führte mich die Polenreise am Dienstagabend mal wieder nach Górny Śląsk (Oberschlesien). Meine Basis für den Zwischenstopp im polnischen Kohlenpott wurde einmal mehr Katowice (Kattowitz). Ich kam dort Dienstagabend gegen 18 Uhr an und checkte sogleich im bahnhofsnahen B&B Hotel Katowice Centrum (**) ein. Dort hatte ich mich für zwei Nächte à 54 € (inklusive Frühstück) einquartiert.

Nachdem ich mein Gepäck los war, machte ich einen Abendspaziergang durch das mir bereits bestens bekannte Katowice. Ein Abendessen durfte dabei ebenfalls nicht fehlen. Meine erste Wahl war das Restaurant Tatiana, dessen Besuch in jüngerer Vergangenheit bereits zweimal gescheitert war (Vgl. Górny Śląsk 03/2024). Aber alle guten Dinge sind bekanntlich drei. Denn heute hatte das urig-gemütliche Restaurant einen kleinen Tisch für mich frei.

Auf jenem Tisch standen rasch ein kleiner Brotkorb, Schmalz und Frischkäse (alles hausgemacht). Nach diesem durchaus köstlichen Einstieg in die bodenständige schlesische Küche, entschied ich mich für eine Żurek. Wenig später wurde mir eine Suppenschale mit kross angebratener Białą kiełbasą, pouchiertem Ei, Pilzen, Zwiebeln und einem Schlag Kartoffelpüree serviert. Aus einer Karaffe übergoss der Kellner die Suppeneinlage nun mit der heißen Sauersuppe. Für die Art des Servierens gab es gleich mal Pluspunkte, aber geschmacklich war das Süppchen ebenfalls formidabel.

Auch die mir als Hauptgang gereichte Rinderroulade ließ keine Wünsche offen. Zartes Rindfleisch, deftig-würzige Füllung, kräftige Sauce, herzhafte Kartoffelklöße und knackiger (leicht säuerlicher) Rotkohl. Herz, was willst du mehr? Zusammen mit einem halben Liter Żywiec vom Fass wurden für dieses schlesische Schlemmerfest übrigens nur 108 Złoty (ca. 25 €) fällig. Die werte Tati verkauft ihre Kochkünste eindeutig unter Wert. Zumindest nach deutschen Maßstäben.

Nach einer gut zehnstündigen Nachtruhe ging es am Mittwochmorgen um 8 Uhr aus den Federn. eine halbe Stunde später saß ich am Frühstückstisch und probierte mich ein wenig durch’s Buffet. Um 9:45 Uhr machte ich mich dann auf den Weg zum ersten Fußballspiel des Tages. Direkt vom Hotel fuhr mich ein Expressbus für 4 Złoty (ca. 0,96 €) in die Nachbarstadt Siemianowice Śląskie (Siemianowitz), wo der örtliche Fußballverein um 11 Uhr ein Pflichtspiel hatte.

Mir blieb am Spielort jetzt noch eine knappe Stunde für Sightseeing. Zugegeben, Fremdenverkehr dürfte den ca. 65.000 Einwohnern von Siemianowice Śląskie eher fremd sein. Aber nichtsdestotrotz gab es hier für mich ein bisschen was zu entdecken. Zuerst wies mich das Denkmalregister auf das neobarocke Rathaus von 1904 hin und außerdem war dort ein ehemaliges Schloss der österreichisch-deutschen Adelsfamilie Henckel von Donnersmarck vermerkt. Diese Familie kennt man in der Gegenwart zuvorderst durch Florian Henckel von Donnersmarck (u. a. Buch und Regie beim oscarprämierten Film Das Leben der Anderen). Im 19. Jahrhundert hatte sie jedoch eine prägende Rolle bei der Industrialisierung von Oberschlesien gespielt.

Denn der habsburgische Kaiser Ferdinand II. (HRR) hatte den aus der Zips* stammenden Kaufmann, Bankier und Montanunternehmer Lazarus Henckel 1615 in den Freiherrenstand erhoben und ihm 1623 außerdem – als Gegenleistung für großzügige Kredite – die schlesischen Herrschaften Beuthen, Oderberg und Neudeck verpfändet. Im neuen Wirkungskreis sollte die Familie Henckel von Donnersmarck nach und nach ein Industrieimperium aus Kohlegruben und Hüttenwerken aufbauen.

Im Zuge dieser Entwicklung wurden Kohle und Stahl im 19. Jahrhundert auch prägend für das 1451 erstmals urkundlich erwähnte Siemianowitz. Hugo Graf Henckel von Donnersmarck gründete 1838 auf dem heutigen Stadtgebiet das Eisenwerk Laurahütte mit einer gleichnamigen Werkssiedlung (benannt nach seiner Gemahlin Laura von Hardenberg). Während Siemianowitz weiterhin dörflich blieb und im Jahr 1900 etwa 1.200 Seelen zählte, lebte im prosperierenden Laurahütte damals bereits über 15.000 Menschen. 1922 wurden Siemianowitz und Laurahütte von der preußischen Administration schließlich zu einer Stadt vereinigt, fielen aber noch im gleichen Jahr bei der Teilung Oberschlesiens an Polen.

Die Wirtschaft und die Einwohnerzahl der in Siemianowice Śląskie umbenannten Stadt sollte auch unter polnischer Hoheit weiter wachsen. 1939 zählte man bereits 54.258 Einwohner und nach einem Knick während der leidvollen deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg (1939 – 1945) sollte sich diese Entwicklung kontinuierlich fortsetzen. Ende der 1980er lebten über 80.000 Menschen in der Industriestadt, ehe der Strukturwandel der letzten Jahrzehnte die Stadt um gut 10.000 Einwohner schrumpfen ließ.

Vereinsfußball wird in Siemianowice Śląskie seit 1907 gespielt und nach meinem touristischem Spaziergang gehörte meine volle Aufmerksamkeit ab 11 Uhr dem zur Zeit einzigen aktiven Fußballverein der Stadt. Der heißt Miejski Klub Sportowy Siemianowiczanka und wurde 1945 von Aktivisten der drei aufgelösten Vorkriegsvereine Iskra, Śląsk und 07 gegründet. Siemianowiczanka erzielte auf Anhieb einige Achtungserfolge gegen große Namen aus der Region und kratzte mehrfach am Aufstieg in die 2. Liga. Aber letztlich blieb dem Verein der überregionale Fußball bis heute verwehrt.

Dabei hatte man damals sogar die passende Infrastruktur für höhere Aufgaben. Die in 1957 im Stadtpark (Park Pszczelnik) errichtete Kampfbahn fasste dereinst bis zu 10.000 Zuschauer. Mittlerweile hat man die bröckelnden Traversen zwar teilweise zurückgebaut oder gesperrt, aber selbst heute ist die Heimstätte von MKS Siemianowiczanka offiziell noch für 4.000 Zuschauer zugelassen. Da selbst zum heutigen Spitzenspiel, an einem Feiertag und bei bestem Wetter, nur knapp 150 Interessierte zugegen waren, braucht sich der Verein über die Kapazität seiner Spielstätte allerdings auch nicht wirklich Gedanken machen. Den Großteil der Saison kickt man nebenbei eh auf dem benachbarten Kunstrasenplatz ohne Ausbau.

Für den Nebenplatz wäre ich hier auch sicherlich nicht hingefahren. Aber wenn so eine kleine Groundperle unverhofft und ohne großen Aufwand möglich ist, nimmt man die natürlich gerne mit. Trotz 7. Liga und erwartungsgemäß keiner besonderen Unterhaltung auf den Rängen. Denn eine wirkliche Fanszene hat der Club leider nicht. Die Fußballinteressierten der Stadt pilgern lieber zu Ruch nach Chorzów und lediglich ein paar Lokalpatrioten gehen regelmäßig (auch) zu Siemianowiczanka.

Die bieten ihren Anhängern diese Saison immerhin viele Erfolgserlebnisse und spielen um den Aufstieg in die 6. Liga mit. Als aktuell Dritter (40 Punkte) bekamen sie es heute mit dem Vierten (37 Punkte) zu tun. Gewinnen sie, würden sie auf Tuchfühlung mit dem Spitzenreiter Jastrząb Bielszowice (44 Punkte) bleiben und somit ihre Aufstiegschance wahren (nur der Staffelmeister geht am Saisonende hoch). Da der heutige Gegner Wawel Wirek allerdings noch ein Nachholspiel in der Rückhand hat, war deren Ausgangslage ähnlich und ich hoffte auf einen spannenden Schlagabtausch.

Es begann jedoch mit über 40 lahmen Minuten, bei denen sich die Teams ohne echte Torraumszenen neutralisierten. Schließlich fiel in der 42. Minute das umjubelte 1:0 der Gastgeber, welches sie allerdings nicht in die Pause retten konnten. Noch in der Nachspielzeit gelang Wawel der Ausgleich. Danach bekam ich in der 2. Halbzeit doch noch das erhofft muntere Spiel geboten, bei dem beide Kontrahenten fortan auf Sieg spielten. Nach einer neuerlichen Führung von Siemianowiczanka in der 55. Minute, schien Wawel das Ding mit einem Doppelschlag in der 72. und 75. Minute gedreht zu haben. Doch die Hausherren warfen noch mal alles nach vorn und belohnten sich in der 88. Minute mit dem 3:3. Anschließend blieben sie im Angriffsmodus und ließen noch drei gute Gelegenheit zum Siegtor aus.
- 01.05.2024
- ROW 1964 Rybnik – Odra Wodzisław Śląski 1:1
- IV liga Śląska II (V)
- Stadion MOSiR Rybnik (Att: 1.250)
Erfreulicherweise fuhr kurz nach Anpfiff ein Bus vom Stadion direkt zu meinem Hotel. Ab 14 Uhr konnte ich dort nochmal für ein Stündchen buchstäblich die Akkus laden, ehe es 15:28 Uhr vom Katowicer Bahnhof per Regionalzug weiter nach Rybnik ging. Ich hatte gleich ein 25,60 Złoty (ca. 5,90 €) teures Ticket für Hin- und Rückfahrt gelöst und sollte meinen Zielbahnhof 60 Minuten nach meiner Abfahrt erreichen.

Ich war tatsächlich vor sechs Jahren schon einmal in Rybnik gewesen (siehe Górny Śląsk & Ostrava 03/2018), so dass mir die „Hauptstadt“ des Rybnicki Okręg Węglowy (Rybniker Kohlerevier) bereits vertraut war. Zielsicher steuerte ich den historischen Kern an und nahm die schönsten Gebäude gerne noch ein zweites Mal in Augenschein (zumal mein Blick nicht so glasig wie beim letzten Mal war). Allerdings war es heute echt schon hochsommerlich (27° C) und am Rynek (Markplatz) war obendrein mächtig Trubel. Irgend so ein Basketballwettbewerb mit vielen Teilnehmern und Schaulustigen fand dort statt. Daher beschloss ich gegen 17:15 Uhr in den Untergrund zu gehen.

Im Kellergewölbe eines Altbaus erwartete mich das Restaurant Batumi mit feinster georgischer Küche. Dort wurde mit Mineralwasser aus dem Kaukasus erstmal der Dehydration vorgebeugt. Anschließend kamen gefüllte Weinblätter mit würziger Joghurtcreme und Kräuterbaguette als Vorspeise an den Tisch. Alles wunderbar aromatisch.

Die Vorspeise machte richtig Lust auf mehr, aber so recht entscheiden konnte ich mich bei den Hauptgängen nicht. Die Bedienung empfahl mir nun die Grillplatte für zwei. Ich dachte erst, ihr geschultes Auge hat sofort erkannt, dass ich ganz gerne mal für zwei esse. Aber nein, sie könnten die Platte auch für eine Person zum halben Preis machen, war ihre Reaktion auf meinen irritierten Blick. Da ging mir sofort mit heller Miene ein “Bardzo dobrze” über die Lippen und wenig später wurden mir verschiedene georgische Spezialitäten serviert. Ein pikanter Hackspieß, ein saftiger Schaschlikspieß und zwei Chinkali (mit Fleisch und Brühe gefüllte Teigtaschen) waren die köstlichen Hauptprotagonisten auf dem Teller. Aber auch die würzig-knusprigen Kartoffelecken und die Gemüsegarnitur waren ein Genuss. ein guter georgischer Koch weiß einfach mit Gewürzen und Kräutern umzugehen.

Nachdem um 18:15 Uhr die Rechnungssumme von 96 Złoty (ca. 22,50 €) mit zusätzlich 13,12 % freiwilligem Aufschlag für den guten Service beglichen war, ging es unverzüglich zum 1,5 km vom Restaurant entfernten Stadion MOSiR. Ich erreichte die Spielstätte des KS ROW 1964 Rybnik ergo gegen 18:30 Uhr und damit eine halbe Stunde vor Anpfiff. Als ich gerade die Suche nach dem Presseeingang begann, hielt plötzlich ein schwarzer Reisebus mit getönten Scheiben neben mir. Ein Mob von Rybnikern ging zielstrebig, aber nicht besonders aggressiv wirkend auf den Bus zu. Als die Bustüren aufgingen kam es dann zu innigen Begrüßungen. Dieser Bus hatte nicht die Gästefans, sondern ca. 50 befreundete Fanatiker von Wisłoka Dębica an Bord.

Ein paar Meter die Straße runter stand allerdings ein massives Polizeiaufgebot bei weiteren Bussen. Da waren nun wirklich Gäste aus dem 10 km entfernten Wodzisław Śląski (Loslau) drin und ich musste ausgerechnet an denen vorbei, um zum Presseingang zu gelangen. Da hatte die besagte Polizei jedoch etwas gegen und jagte mich den Hang in die benachbarte Parkanlage hoch. Vom Park gelangte ich letztlich aber auch zum VIP- und Presseeingang und nahm eine Viertelstunde vor Anpfiff meine Akkreditierung entgegen.

Leider war die Gegengerade heute selbst für Journalisten gesperrt und ich musste mit der Haupttribüne vorliebnehmen. Fand ich eigentlich kacke, weil die Gäste ihren Sektor in einem Randblock eben jener Tribüne hatten und somit nicht vernünftig zu sehen sein würden. Aber wie sich wenig später herausstellte, sollte eh kein Fan aus Wodzisław Śląski an diesem Abend das Stadion betreten. Das heutige Derby war nämlich wenig überraschend als ein Hochrisikospiel eingestuft worden und behördliche Auflagen zwangen die Gäste vorab eine Liste mit den Namen und den PESEL-Nummern** der Besucher einzureichen. Da die Liste laut einem Mitarbeiter des Heimvereins allerdings nur Fantasienamen und -nummern enthielt, sollten die Odrzańscy nun vor Ort ihre richtigen Personalien hinterlegen, um die vorbestellten die Tickets zu bekommen. Man weigerte sich aber und reiste stattdessen zur etwa 15. Spielminute wieder aus Rybnik ab.

Damit gehörte das Stadion ganz allein der Heimszene, die heute neben den Jungs von Wisloka Debica auch Abordnungen von Górnik Zabrze, GKS Katowice, Baník Ostrava und Spartak Trnava empfangen durfte. Insgesamt sollen knapp 1.300 Besucher im Stadion gewesen sein, womit das eigentlich über 10.000 Zuschauer Stadion MOSiR nebenbei auch offiziell ausverkauft war. Denn sofern ich es richtig verstanden habe, hat man sich aus Kostengründen für maximal 1.300 Zuschauer entschieden. Das hatte man laut Pressesprecher im Vorfeld als realistisches Potential ausgerechnet und hätte der Verein die Massenveranstaltung*** mit noch mehr Zuschauern beantragt, wäre es angeblich deutlich teurer geworden. Egal wie viele Menschen letztlich wirklich gekommen wären.

Die, die heute da waren, hatten auf jeden Fall alle Bock auf eine gute Atmosphäre und ließen das Fehlen der Gäste für mich halbwegs verschmerzen. Für einen Moment dachte ich sogar, dass ich zwischen all den Rybnikern und ihren Freunden so ziemlich der einzige wirklich fremde Spielbesucher bin. Doch bei meiner Stadionrunde konnte ich Mirko Otto (Blickfang Ultra, Beziehungskiste, Polska Kibolska etc.) und weitere mutmaßlich in der DDR geborene Groundhopper identifizieren.

Ich denke mal die Ossis fühlten sich von der Heimkurve ähnlich gut wie meine Wenigkeit unterhalten. Denn nachdem vernünftig angeflaggt war und jeder seine Position im Block eingenommen hatte, wurde es durchgängig sehr laut. Zu diesem Soundtrack lieferte der ehemalige Erstligist aus Rybnik nebenbei eine ansprechende 1. Halbzeit auf dem Rasen. Der Lohn war das 1:0 in der 32. Minute. Erzielt hatte es ein im Strafraum sträflich von Odra vernachlässigter ROW-Angreifer namens Paweł Mandrysz. Laut meinem Nebenmann ein Eigengewächs, das nach höherklassigen Engagements bei u. a. GKS Katowice und Ruch Chorzów im Sommer 2022 wieder zu seinen Wurzeln zurückgekehrt ist.

Zwar wurden weitere gute Torgelegenheiten bis zum Pausenpfiff ausgelassen, aber immerhin ging man nun in der Blitztabelle punktgleich mit MKS Odra – übrigens ebenfalls einstiger Erstligist – in die Kabinen. Beide Teams hatten Stand jetzt 40 Punkte, aber Odra war dank des deutlich besseren Torverhältnisses weiterhin Dritter und damit einen Platz vor ROW. Da Spitzenreiter Podbeskidzie Bielsko-Biała II allerdings nochmal acht Punkte mehr auf dem Konto hat, ist die Staffelmeisterschaft und die damit verbundene Aufstiegschance aber wohl dennoch für keinen der beiden Rivalen noch sehr wahrscheinlich.

In der Halbzeit lungerte ich dann ein wenig in der Fankurve rum, deckte mich dort mit Souvenirs ein und traute plötzlich meinen Augen kaum. Denn Mirko Otto war an diesem Abend doch nicht der prominenteste Deutsche im Stadion. Ein gewisser Łukasz Józef Podolski hatte sich tatsächlich ganz unprätentiös unter’s Volk gemischt. Der 38jährige Profifußballer steht bekanntlich nach wie vor bei seiner polnischen Liebe Górnik Zabrze unter Vertrag und pflegt dort vorbildlich viel Umgang mit der führenden Fangruppierung Torcida. Die wiederum sind mit den Gladiators aus Rybnik befreundet und für den Weltmeister von 2014 war es offenbar eine Herzensangelegenheit die Fanfreunde bei ihrem großen Derby zu unterstützen. Nebenbei stilsicher mit einer Cap der Torcida auf dem Kopf. Einfach ein geiler Typ, kann man nicht anders sagen.

Leider lief es nach dem Wiederanpfiff nicht mehr ganz so rund für ROW. Ein Verteidiger verursachte in der 52. Minute einen Handelfmeter, den Odras Schütze Marcin Ośliźlok trotz richtiger Vorahnung des Tormanns zum 1:1 verwerten konnte. Die Spieler rannten nun vor den leeren Gästeblock und feierten dort mit solidarischen Gesten ihr Erfolgserlebnis.

Der Ausgleich war zugleich das letzte Tor dieses Spiels, aber die wahren Höhepunkte des Abends standen mir dennoch erst bevor. Ich hatte den sachdienlichen Hinweis bekommen, dass es ab der 64. Minute eine besonderes Showprogramm in der Kurve geben würde und hatte mich dementsprechend ab der 60. Minute exponiert unter dem Dach der Haupttribüne positioniert. Von dort kamen mir tatsächlich zeitnah die üblichen Vermummungsmassnahmen und bald auch die erste Pyroshow des Abends vor die Linse. Grüne Fackeln umrahmten eine große Trikotblockfahne mit der Rückennummer 12. Begleitet von der Botschaft „NIE TRAKTUJ NAS JAK „PUBLIKĘ“ JESTEŚMY 12-TYM ZAWODNIKIEM“ (Behandelt uns nicht wie „Publikum“, wir sind der 12. Mann).

Nachdem die letzte grüne Fackel ausgebrannt war, folgte die nächste Blockfahne (mit dem Vereinswappen als Motiv) und damit auch die nächste Pyroshow. Diesmal kamen rote Fackeln als Umrahmung und die Botschaft „ZANIEDBYWANY I OKRADANY OD LAT KS ROW RYBNIK TERAZ MY PRZYWRACAMY MU BLASK“ (Jahrelang wurde ROW Rybnik vernachlässigt und ausgeraubt, doch jetzt bringen wir den alten Glanz zurück) wurde präsentiert. Das spielte darauf an, dass der 1964 gegründete Verein nach einer glanzvollen Ära in den 1960er und 1970er Jahren – u. a. sieben Spielzeiten erstklassig und 1975 Vizepokalsieger – durch Misswirtschaft von dubiosen Akteuren in den 1980er Jahren ruiniert wurde. 1991 war die Fußballsparte des polysportiven Vereins KS ROW Rybnik endgültig bankrott und stellte den Spielbetrieb ein.

2003 kam es dann zur Neugründung, bei der die Fans von Anfang viel mitgestaltet haben und bis heute gut in die Vereinsstrukturen involviert sind. Mit einem minutenlangen Höhenfeuerwerk feierten jene Fans nun einerseits diese Geschichte und andererseits auch ihren Beitrag, dass der (Fußball)Verein wieder quicklebendig ist und in diesem Jahr seinen 60. Geburtstag feiern kann. Übrigens soll die große Geburtstagsparty Ende Juli steigen. Allerdings meinte der Pressesprecher, dass das Jubiläumsspiel zwischen der aktuellen Mannschaft und einer Legendenelf ausgetragen wird. Das klingt zumindest für Außenstehende nicht besonders reizvoll.

Nach dem Feuerwerk folgte kurz vor Spielende noch eine dritte Pyroshow (siehe Titelbild) und dann war auch schon Abpfiff. Ich hatte die letzten 30 Minuten kaum noch auf’s Spielfeld geschaut und kann daher auch gar nicht sagen, ob da noch eines der Teams dem Sieg nahegekommen ist. Aber auch ohne dieses Wissen spazierte ich nach Spielschluss sehr beseelt zum Bahnhof zurück und nahm die nächstbeste Bahn nach Katowice. Dort lag ich kurz vor 23 Uhr zufrieden im Bett und freute mich nebenbei schon diebisch auf das morgige Pokalfinale in der Hauptstadt. Aber dazu kommen wir dann im nächsten Bericht.
*Eine historische Landschaft in der heutigen Nordostslowakei
**Die PESEL ist in Polen eine persönliche Personenidentifikationsnummer
***Ein Stadionsportereignis ab 1.000 Besuchern gilt in Polen als Massenveranstaltung. Die Veranstaltung ist dann genehmigungspflichtig und unterliegt etlichen behördlichen Auflagen. Je nach Größe der Veranstaltung gibt es offenbar auch noch gestaffelte Gebühren (für eingesetzte Polizei, Rettungskräfte usw.), aber tief einlesen wollte ich mich in die Gesetze und Gebührenordnungen vorerst nicht. Von daher unverifiziertes Hörensagen meinerseits.