Zwischenruf: Geplanter Investoreneinstieg bei der DFL

Wie die Vergangenheit die DFL in der Gegenwart zu einer riskanten Wette auf die Zukunft verleitet…

Das neue Jahr beginnt in den deutschen Fußballstadien, wie das alte aufgehört hat. Sollten die Verantwortlichen der Bundesligaclubs gehofft haben, dass die Protestwelle zur skandalös verlaufenen DFL-Investoren-Abstimmung nach der Winterpause abebbt, kannten sie ihre aktiven Fans mal wieder schlecht. Die meisten Kurven schweigen immer noch mindestens die ersten 12 Spielminuten, werfen weiterhin Schokomünzen oder Tennisbälle während des laufenden Spiels auf’s Feld und flankieren ihren Protest mit Spruchbändern und Sprechchören gegen den geplanten Investoreneinstieg bei der DFL.

Wenn man sich an das kontroverse und mitunter komplexe Thema heranwagen will, lohnt vielleicht als erstes eine kurze Zeitreise in das Jahr 1992. Ein einerseits verrücktes und andererseits enorm richtungsweisendes Fußballjahr. 1992 wurde beispielsweise ein sportlich eigentlich gar nicht für die EM qualifizierter, sondern erst zehn Tage vor Turnierbeginn für das im Bürgerkrieg versunkene Jugoslawien nachgerückter Underdog namens Dänemark völlig überraschend Europameister. Im deutschen Vereinsfußball ging es nicht minder sensationell zu. Am 23. Mai 1992 gewann Hannover 96 als erster und bisher einziger Zweitligist den DFB-Pokal. Die 1.Bundesliga, in der 1991/92 erstmals Mannschaften aus den neuen Bundesländern mitmischen durften, war wiederum eine Woche zuvor auf ein packendes Saisonfinale zugesteuert. Während Bayern München nur Zehnter wurde, lieferten sich Borussia Dortmund, Eintracht Frankfurt und der VfB Stuttgart bis in die letzten Minuten des letzten Spieltags einen spannenden Dreikampf um den Meistertitel.

Von solchen Sensationen und spannenden Saisons redet man noch über 30 Jahre später. Sie machen die Faszination Fußball aus. Aber sie verändern den Sport oder das Geschäft nicht nachhaltig. Dafür waren 1992 die richtungsweisenden Reformen zweier großer Fußballwettbewerbe verantwortlich. Zum einen wurde der mittlerweile mit einer Gruppenphase ausgetragene Europapokal der Landesmeister in UEFA Champions League umbenannt. Zum anderen firmierte Englands First Division ab sofort als Premier League. Rein monetär betrachtet, sollten beide Wettbewerbe in den kommenden drei Jahrzehnten eine absolute Erfolgsgeschichte schreiben. Während die Champions League als Wettbewerb schon per se international ausgerichtet war und eine weltumspannende Vermarktung den logischen nächsten Schritt darstellte, wagte die Premier League als erster nationaler Fußballwettbewerb eine globale Ausrichtung.

Als vor 30 Jahren in Bundesliga, La Liga oder Serie A kaum ein Gedanke an mögliche Potentiale in China, Indien, Afrika oder den USA verschwendet wurde, begannen die Engländer diese Märkte erfolgreich zu beackern. Auf dem globalen Markt entstand dadurch ein Vorsprung, den die anderen europäischen Topligen wohl nicht mehr aufholen können. So erlöst die Bundesliga in der laufenden Saison 2023/24 bescheidene 0,17 Mrd € durch die Auslandsvermarktung ihrer Rechte. Die italienische Serie A steht mit 0,2 Mrd € kaum besser da und die spanische La Liga kommt auch lediglich auf 0,8 Mrd €. Die englische Premier League freut sich 2023/24 hingegen über Einnahmen in Höhe von 2,1 Mrd € aus der Auslandsvermarktung. Auch bei den Erlösen aus der Inlandsvermarktung ist die Premier League (1,84 Mrd € pro Saison) der Bundesliga (1,1 Mrd €) weit voraus. Obendrein werden es bei der Premier League ab 2025/26 sogar 1,95 Mrd € pro Saison. Die DFL muss dagegen den nächsten nationalen TV-Vertrag für die Bundesligarechte erst noch aushandeln, aber alles deutet auf bestenfalls stagnierende, eher sogar sinkende Erlöse hin. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Branchenriesen dürfte in Zukunft also noch weiter abnehmen. Insbesondere sorgt man sich, dass neben der Premier League auch die spanische La Liga endgültig außer Reichweite gerät.

Da kommt nun wieder die ebenfalls 1992 eingeführte UEFA Champions League ins Spiel. Die so genannte Königsklasse des europäischen Fußballs erlöst mit ihren global gefragten TV-Rechten gegenwärtig 3,3 Mrd € pro Saison. Durch den frisch reformierten Modus mit noch mehr Teams und vor allem noch mehr Spielen, peilt man im Bereich der Rechteverwertung in Zukunft gar Einnahmen in Höhe von 5 Mrd € an. Diese Erlöse werden bekanntermaßen zu weiten Teilen – gestaffelt nach Erfolg – an die Teilnehmer des Wettbewerbs ausgeschüttet. Hier rechnen sich Deutschlands Topclubs in Zukunft nun noch schlechtere Erfolgschancen und somit sinkende Einnahmen aus. Entsprechend drängt die auf hohe Erlöse aus der Champions League angewiesene Elite des deutschen Fußballs auf Reformen bei der Vermarktung der Bundesliga. Man will schlicht und ergreifend höhere Einnahmen mit dem nationale „Produkt“ erzielen, damit einzelne Clubs international weiterhin an die Fleischtöpfe rankommen.

Natürlich haben deutschen Proficlubs, insbesondere Bayern München oder Borussia Dortmund, nicht nur die nationale und internationale TV-Vermarktung als Erlösquelle. Aber in diesem Bereich liegen noch deutlich größere Potentiale, als durch beispielsweise Sponsoring oder Ticketing. Ein Schlachtplan für die gewünschten Erlössteigerungen bei der Rechteverwertung ist auch längst ausgearbeitet, aber ihm müssen zunächst hohe Investitionen vorausgehen. Dies ist der Punkt, wo ein Investor ins Spiel kommt. Denn aus Eigenmitteln könnten nur die wenigsten Proficlubs ihren Beitrag für diese Investitionen leisten. Die Kreditwürdigkeit vieler Clubs ist ebenfalls eingeschränkt, so dass eine gemeinsame Finanzierung über Darlehen auch kein mehrheitsfähiges Modell ist. Die Alternative ist die Auslagerung sämtlicher Medienrechte in eine DFL-Tochtergesellschaft, in jene zugleich ein Investor aus der Private-Equity-Branche wie Blackstone oder CVC Capital Partners einsteigt.

Mit dem Einstieg möchte die DFL einmalig 1 Mrd € erlösen, wofür sie dem Investor als Gegenleistung 20 Jahre lang 8 % der Vermarktungseinnahmen zusichert. Bleibt es bei den gegenwärtig insgesamt 1,26 Mrd € pro Saison, die Dritte wie u. a. Sky im In- und Ausland für die Rechtewertung an die DFL überweisen, bekommt der Investor also immerhin rund 100 Mio € davon ab. Ergo würde er binnen 20 Jahren rund 2 Mrd € von der DFL zurückerhalten, die den Clubs im Umkehrschluss auf der Einnahmenseite fehlen. Entsprechend haben der Investor und die 36 Proficlubs gleichermaßen großes Interesse daran, dass in naher Zukunft noch höhere Summen mit den Bundesligarechten generiert werden. Der Investor, um mehr als „nur“ 100 Mio € p. a. überwiesen zu bekommen und somit seine Rendite nochmals zu steigern. Die Clubs, um mindestens die fehlenden 8 % p. a. wieder auszugleichen. Aber grundsätzlich erhoffen sich die Clubs bei dieser riskanten Wette auf die Zukunft natürlich Mehrerlöse über die 8 % hinaus.

Genau deshalb soll die Einmalzahlung vom Investor so investiert werden, dass insbesondere das noch ausbaufähige internationale Vermarktungspotential der Bundesliga in ungeahnte neue Sphären vorstößt.

  • 183 Mio € sollen für Marketingaktionen im Ausland aufgewendet werden. Aus diesem Topf können Hoffenheim oder Heidenheim bald Reisen zu Freundschaftsspielen in Dallas, Delhi oder Daressalam finanzieren und so das globale Interesse am Premiumprodukt Bundesliga deutlich erhöhen.
  • Weitere 164 Mio € sind für eine eigene digitale Plattform vorgesehen, für deren Inhalte die interessierten Fans kostenpflichtige Abos abschließen müssen. Zugleich kann man die Plattform ggf. nutzen, um die Spiele in Eigenregie live zu übertragen, wenn die Angebote der TV- und Streaming-Sender nicht attraktiv genug sind.
  • 126 Mio € sollen hingegen für Maßnahmen zur Erhöhung der Exklusivität eingesetzt werden. Einerseits will man verstärkt gegen illegale Verwerter der Bundesligainhalte vorgehen, andererseits sollen exklusive Inhalte über die reinen Spielübertragungen hinaus kreiert werden. Möglicherweise im Stile der erfolgreichen Langzeitdokumentionen über Sportclubs von Amazon, Netflix & Co. Vielleicht dürfen wir uns also auf Formate wie Inside Augsburg oder Darmstadt Till I Die freuen.
  • 65 Mio € sind für den Ausbau von Werbemaßnahmen und Partnerschaften vorgesehen. Insbesondere im internationalen Bereich.
  • 8 Mio € veranschlagt man unterdessen für den Ausbau des Sektors E-Sports.
  • Stolze 300 Mio € sind wiederum dafür eingeplant, um die ersten Jahre die Löcher bei den Clubs zu stopfen, welches der Deal zunächst in ihren Etats reißt. Denn nicht nur bei Schalke 04 würde das Fehlen von 8 % der TV-Gelder wahrscheinlich ad hoc zu einer existenzbedrohenden Situation führen. Also gönnt man sich vorerst noch eine Übergangszeit, bevor in drei oder vier Jahren die erhofften Mehrerlöse aus der Vermarktung die Zahlungen an den Investor ausgleichen müssen.
  • Für den Rest der Milliarde gibt es offenbar noch keinen konkreten Verwendungszweck, bzw. er ist als strategische Reserve vorgesehen. Wahrscheinlich für den Fall, dass der bunte Strauß an vorgenannten Projekten und Maßnahmen kurzfristig doch nicht wie erhofft fruchtet und deshalb noch länger als geplant Etatlücken der 36 Lizenznehmer ausgeglichen werden müssen.

(Zahlen von sportschau.de übernommen)

Im Zuge des angedachten Milliardendeals war natürlich viel von Roten Linien seitens der DFL zu lesen und zu hören. Einerseits soll der Investor kein direktes Mitspracherecht bei der Vermarktung der Bundesliga haben. Andererseits sind eine weitere Zerstückelung der Spieltage oder die Austragung von Pflichtspielen im Ausland weiterhin nicht vorgesehen. Aber die kritischen und aktiven Fans sind sicher nicht so naiv zu glauben, dass irgendwas in Stein gemeißelt ist, falls die Erlöse in Zukunft hinter den Erwartungen zurückbleiben.

Zugleich war das Abstimmungsergebnis für den Investoreneinstieg nicht nur denkbar knapp, sondern auch regelrecht skandalös zustande gekommen. Bei der entscheidenden Abstimmung am 11. Dezember 2024 hatten 24 von 36 DFL-Mitgliedern für die Aufnahme von Verhandlungen mit einem Investor gestimmt. Das war exakt die satzungsmäßig vorgeschriebene Zwei-Drittel-Mehrheit. Nur eine Enthaltung oder Ablehnung mehr und der geplante Milliardendeal wäre gescheitert.

Sicherlich wird sich die DFL vor so einer richtungsweisenden Abstimmung nochmal ein Meinungsbild bei den 36 Lizenznehmern eingeholt haben und es war somit klar, dass es nur ganz knapp reichen würde. Allerdings wurde der den Deal mutmaßlich befürwortende 96-Geschäftsführer Martin Kind vom ihm gegenüber weisungsbefugten Vorstand des Hannoverschen SV von 1896 e. V. angewiesen mit Nein zu stimmen. Bei einer offenen Abstimmung wäre das Ja-Lager nun entweder aller Voraussicht nach um eine Stimme geschrumpft oder andernfalls hätte Martin Kind mit einer Zustimmung zum Deal nochmal ganz ungeniert die 50+1-Regel ad absurdum geführt. Wir erinnern uns, 50+1 ist bei 96 trotz aller Machtfülle von Martin Kind in den Augen der DFL immer noch erfüllt, weil der Vorstand des Vereins ihm gegenüber uneingeschränkt weisungsbefugt ist. Zumindest auf dem Papier. Sollte Martin Kind nun eine dieser Weisungen vom e. V. offen missachtet haben, wäre die Frage, ob Hannover 96 überhaupt noch 50+1 und damit die Lizenzbedingungen erfüllt, erneut akut geworden.

Ergo hatten viele Involvierte wahrscheinlich ein riesiges Interesse daran, dass die Abstimmung geheim stattfindet und insbesondere Martin Kinds Abstimmungsverhalten unter keinen Umständen rechtssicher nachweisbar ist. Diesmal verzichtete man gar auf die sonst übliche geheime Abstimmung mit elektronischen Tools, da bei diesen prinzipiell ein Abstimmungsverhalten im Nachgang technisch offengelegt werden kann. Zugleich wurde auch die Anregung von 96 (e. V.), man möge die Abstimmung so durchführen, dass Martin Kinds Befolgen der verpflichtenden Weisung nachvollzogen werden kann, gepflegt ignoriert. Ethisch und moralisch mag das Vorgehen in dieser Causa eine weitere Bankrotterklärung des deutschen Profifußballs sein. Aber die DFL-Spitze, bzw. deren Juristen, stufen die Abstimmung als rechtssicher ein und stellen sich gar nicht erst irgendwelche moralischen Fragen.

Bei der Auswahl des Investors zählen Moral und Ethik natürlich ebenfalls nicht. Der deutsche Spitzenfußball heuchelt seine Bekenntnisse zu Toleranz, Vielfalt oder Demokratie mutmaßlich nur aus Marketinggründen. Wie ist es sonst zu erklären, dass bei der Auswahl des langfristigen Partners nicht auf ein gemeinsames Wertefundament geachtet wird? Bei beiden letzten verbliebenen Bietern Blackstone und CVC Capital Partners stellt jedenfalls u. a. der saudi-arabische Staatsfonds PIF das Investitionskapital zur Verfügung, so dass das dortige Regime in Zukunft indirekt an der DFL bzw. deren Medienerlösen beteiligt ist.

Die aktiven Fanszenen wollen die skandalösen Umstände der entscheidenden Abstimmung am 11. Dezember hingegen nicht einfach abhaken. Sie fordern eine transparent gestaltete neue Abstimmung, wo klar ersichtlich ist, ob die stimmberechtigten Clubvertreter sich auch wirklich an die Vorgaben ihrer Mitgliederversammlungen oder ihrer demokratisch legitimierten Vereinsgremien gehalten haben. Genauso werden sie nicht müde auf die Risiken des Deals und den fragwürdigen Leumund der Investoren oder der Fonds im Hintergrund hinzuweisen. Es bleibt daher weiterhin mit Protesten verschiedenster Art zu rechnen.