- 19.12.2023
- Borussia Dortmund – FSV Mainz 05 1:1
- 1.Bundesliga (I)
- Westfalenstadion (Att: 80.350)
Ich hatte eigentlich geplant, dass zumindest auf deutschem Boden mein fußballerischer Jahresabschluss 2023 in Kiel stattfindet. Aber kurzfristig kam doch tatsächlich noch eine Geburtstagseinladung für den 19. Dezember ins Postfach geflattert. Geburtstagskind war der in den Abendstunden des 19. Dezembers 1909 im Dortmunder Wirtshaus Zum Wildschütz von Franz Braun, Paul Braun, Heinrich Cleve, Hans Debest, Paul Dziendziella, Franz Jacobi, Julius Jacobi, Wilhelm Jacobi, Hans Kahn, Gustav Müller, Franz Risse, Fritz Schulte, Hans Siebold, August Tönnesmann, Heinrich Unger, Robert Unger, Fritz Weber und Franz Wendt gegründete BV Borussia 09. Die ausgegliederte und börsennotierte GmbH & Co. KGaA dieses mittlerweile auf rund 190.000 Mitglieder angewachsenen Vereins sollte nun exakt 114 Jahre später den FSV Mainz 05 zu einem Pflichtspiel der 1.Bundesliga im Dortmunder Westfalenstadion empfangen. Jene Koinzidenz sorgte dafür, dass die aktive Fanszene des BVB auch diesen „unrunden“ Geburtstag groß zelebrieren wollte.

Gerne setzte ich mich am Dienstag nach Feierabend in den erstbesten ICE gen Dortmund (17,90 €). Dieser verließ Hannover um 17:30 Uhr und knapp zwei Stunden später erreichte ich meinen Zielort. Ich nahm die nächstmögliche U-Bahn zum Westfalenstadion und eine gute halbe Stunde vor Anpfiff saß ich auf meinem eigentlich 90 € teuren Sitzplatz im Oberrang der Osttribüne. Einerseits schön, dass man beim BVB ab 18,50 € ins Stadion kommen kann. Andererseits erschreckend, dass 90 € gegen Mainz anstatt Manchester in Block 52 aufgerufen werden. Okay, ist schön mittig auf der Ost. Aber man sitzt hier im Oberrang doch schon relativ weit weg vom Spielgeschehen. Die unabhängige Preiskommission von Schneppe Tours empfindet dort 60 €, respektive 75 € bei absoluten Topspielen als angemessen.

Heute sollten übrigens etliche Sitze im ganzen Stadion frei bleiben. Sogar Tageskarten ab 35 € aufwärts waren noch kurz vor Spielbeginn verfügbar. Nie im Leben waren – wie offiziell angegeben – über 80.000 Zuschauer an diesem Abend im Westfalenstadion. Die Ansetzung unter der Woche, ein Gegner der Güteklasse B, fünf sieglose Pflichtspiele in Serie, Dauerregen und eine parallele Übertragung im Free-TV kann ich als mögliche Gründe für das Fernbleiben vieler Dauerkartenbesitzer in den Ring werfen.
Im Jahre 1909, da wurd’ ein Stern gebor’n.
Und man sah sofort an seinem Schein, er kann nur aus Dortmund sein.Dieser Stern, der heißt Borussia. Und er leuchtet in schwarz-gelb.
Als schönster Stern von allen dort, am großen Himmelszelt.Und seh’ ich hinauf zum Firmament.
Auf den Stern, den jeder kennt.
Spür‘ ich seinen Glanz, dann sag ich mir: Er ist auch ein Teil von dir!Leuchte auf, mein Stern Borussia!
Leuchte auf, zeig mir den Weg!Ganz egal, wohin er uns auch führt. Ich werd’ immer bei dir sein!
Leuchte auf, mein Stern Borussia!
Leuchte auf, zeig mir den Weg!Ganz egal, wohin er uns auch führt. Ich werd’ immer bei dir sein!
Leuchte auf, mein Stern Borussia
Damit trotzdem ein würdiger Rahmen für den heutigen Ehrentag der Borussia herrscht, hatte der Club einerseits den Kinderchor der Chorakademie Dortmund ins Stadion eingeladen und andererseits hatte die Süd eine schöne Choreographie vorbereitet. Die wirklich gelungene Symbiose bestand nun darin, dass der Kinderchor kurz vor Anpfiff das sehr festliche Lied „Leuchte auf, mein Stern Borussia“ sang, während die Süd für die passende Visualisierung sorgte. Im Zentrum eines schwarz-gelben Sternenhimmels glänzte dort ein riesiger goldener Stern. Davor wurde wiederum der Schriftzug „Leuchte auf, mein Stern Borussia“ hochgezogen, wohingegen am Zaun in großen Ziffern und Lettern das Gründungsdatum des Ballspielvereins Borussia zu lesen war. Als Höhepunkt des Spektakels wurde der goldene Stern außerdem im Laufe des Liedes von etlichen Leuchtfeuern gerahmt (siehe Titelbild).

Nachdem diese Darbietung für viel Entenpelle gesorgt hatte, wollte auch die Terzić-Elf ihren Beitrag zur festlichen Stimmung leisten. Man setzte die abstiegsbedrohten Mainzer früh unter Druck und bereits in 8.Minute verhinderte bei einem Schuss von Jamie Bynoe-Gittens nur das Aluminium den frühen Rückstand der Rheinhessen. Auch danach blieb der BVB am Ball und in der 29.Minute sorgte Julian Brandt per direkt verhandeltem Freistoß für das überfällige 1:0. Großer Jubel entbrannte und alles sah zunächst nach einem halbwegs versöhnlichen Schlusspunkt des turbulenten Jahres 2023 aus.

Euphorisiert drängte die Borussia auf das nächste Tor und in 33.Minute rettete den Karnevalsverein bei einem Torschuss von Sabitzer abermals das Aluminium. Auch Ex-96er Niclas Füllkrug hatte wenig später das 2:0 auf dem Fuß, schloss jedoch zu unplatziert ab. Der Weltpokalsieger von 1997 spielte sich so langsam in einen Offensivrausch, so dass dem Gast aus der linksrheinischen Hälfte der rheinland-pfälzischen Doppelhauptstadt Mainz-Wiesbaden (Insidergag…) möglicherweise ein Debakel drohte.

Doch diese Mainzer, die dem BVB im Sommer bereits die 09.Meisterfeier nach 1956, 1957, 1963, 1995, 1996, 2002, 2011 und 2012 versaut hatten, entpuppten sich auch bei der heutigen Geburtstagsparty als ganz miese Gäste. Nach einem Eckstoß konnte Sepp van den Berg kurz vor dem Pausenpfiff zum Ausgleich in die Maschen köpfen. Das dämpfte nicht nur die Stimmung bei 96 % der Zuschauer, sondern sorgte offenbar auch bei der Heimmannschaft für einen Stimmungsumschwung. Denn nach dem Seitenwechsel war zunächst nichts mehr vom schwarz-gelben Angriffsfußball des ersten Durchgangs zu sehen. Stattdessen machte Mainz plötzlich Druck und die Partie schien vollends zu kippen.

Das wirkte sich auch auf den Rängen aus. Während dem Mainzer Anhang endlich mal wieder euphorisch statt trotzig zum Singen und Lachen zumute war, sank die eher mittelmäßige Mitmachquote auf der Süd nochmal deutlich. In anderen Teilen des Stadion braute sich gar eine regelrechte Antistimmung mit Pfiffen und Flüchen zusammen. So kurz vor Weihnachten sehnte ich mich allerdings nach Harmonie und verließ das Stadion deshalb bereits in der 70.Minute. Nicht, dass ich hier bei Abpfiff noch ein gellendes Pfeifkonzert erlebe und dieses mir unter dem Weihnachtsbaum immer noch in den Ohren klingelt…

Aber Scherz beiseite; ich hatte tatsächlich von Anfang an geplant bereits um 22 Uhr das Weite zu suchen, damit ich um 22:28 Uhr den letzten ICE des Tages nach Hannover bekomme (11,15 €). Klappte auch mühelos und so lag ich kurz nach 1 Uhr in den Federn. Im Westfalenstadion blieb es unterdessen beim 1:1 und wahrscheinlich verabschiedete tatsächlich ein Teil des Publikums die Profifußballer mit Pfiffen in die Weihnachtstage. Gemessen an den dortigen Ansprüchen, war das zumindest national – mit dem frühen Aus im Pokal und dem Überwintern auf dem 5.Platz – eine desaströse Halbserie. Ich kenne zwar auch Borussen, die möglichen Duellen mit Slovan Bratislava, Olimpija Ljubljana und Klaksvíkar Ítróttarfelag in der UEFA Europa Conference League schon freudig entgegenfiebern. Aber das Gros des Anhangs und die Clubspitze hegen natürlich andere Ambitionen.
Ich danke jedenfalls nochmal für die „Einladung“ und hätte ich schon Urlaub, wäre ich natürlich auch gerne dem Angebot eines kleinen Umtrunks nach dem Spiel nachgekommen. Aber man sieht (und hört) sich ja immer mal wieder. Von daher nochmal beste Grüße gen Westen!