Dresden & Zwickau 03/2011

  • 26.03.2011
  • FSV Zwickau – Chemnitzer FC 0:2
  • Sachsenpokal (Round of 16)
  • Westsachsenstadion (Att: 3.212)

Was kann man an einem Länderspielwochenende sinnvolleres machen, als des Jogis Adlerträger anzuschauen? Richtig, ein vernünftiges Spiel auf regionaler Ebene besuchen! Schön daher, dass ein Konsortium bestehend aus dem Abt, Bull Hurley und dem schönen Harry mich auf den Classico Westsachsens aufmerksam machte. Der FSV Zwickau (mittlerweile fünftklassig) empfing den CFC aus ehemals Karl-Marx-Stadt (immerhin noch viertklassig, mit Tendenz nach oben) zum Sachsenpokalvergleich im Westsachsenstadion. Grund genug das Bull-Hurley-Mobil mit vier Insassen zu füllen und sich von Samstag auf Sonntag im Hotel NH Dresden Neustadt (****) einzubuchen. Hannover hat’s ja.

Die Reise begann zu einer unchristlichen Zeit in Hildesheim. Mit 50 % ausgeschlafenen Menschen und 50 % übermüdeten Menschen, sowie dem heimlichen Star der Hinfahrt: Abtos patentierten Balkanbällchen mit Fetafüllung! Wir vermuten, dass er das Rezept dereinst von dankbaren bosnischen Dorfbewohnern auf seiner Friedensmission in BiH bekommen hat. Beim leckeren Frühstück auf Rädern konnten nebenbei etliche Graffiti an der Autobahn begutachtet werden. Die Landkreise BS, WOB, MD, HAL und L wurden durchquert und überall markierten die lokalen Ultragruppen mal mehr, mal weniger ansehnlich ihr Territorium.

Willkommen im Dynamo-Land

Dresden wurde zeitig erreicht und das Fahrzeug schon mal am Hotel geparkt. Ein Check-in war am Vormittag selbstredend noch nicht möglich, so dass es nun zunächst zum excellent sortierten D&S Getränkemarkt nahe des Hotels ging und anschließend schnurstracks zum Bahnhof, wo der InterRegio gen Nürnberg bestiegen wurde. Zusammen mit irgend einem Dynamo-Ronny, den Bull Hurley mal irgendwo kennengelernt hatte. Die Wegzehrung war mit Pfeffi und Pils gut gewählt und die zusteigenden Himmelblauen in Chemnitz wunderten sich wie wir das Flaschenverbot umgehen konnten. Dass wir nicht mit in Chemnitz eingestiegen waren und auch eigentlich nicht zum CFC hielten, verschwiegen wir geschickt in der Konversation. Dass die Chemnitzer dabei trotz unseres Hochdeutsch immer noch nicht in den Anlungermodus wechselten, war bemerkenswert. Oder sie dachten, wer so gut gekleidet ist, kann keinen Fußballbezug haben.

Willkommen am Westsachsenstadion

Die Polizei in Zwickau hielt uns allerdings trotz nobler Garderobe und eloquenter Ausdrucksformen für Chemnitzer und verweigerte uns den Austritt durch den Haupteingang des HBF. So musste eben die E-Mail des FSV Zwickau, die den Abt als Pressevertreter herzlich zur heutigen Partie einlud, als Passierschein herhalten. Der Dresdner Ronny traf dann zwei Straßen weiter seine Zwickauer Ricos und gemeinsam traten wir in einer niedersächsisch-obersäschischen Kleingruppe den Marsch zum Stadion an.

Provisorium Westsachsenstadion

Am Westsachsenstadion schnappten der Abt und ich uns die bereitgestellten Presseleibchen und verbrachten die erste Hälfte im Innenraum des Stadions. Mit bester Sicht auf alles und jeden und in guter Hörweite beider Fanblöcke. Im Resümee haben beide Szenen gute Leistungen geboten, wenn auch stilistisch Unterschiedliches serviert wurde. Zwickau mit spielunabhängigem Dauersupport, allerdings sehr originell und mit Schlagzeug im Block (ein komplettes Teil mit Hi-Hat, Drums und Snares). Chemnitz dagegen supportete lauter, spielbezogener, klassischer. Wurde es bei ihnen mal textlastiger und melodischer, war die Beteiligung bei den rund 1.000 Himmelblauen gleich viel geringer.

Der Block von Red Kaos

Aber genug von Dingen, die man schlecht schriftlich veranschaulichen kann und jeder besser selbst live erleben sollte. Widmen wir uns lieber dem Buffet im VIP-Raum, welches nach einer torlosen ersten Hälfte von Abto und mir geprüft wurde. Bei Schnittchen, Pils, Fleischwaren und Soljanka ließen es sich die Honoratioren und Medienvertreter gut gehen. Dabei zogen wir auch ein erstes Fazit von diesem zähen Fußballspiel. Zwickau als klassentieferes Team setzte wenig überraschend auf die Defensive und Chemnitz fehlte es auf schwerem Geläuf an Ideen und Torgefahr.

Ich gönn‘ mir in der Halbzeitpause

Die zweite Halbzeit – im zu weiten Teilen baufälligen, aber gerade deshalb sehr charmanten Rund – schauten wir von den exponierten Plätzen unterhalb des charakteristischen Stadionturms. Die Chemnitzer schafften in der 72.Minute endlich mal einen sehenswerten Angriff, den Tüting per Heber zum 1:0 vollendete. Zwickau musste nun aufmachen und das Spiel wurde munterer, da sich zahlreiche Kontermöglichkeiten für den CFC ergaben. In den Schlussminuten stürmte sogar FSV-Keeper Wohlfeld mit auf das Chemnitzer Tor an. Jener ließ sich dann in der 90.Minute von Garbuschewski im Konter austanzen, der für die Entscheidung sorgte.

Die mitgereisten CFC-Fans

Das war unser Signal wieder den VIP-Raum zu entern und nach ein paar weiteren Pils dem Chemnitzer Erfolgstrainer Gerd Schädlich ein Kurzinterview aufzudrängen. Der Mann beurteilte das Spiel deckungsgleich mit uns, was für seinen Sachverstand sprach. Die Bar verließen wir dann als letzte Gäste (mit Wegbier, weil wir der ehrenamtlichen Omi so schön beim Tische abräumen geholfen haben) und machten uns auf den Weg in Zwickaus Innenstadt. Die war schöner als erwartet. Der spätgotische Dom mit barockem Glockenturm und die gotischen Wohngebäude am Domhof, sprachen den Historiker und den Architekturliebhaber in mir an. Genauso die spätgotischen Bauwerke wie das Gewandhaus und das Dünnebierhaus.

Gewandhaus Zwickau

In der Dämmerung vereinigten wir uns wieder mit dem Rest und es ging zu siebt in eine spärlich besetzte dunkle Kellerbar. Der Halbe kostete unter drei Euro und die Bedienung ließ sich gut anflirten, obwohl sie zunächst noch einen festen Freund hatte. Das änderte dieser wenig später per SMS und sie lief nun erstmal heulend raus an die Erdoberfläche. Die Dame machte lange Zeit keine Anstalten wieder zurückzukehren, also mussten wir irgendwann anfangen selbst zu zapfen. Ehrlicherweise legten wir auch ein paar Taler auf den Tisch, quasi den Bierpreis abzüglich unseres Arbeitsentgelts. Wir sind ja keine Asis!

Ein Pilsbier jagte das nächste

Irgendwann rief Dresden wieder und ich konnte es nicht lassen im Norma noch eine Kiste Sterni für die lange Fahrt (immerhin 90 Minuten) zu kaufen. Der Zug war nun eigentlich nicht zu bekommen, aber der Sportlichste sprintete los und hielt den InterRegio noch ein paar Minuten auf. Die Schaffnerin war jetzt ziemlich sauer, änderte aber bei Freibier ihre Meinung um 180 Grad und verkündete bereits kurz nach Zwickau ihren Feierabend. Nach bierseliger Fahrt erreichten wir Dresdens Hbf, flirteten dort mit französischen Touristinnen und lernten die Dresdner Neustadt kennen. Zu später Stunde kehrten wir noch in Ackis Sportsbar ein. Eine nicht für die Allgemeinheit taugliche Bar, in der uns sportliche Dynamo-Freunde zu diversen Pfeffis nötigten. Das Taxi ins Hotel war dann eine echte Erlösung für die Leber und den Brummschädel und der Check-in mitten in der Nacht klappte komischerweise trotz vier Promille reibungslos.

Katholische Hofkirche

Das Hotel war top, sah mich allerdings nur wenige Stunden. Denn vormittags wollte ich dem Kater nach einem regenerativen Bad mit viel frischer Luft und ordentlich Bewegung begegnen. Alle anderen bevorzugten dagegen den Late Check-out und waren wohl noch angeschlagener als ich. Mir aber tat die Frischluft nach der Feiernacht wirklich sehr gut und Dresdens architektonische Schönheit war ebenfalls zuträglich für einen persönlichen Stimmungsaufschwung.

Die Semperoper

Neben den Gebäuden von Weltrang wie der Frauenkirche, dem Residenzschloss, dem Zwinger und der Semperoper, zog es mich auch zum Heinz-Steyer-Stadion im Schatten der Yenidze-Zigarettenfabrik (Dresdens „Moschee“). Die Heimat des Dresdner SC wollte ich mir mal genauer angucken. Wer weiß wie ihre nähere Zukunft aussieht, wo der DSC nach Zwischenhoch um die Jahrtausendwende doch wieder arg abgeschmiert ist und heute nur noch achtklassig spielt.

Heinz-Steyer-Stadion

Mittags brachten diverse Cheeseburger den Rest der Gruppe auch endlich wieder auf Vordermann und wir fuhren westwärts. Das für die Rückfahrt angedachte Fußballspiel VfL Halle 96 gegen Lok Leipzig lockte dennoch keinen aus der Reisegruppe mehr vor’m Ofen hervor, so dass nonstop nach Niedersachsen gebraust wurde. Aber wir ja auch keine Groundhopper, sondern eher durstige Städtetouristen mit Fußballinteresse.

Song of the Tour: Eine Hommage an die Gastmannschaft bzw. ihre Fanszene.