Glasgow 07/2025 (I)

  • 06.07.2025
  • Rangers FC – Club Brugge KV 2:2
  • Friendly
  • Ibrox Stadium (Att: 29.480)

Am ersten Morgen auf schottischem Boden wurde immerhin bis ca. 8 Uhr geschlafen und anschließend ging es im Ibis Styles Glasgow Central (***) zunächst einmal zum Frühstücksbuffet. Den restlichen Vormittag nutzte ich wiederum ab 9 Uhr für eine ausgedehnte Sightseeing & Streetart Tour im Zentrum der größten Stadt Schottlands (ca. 630.000 Einwohner).

Morgendliche Kalorienzufuhr

Eines meiner Ziele war natürlich die St Mungo’s Cathedral. Die gotische Kathedrale ist in ihrer heutigen Erscheinung zwischen dem 12. und 15. Jahrhundert entstanden und Schottlands Nationalheiligen St Mungo geweiht. Dieser missionierte im 6. Jahrhundert in diesem Teil der Britischen Inseln und gründete damals mit einem bescheidenen Vorgängerbau der späteren Kathedrale das Bistum Glasgow. Somit gilt er zugleich als Vater der Stadt.

St Mungo’s Cathedral

Seine mutmaßlichen Gebeine liegen in der Krypta der Kathedrale, wohingegen ganz viele andere sterbliche Überreste in der benachbarten Necropolis zur Ruhe gebettet wurden. Seit 1832 wurden hier ca. 50.000 Verstorbene beigesetzt und immerhin rund 3.500 von ihnen haben einen Grabstein auf diesem 15 Hektar großen Areal. Die Leichen der Reichsten landeten hingegen in Familiengruften mit imposanten viktorianischen Grabmälern darüber. Wessen Familie so eine Gruft besitzt, dessen Leichnam kann übrigens immer noch in der Necropolis zur letzten Ruhe gebettet werden. Für den Rest müssen die anderen Friedhöfe der Stadt mittlerweile genügen.

Glasgow Necropolis

Doch springen wir historisch erstmal wieder in die Vergangenheit. Am Fuße des Hügels der Bischofskirche entstand nämlich eine mittelalterliche Marktsiedlung, die 1175 vom schottischen König William I (Wilhelm I.) das Stadtrecht verliehen bekam. Somit feiert die Stadt Glasgow dieses Jahr ihren 850. Geburtstag. Davon kündeten übrigens auch zahlreiche Fahnen, Banner und Plakate am Wegesrand der wichtigsten Straßen. Entsprechende Festakte fanden und finden 2025 ebenfalls statt. Doch jetzt für den Juli, bzw. meinen Reisezeitraum stand ausgerechnet nichts Besonderes im Programm.

Glasgows Stadtwappen*

Leider findet man abseits der St Mungo’s Cathedral nur wenige Bauwerke, die einem ein Bild vom mittelalterlichen Glasgow vermitteln. Am ehesten können das noch direkte Nachbarn der Kathedrale, da diese Gebäude teilweise aus dem späten 15. Jahrhundert stammen. Das älteste ist das einstige Pfarrhaus Provand’s Lordship, welches 1471 erbaut wurde.

Glasgows ältestes Wohngebäude (1471)

Bewegt man sich von der Kathedrale hinunter ins eigentliche Stadtzentrum, sind allenfalls noch Fragmente von richtig alten Bauwerken aus dem 16. und 17. Jahrhundert vorhanden. Denn im Grunde entstand die Stadt, wie wir sie heute sehen, ab dem 18. Jahrhundert nochmal neu. Schuld sind der durch Glasgow fließende Fluss Clyde und die äußeren Umstände, die diesen Wasserlauf plötzlich zu einer bedeutenden Ader des britischen Wohlstands gemacht haben.

Tron Steeple (Glockenturm aus dem 17. Jahrhundert)

Denn über diesen insgesamt 170 km langen Fluss, der unweit von Glasgow in den Meeresarm Firth of Clyde übergeht, hat Glasgow eine maritime Anbindung an den Atlantik. Als man in der frühen Neuzeit herausfand, dass westlich von Irland noch mehr als Wasser ist, entstanden rasch Handelsrouten auf diesem Ozean. Eine führte von Glasgow nach Nordamerika und im 18. Jahrhundert wurde über den hiesigen Hafen ein beträchtlicher Teil des transatlantischen Handels zwischen dem Vereinigten Königreich und seinen amerikanischen und karibischen Kolonien abgewickelt.

Tolbooth Steeple (erhalten gebliebener Turm des einstigen Zollhauses, ebenfalls 17. Jahrhundert)

Als diese Warenströme nach der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika (1776) rückläufig wurden, spielte der Stadtentwicklung schon bald die industrielle Revolution in die Karten. Einerseits mussten die reichen Kohlevorkommen aus Schottland verschifft werden, anderseits entstanden etliche Werften, die quantitativ und qualitativ so herausragend produzierten, dass Glasgow im 19. Jahrhundert sozusagen zur Welthauptstadt des Schiffbaus aufstieg.

Teilansicht der City Chambers (Rathaus von 1889)

Der gigantische Bedarf an Arbeitskräften ließ das zwar bereits geschäftige, aber dennoch etwas beschaulich gebliebene Glasgow schnell zur nach London zweitgrößten Metropole des Königreichs aufsteigen. Insbesondere aus Irland gab es damals einen riesigen Zustrom von Neubürgern. Grundstein der bis heute großen irischstämmigen katholischen Gemeinde Glasgows und somit auch das historische Fundament des weltweit bekannten Celtic Football Club.

Der vornehme viktorianische Park District

Insgesamt stieg die Bevölkerung von rund 75.000 Menschen im Jahre 1801 auf über 750.000 im Jahre 1901. Entsprechend enorm dehnte sich die Stadt auch flächenmäßig aus. Die verhältnismäßig kleine Minderheit, welche die Gewinne aus Industrie abgriff, zeigte ihren Reichtum mit prachtvollen Villenvierteln auf den Hügeln der Stadt, sowie der großzügigen Finanzierung von Parkanlagen und repräsentativen öffentlichen Gebäuden. Die Working Class lebte hingegen in als Slums zu bezeichnenden Wohnquartieren nahe des Flusses Clyde.

Kelvingrove Art Gallery and Museum (1901)

Der Niedergang der Schwerindustrie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stellte die Stadt jedoch vor große wirtschaftliche und soziale Herausforderungen. Daher musste sich Glasgow in der jüngeren Vergangenheit notgedrungen nochmal neu erfinden. So setzte man einerseits auf den Ausbau als Wissenschaftsstandort, wofür mit der bereits 1451 gegründeten University of Glasgow ein hervorragendes Fundament vorhanden war.

Die zentrale Buchanan Street ist die Haupteinkaufsmeile der Stadt

Andererseits wurden die sich gegenseitig begünstigenden Sektoren Kultur und Tourismus ab den 1980er Jahren stark gefördert. Renommierte Museen wie das Kelvingrove locken jährlich unzählige Besuchern an und es vergeht auch garantiert kein Tag in Glasgow ohne Live Music. Kleine Clubs, große Hallen oder die Parks der Stadt bieten vom Newcomer bis zum Weltstar für jeden die passende Bühne. Das Stadtmarketing behauptet, dass jede Woche über 150 Musikveranstaltungen in Glasgow stattfinden und seit 2008 trägt man stolz den von der UNESCO verliehenen Titel City of Music.

Der immer wieder von irgendwem mit Verkehrskegeln versehene Duke of Wellington vor der Gallery of Modern Art ist ein Symbolbild des zeitgenössischen Glasgows geworden

Für jene, die für ein Konzert, ein Festival oder einfach nur einen Städtetrip nach Glasgow kommen, hat man die historische Bausubstanz der Innenstadt wieder fein herausgeputzt. Damit die teilweise auch schön bunt ist, hat man obendrein viele Fassaden für Streetartkünstler zur Verfügung gestellt und etliche der über die Jahre entstandenen Kunstwerke können sich sehen lassen. Daher folgt nun eine kleine Galerie mit Schnappschüssen meines Spaziergangs:

Nach ziemlich genau 3,5 Stunden war ich dann wieder am Startpunkt meiner touristischen Runde, sprich zurück am Hotel. Aber im Prinzip bekam die Tour sogleich eine Zugabe. Denn um 14 Uhr sollte heute der Ball bei den Rangers rollen und auf den knapp vier Kilometern zum Stadion konnte man zu Fuß natürlich noch weitere Eindrücke von der Stadt gewinnen.

The Armadillo, The Finnieston Crane und The Hydro (v. l. n. r.)

So passierte ich noch den Scottish Event Campus (SEC) am Ufer des Clyde. Die früher als Queen’s Docks bekannte Hafengegend wurde 1985 durch den Bau des Scottish Exhibition and Conference Centre revitalisiert. Es folgten das Konzerttheater The Armadillo (1997), das Riverside Museum (2011) und die große Konzert- bzw. Mehrzweckhalle The Hydro (2013), sowie mehrere Hotels und Bürokomplexe.

Festlich geschmückte Straßenzüge in Govan

Als ich am SEC den Fluss überquert hatte, war es auch nicht mehr weit zum Stadtdistrikt Govan. Hier steht seit 1899 das Ibrox Stadium und das benachbarte Wohnquartier war festlich in den Farben blau, weiß und rot geschmückt. Denn es war Marschsaison und erst am Vortag hatte der protestantische Orange Order (Oranier-Orden) seine diesjährige große Parade durch Glasgow ziehen lassen, um an den Sieg der Protestanten über die Katholiken in der Battle of the Boyne zu erinnern.

Hier trinken Katholiken wahrscheinlich eher selten ein Pint

Am jenem Fluss Boyne in der Nähe der irischen Stadt Rosnaree konnte der protestantische König William III of England (Wilhelm III.) im Jahr 1690 nämlich seinen katholischen Vorgänger James II (Jakob II.) besiegen und damit für einen bis heute nachwirkenden Wendepunkt in der irischen und britischen Geschichte sorgen (Vgl. Northern Ireland 10/2016).

Denkmal für Walter Smith (* 1948; † 2021), der als Trainer zehnmal mit den Rangers schottischer Meister wurde

Das an protestantische Stadtteile in Nordirland erinnernde Straßenbild von Govan erinnerte mich wiederum daran, dass im 19. Jahrhundert nicht nur katholische Iren nach Glasgow übergesiedelt waren. Etwa 25 % der irischen Migranten waren Protestanten (oft übrigens ursprünglich aus Schottland stammend), so dass die konfessionellen Konflikte von der irischen Insel quasi direkt importiert worden. Damit sogleich willkommen bei den Wurzeln der erbitterten Rivalität des Celtic FC und des Rangers FC, die bekanntlich ethnisch und konfessionell aufgeladen ist.

Die Haupttribüne von 1929

Aber da es heute im Ibrox Stadium nicht gegen Celtic ging, wollen wir dieses Bücher füllende Thema nicht weiter vertiefen. Man muss es nur immer im Hinterkopf haben, um zu verstehen, warum welche Fanszene mit welcher nationalistischen Symbolik auftritt und kurioserweise keine davon schottisch ist. Denn Fans des Celtic FC leben eine irisch-republikanische Identität aus, während der Anhang der der Rangers sich zuvorderst als britisch und loyal zur Krone definiert.

Die ikonische Backsteinfassade der Haupttribüne

Entsprechend war der Union Jack die dominante Flagge bei den fliegenden Händlern am Ibrox Stadium. Dicht gefolgt von der Red Hand Flag of Ulster. Dass die Gründer des Rangers Football Club die Farben blau, weiß und rot wählten, soll zwar nicht politisch motiviert gewesen sein, passt aber natürlich perfekt zur Orientierung der Fanszene.

Im Inneren der Haupttribüne

Jene Gründerväter waren übrigens vier protestantische junge Männer, die 1872 im Kelvingrove Park (einer Parkanlage im Westen der Stadt) mit dem Fußballspiel in Berührung kamen und beschlossen eine eigene Mannschaft zu gründen. Man spielte in den ersten Jahren auf verschiedenen Anlagen, ehe man 1887 im Ibrox Park in Govan sesshaft wurde. Dort ließ man 1899 ein großes Stadion mit Holztribünen erreichten, welches 1929 vom Architekten Archibald Leitch komplett modernisiert wurde. Dessen für die Stadionarchitektur wegweisende Haupttribüne ist bis heute erhalten geblieben und genügte mir allein schon als Grund für den heutigen Spielbesuch.

Im Oberrang des Broomloan Stand habe ich 2002 den Länderpunkt Schottland gemacht

Außerdem habe ich im Ibrox Stadium 2002 meinen Länderpunkt Schottland gemacht und dementsprechend hatte der heutige Revisit noch eine besondere nostalgische Note für mich. Da zahlte ich gerne £ 19 (ca. 22,50 €) für einen Platz auf der Haupttribüne und freute mich, dass wenigstens knapp 30.000 weitere Plätze im heuer bis zu 51.700 Zuschauer fassenden Stadion besetzt waren.

Der Govan Stand (Gegengerade) und der Copland Stand wurden wie der Broomloan Stand zwischen 1978 und 1981 grundlegend modernisiert

Leider waren nur zwei Dutzend Fans des Club Brugge angereist. Klar, der neue Arbeitgeber von Ex-96er Nicolò Tresoldi (der noch Sonderurlaub hatte) spielt jedes Jahr im europäischen Wettbewerb. Demgemäß muss die Lust der Fans auf internationale Abenteuer nicht mit solchen Freundschaftsspielen gestillt werden. Aber ein paar mehr belgische Schlachtenbummler hatte ich schon erwartet. Gerade auch, weil die Szene des Club Brugge der britischen Fankultur gegenüber sehr affin ist.

Das Häufchen Brügger

Diese wenigen wurden allerdings früh zu glücklichen wenigen. Denn durch Tore von Hugo Vetlesen (10.) und Ludovit Reis (13.) war der belgische Vizemeister beim schottischen Vizemeister schnell mit 0:2 in Führung gegangen. Das sorgte im natürlich erstmal für lange Gesichter beim Anhang der Rangers. Weil der Spielstand bis zur Pause unverändert blieb, gab es sogar vereinzelt hörbare Unmutsbekundungen der Fans.

So hatten die Rangers sich das nicht vorgestellt: Schon nach 13 Minuten 0:2 hinten

In Deutschland wäre das Spiel nun ideal gewesen, um die meiste Zeit am Bierstand zu verquatschen. In Schottland sind die Stadien allerdings seit 1981 komplett alkoholfrei. Eine Konsequenz der schweren Ausschreitungen beim Pokalfinale zwischen den Rangers und Celtic im Vorjahr.

Erst kam der Regen, dann die Möwen

Aber die Rangers sollten ihre Fans im zweiten Durchgang doch noch beglücken. Vielleicht lag es an der Wechselorgie auf beiden Seiten oder am mittlerweile regnerischen Wetter. In jedem Fall fand die seit wenigen Tagen von Russell Martin gecoachte Mannschaft endlich Zugriff auf’s Spiel und erzielte in der 52. Minute durch Mouhamed Diomandé den Anschlusstreffer.

Freude über den Anschlusstreffer

Danach blieb der 55fache schottische Fußballmeister dominant und auch Teile des Publikums ließen sich ab und zu mal zu einem Anfeuerungsruf hinreißen. Tore feiern und gewinnen tut man als Fan schließlich selbst in Testspielen gern. Den Trainern geht es dabei eher um’s Einspielen, Ausprobieren und vielleicht auch um eine Chance für den ein oder anderen Nachwuchsspieler. Die wusste heute der erst 18jährige Findlay Curtis zu nutzen, indem er, nach allgemein auffälligem Auftritt, kurz vor Spielende den Ausgleich und zugleich Endstand besorgte (89.).

Abmarsch zur U-Bahn

Aufgrund des Regens setzte ich nach Abpfiff auf die U-Bahn. Von der Station direkt am Stadion kostete die einfache Fahrt ins Stadtzentrum faire £ 1.85 (ca. 2,20 €) und kaum am Ziel, stolperte ich quasi in eine Niederlassung der kanadischen Fast-Food-Kette Tim Horton’s**. Da seit dem Frühstück keine feste Nahrung mehr in meinen Körper gewandert war, bot es sich natürlich an diesen Laden zu testen.

Tim’s Triple Cheeseburger

Es wurde nun Tim’s Triple Cheeseburger, der im Menü mit Chili Cheese Loaded Fries und 0,5 l Irn-Bru faire £ 9.75 (ca. 11,30 €) kostete. Sah zwar schlechter aus als das Teil von Ohannes Burger im vorigen Bericht, schmeckte mir aber deutlich besser. Mit der Erkenntnis, dass Tim Horton’s für ’ne Fast-Food-Kette ganz brauchbar zu sein scheint, ging es noch auf ein Pint Tennant’s Lager (kostenloser Welcome Drink) an die Hotelbar und anschließend ins Bett. Kraft tanken für die vielen Aufgaben der nächsten Tage…

Song of the Tour: Alter Rangers-Klassiker neu interpretiert

*Das Wappen zeigt St Mungo und Symbole, die an ihm zugeschriebene Wunder erinnern (siehe Wikipedia)

**Tim Hortons erste Karriere vor der Systemgastronomie war übrigens im Eishockeysport. Zwischen 1951 und 1974 lief er u. a. für die New York Rangers und vor allem die Toronto Maple Leafs über 1.500 Mal in der National Hockey League (NHL) auf.