- 03.05.2025
- Polonia Warszawa – Stal Stalowa Wola 2:3
- I Liga (II)
- Stadion Polonii im. generała Kazimierza Sosnkowskiego (Att: 2.906)
Am Samstag wollte ich eigentlich nicht zwingend in Warszawa (Warschau) bleiben und hätte ich gerne einen Tagesausflug unternommen. Aber der heutige Besuch von halbwegs interessanten Fußballspielen in Bełchatów (GKS vs. Stomil Olsztyn) oder Mielec (Stal vs. Raków Częstochowa) scheiterte an der mangelhaften ÖPNV-Anbindung der Spielorte. Doch mir boten sich mit Polonia Warszawa gegen Stal Stalowa Wola (17:30 Uhr) und Znicz Pruszków gegen GKS Tychy (19:30 Uhr) immerhin zwei Zweitligaspiele in der Hauptstadt, respektive in ihrem Speckgürtel.

Unabhängig davon welches der beiden Spiele es am Ende werden würde, benötigte ich nun ein touristisches Tagesprogramm in Warszawa und entschied mich nach dem obligatorischen Frühstück im Ibis Styles Warszawa City (***) zunächst einmal für einen Streifzug durch den Ogród Saski (Sächsischen Garten). Jene 157.600 m² große barocke Parkanlage wurde zwischen 1713 und 1733 auf Veranlassung des damals Sachsen und Polen in Personalunion regierenden Königs August II. (August der Starke) angelegt.

Beim Flanieren im Ogród Saski traf ich dann auch die endgültige Entscheidung in Sachen Ballsport. Ich war zwar schon zweimal bei Polonia und noch nie bei Znicz gewesen, doch bei Polonia würde wahrscheinlich mehr auf den Rängen los sein und ihr Stadion liegt so schön zentral in der Hauptstadt. Ergo ließ sich ein dortiger Spielbesuch perfekt mit meinen touristischen Tagesordnungspunkten in der Altstadt kombinieren.

Nachdem ich mir noch kurzfristig eine Akkreditierung bei Polonia klärte, ging es mit jenen Tagesordnungspunkten weiter. Es folgte die nördliche Hälfte des insgesamt vier Kilometer langen Trakt Królewski (Warschauer Königsweg), der mehrere Schlösser der Stadt verbindet und einen an zahlreichen weiteren Sehenswürdigkeiten vorbeiführt (Vgl. Warszawa 08/2018). Auf dieser repräsentativen Nord-Süd-Achse war heute mächtig was los. Schließlich herrschte nicht nur frühsommerliches Wetter, sondern es war auch Feiertag. Am 3. Mai feiert Polen nämlich jedes Jahr die Verfassung vom 3. Mai 1791. Doch dazu später mehr.

Der Trakt Królewski findet sein nördliches Ende am Zamek Królewski (Königsschloss) und für dieses bedeutende Bauwerk hatte ich mir heute um 14:30 Uhr ein 60 Złoty (ca. 14 €) teures Time Slot zur Besichtigung gebucht. Doch weil ich fast eine Stunde zu früh am Schloss ankam, war noch Zeit für einen süßen Imbiss in einem am Königsweg gelegenen Café des polnischen Chocolatiers E. Wedel. Dort gönnte ich mir ein Stück Käsekuchen mit Karamellsauce und einen Schokobananenshake für zusammen 55 Złoty (ca. 12,90 €).

Anschließend ging es pünktlich zum nahen Schloss (siehe auch Titelbild), wo ich nach der Ticketkontrolle mit einem Audioguide in deutscher Sprache ausgestattet wurde und dann auf eigene Faust durch die repräsentativsten Räume dieser einstigen königlichen Residenz spazieren konnte. Dabei erhielten meine Ohren nun natürlich viele Informationen über die Architektur und die Geschichte dieses Bauwerks.

Ich erfuhr sogleich, dass die Schlossgeschichte eng mit der Stadtgründung Warszawas verbunden ist, die in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhundert erfolgte (die älteste noch erhaltene urkundliche Erwähnung datiert aus dem Jahr 1281). Damals errichtete Bolesław II., seines Zeichen Herzog von Masowien, eine erste hölzerne Festung an der Stelle des heutigen Schlosses. Diese wich im 14. Jahrhundert einer Burg aus Backsteinen, die zur Hauptresidenz der Herzöge von Masowien avancierte.

Innerhalb der 1569 mit der Union von Lublin gegründeten polnisch-litauischen Adelsrepublik (Erste Polnische Republik) stieg Warszawa schließlich zum wichtigsten Machtzentrum des gesamten Landes auf. Fortan tagten hier Sejm und Senat und 1596 wurde Kraków endgültig als Hauptstadt abgelöst. Sigismund III. Wasa ließ nun zwischen 1598 und 1619 ein neues fünfflügeliges Schloss von italienischen Architekten im Stile des frühen Barock errichten.

Im Jahr der Vollendung dieses herrschaftlichen Neubaus war Polen-Litauen eine europäische Großmacht, deren Terroritorium sich zwischen Ostsee und Schwarzen Meer von Pärnu (Pernau) im heutigen Estland bis zur Sitsch der Saporoger Kosaken in der heutigen Südukraine erstreckte und im Osten bis kurz vor die Tore der heutigen russischen Hauptstadt Moskwa (Moskau) reichte. Der Thron der polnisch-litauischen Wahlmonarchie war dementsprechend in Adelskreisen heiß begehrt.

Könige wie Johann II. Kasimir aus dem Hause Wasa und der nicht nur für den Ogród Saski verantwortliche Wettiner August II. veranlassten dann im 17. und 18. Jahrhundert noch weitere Umbauten und Erweiterungen im Stile des Barock und des Rokoko am Königsschloss. Doch im späten 18. Jahrhundert war die polnisch-litauische Adelsrepublik innenpolitisch schwach und außenpolitisch stark bedroht. Es kam zwischen 1772 und 1795 zu drei polnischen Teilungen, wovon die dritte gar nichts mehr von Polen-Litauen übrig ließ.

Sämtliches Territorium war nun entweder preußisch, russsich oder habsburgisch geworden. Warszawa gehörte zunächst zu dem Teil, den sich Preußen einverleibt hatte. Doch die Napoleonischen Kriege mischten die Karten nochmal neu und 1815 fiel der Großteil Masowiens mitsamt Warszawa an Russland. Entsprechend diente das Zamek Królewski im frühen 19. Jahrhundert temporär als Residenz des russischen Zaren, wenn er Warszawa besuchte. Ab 1836 residierte dann dauerhaft ein Gouverneur des Zaren im Königsschloss.

Als Polen nach dem Ersten Weltkrieg im Jahre 1918 endlich seine Unabhängigkeit wiedererlangte, verzichtete man auf die Restauration der Monarchie und das Schloss diente fortan als Sitz des Präsidenten der polnischen Republik. Bis 1939 der Zweite Weltkrieg mit dem deutsch-sowjetischen Überfall auf Polen begann und die damals noch verbündeten Diktatoren Hitler und Stalin die vierte polnische Teilung vollzogen. Nach dem Powstanie warszawskie (Warschauer Aufstand) – dessen Museum ich übrigens im Vorjahr besucht habe (siehe Warszawa 05/2024) – zerstörten die deutschen Okkupanten das Schloss dann aus Vergeltung nahezu vollständig.

Zum Glück hatte man vor der Zerstörung einen Großteil der Möbel und Kunstwerke auslagern können und nach Kriegsende rettete man ebenfalls, was noch zu retten war. Von 1971 bis 1984 erfolgte schließlich der weitgehend originalgetreue Wiederaufbau des Zamek Królewski, dessen gelungenes Ergebnis mittlerweile jedes Jahr über zwei Millionen Besucher begeistert.

Ich war auch sehr angetan und könnte sicher noch einige Zeilen über beispielsweise die vielen hier ausgestellten Gemälde von u. a. Bernardo Bellotto (genannt Canaletto) und Jan Matejko oder die Architektur und Ausstattung der einzelnen Räume schreiben. Aber ich lasse diesbezüglich mal nur meine Fotos sprechen. Kurz erwähnen möchte ich aufgrund des heutigen Datums lediglich noch, dass eines des wichtigsten historischen Ereignisse in der Schlossgeschichte die Verabschiedung der polnischen Verfassung vom 3. Mai 1791 ist. Immerhin nach den USA (4. Mai 1789) und noch vor Frankreich (3. September 1791) die zweitälteste moderne Staatsverfassung der Welt.

Drei Jahre hatte der Sejm an dieser Verfassung gearbeitet und war dabei u. a. von den Ideen der Volkssouveränität aus Rousseaus 1762 veröffentlichter Schrift „Du contrat social ou principes du droit politique“ (Vom Gesellschaftsvertrag oder Prinzipien des Staatsrechtes) beeinflusst. Außerdem inspirierte sie Montesquieus staatstheoretische Schrift „De l’esprit des lois“ (Vom Geist der Gesetze) aus dem Jahre 1748 zum Prinzip der Gewaltenteilung. Blöderweise konsolidierte die moderne Verfassung das kriselnde polnisch-litauische Staatswesen nicht, sondern besiegelte indirekt seinen Untergang. Denn die benachbarten Monarchien beobachteten derlei Entwicklungen mit Argwohn und die russische Zarin Katharina II. begann 1792 mit dem Segen der Habsburger und Hohenzollern einen Krieg mit Polen-Litauen an. Konsequenz waren die bereits erwähnten Teilungen von 1793 und 1795 und somit Polens (und Litauens) Verschwinden von der Landkarte.

Nach ziemlich genau zwei Stunden im Zamek Królewski blieb mir anschließend noch eine gute Stunde bis zum Anpfiff bei Polonia. Die geografische Lage des 1.896 m vom Schloss entfernten Stadions erzwang nun regelrecht einen Bummel durch die im Zweiten Weltkrieg ebenfalls nahezu vollständig von den Deutschen zerstörte Stare Miasto (Altstadt). Doch auch davon ist heute nichts mehr zu ahnen. Bereits in den 1950er Jahren machte man es sich zur nationalen Aufgabe die Altstadt der Hauptstadt wieder originalgetreu zu rekonstruieren und nutzte dafür u. a. auch die heute von mir im Schloss bewunderten Veduten des Künstlers Canaletto.

Das Ergebnis ist mehr als gelungen und wurde von der UNESCO im Jahre 1980 sogar mit dem Eintrag der Altstadt ins Welterbe der Menschheit gewürdigt. Begründung der Organisation: „Das historische Zentrum von Warszawa ist ein außergewöhnliches Beispiel einer umfassenden Rekonstruktion einer Altstadt, die absichtlich und vollständig zerstört worden war. Die Basis der materiellen Wiederherstellung war die innere Stärke und Entschlossenheit der polnischen Nation, welche es ermöglichte ein historisches Erbe auf eine einzigartige Weise in der Weltgeschichte wiederherzustellen.“

Um 17:11 Uhr erreichte ich dann das 1928 eröffnete und offiziell nach dem General Kazimierz Sosnkowski benannte Stadion Polonii Warszawa, welches ich heute bereits zum dritten Mal besuchte. Allerdings waren es zuvor zwei Viertligaspiele im Jahr 2022 und mittlerweile ist der 2013 durch einen Lizenzentzug ins Amateurlager abgestürzte Klub Sportowy Polonia wieder in der 2. Liga zurück. Der 1911 gegründete Traditionsverein könnte gar noch diesen Sommer die Rückkehr in die Ekstraklasa feiern, da man als gegenwärtig Sechster noch eine Restchance auf den Aufstieg hat. Schließlich spielen die Plätze 3 bis 6 nach dem Ablauf der regulären Saison noch einen dritten Aufsteiger aus, wohingegen die beiden erstplatzierten Teams direkt hoch gehen.

Vier Spieltage ziehen übrigens Arka Gdynia (65 Punkte) und Bruk-Bet Termalica Nieciecza (62) einsam ihre Kreise an der Spitze, während Polonia (52) sich in einer Aufstiegsrunde wohl mit Wisła Płock (54), Miedź Legnica (53) und Wisła Kraków (53) um das dritte Ticket in die Ekstraklasa streiten muss. Allerdings sind diesem Quartett noch ein paar Verfolger auf den Fersen, so dass weiterhin jeder Sieg zählt und einer davon sicher heute eingeplant war.

Denn ZKS Stal aus dem 280 km entfernten Stalowa Wola war heute als Tabellenletzter in die Hauptstadt gereist und schien sich zunächst auch seinen Schicksal als designierter Punktelieferant zu fügen. Nach zehn Minuten führte ein dummes Foul zu einem Strafstoß, den Łukasz Zjawiński für die Czarne Koszule (Schwarzhemden) sicher zum 1:0 verwandelte. Doch dem von ca. 96 % der insgesamt 2.906 zahlenden Zuschauer unterstützten Aufstiegsaspiranten sollte die Feiertagsstimmung noch gehörig vermiest werden. Erst Patryk Zaucha (24.) und dann Damian Oko (26.) drehten das Spiel zur Freude der wenigen mitgereisten Fans. Obendrein erhöhte Kuchta Ibe-Torti (45.) noch vor dem Pausenpfiff auf 1:3.

Der Tag drohte für Polonia also ähnlich schwarz wie ihre Dressen zu werden. Doch immerhin 45 Minuten blieben dem zweifachen polnischen Meister (1946 & 2000) noch und die erforderliche Angriffswelle rollte sogleich nach Wiederanpfiff los. Zählbares schien sie in der 57. Minute einzubringen, als Krzysztof Koton vermeintlich auf 2:3 verkürzen konnte. Doch der VAR hatte etwas dagegen und Polonia ließ anschließend die nötige Effizienz vermissen. Erst ein zweiter Strafstoß in der Nachspielzeit, wieder erfolgreich von Zjawiński getreten, sorgte nochmal für eine zu späte Veränderung auf der Anzeigetafel.

Für ZKS Stal tatsächlich erst der vierte Saisonsieg. Immerhin elf Punkteteilungen sorgen jedoch dafür, dass sie nun 23 Punkte auf dem Konto haben und zumindest vorläufig auf den vorletzten Tabellenplatz klettern. Wenn die Konkurrenz an diesem Spieltag nicht punktet, würde der Abstand zum rettenden Ufer plötzlich nur noch zwei Punkte betragen. Polonia verbleibt derweil trotz Niederlage auf dem 6. Platz. Allerdings könnte Verfolger GKS Tychy noch heute Abend auf nur einen Punkt Abstand an Polonia herankommen. Vorausgesetzt die Tyszanie gewinnen bei Znicz Pruszków.

Jetzt irgendwie doch schade, dass in Pruszków bereits 19:30 Uhr angepfiffen wurde und die beiden Spiele sich nicht doppeln ließen. Andererseits mein Magen wahrscheinlich trotzdem gegen den Doppler votiert. Zu groß war mittlerweile wieder der Hunger und zu schön, dass vom Stadion Polonii ein Bus direkt vor das Restaurant Czerwony Wieprz (zu deutsch: Rotes Schwein) fuhr. Das ist zwar sehr auf Touristen ausgerichtet, aber man isst dort trotzdem ganz gut. Jedenfalls war ich wie im Vorjahr nicht nur mit dem Designkonzept aus kommunistischem Kitsch mit satirischem Unterton, sondern auch mit der Leistung der Küche zufrieden.

Auf der in die Kategorien Proletariat und Bourgeoisie eingeteilten Speisekarte entschied ich diesmal für die Sztandarowy żur vorweg und für Zrazy wołowe à la Marszałek Tito als Hauptgang. Serviert wurden mir nun zunächst eine polnische Sauersuppe mit Pilzen, Ei und Wurst- und Speckeinlage, zu der außerdem noch ein Brotkorb und Schmalz gereicht wurden. Hinter dem Hauptgericht verbargen sich wiederum mit Pilzen, Speck und Senf gefüllte, sowie mit Wacholder und Bisongras marinierte Rinderrouladen. Diese wurde mit einer cremigen Waldpilzsauce serviert und dazu hatte ich aus der Speisekarte noch Minikartoffelklöße als Beilage gewählt.

Der Begleittext in der Speisekarte behauptet übrigens, dass das Rezept von Jugoslawiens früherem Staatschef Tito überliefert sei. Auf Staatsbesuchen in Polen soll er die Rinderrouladen nach Jagden im polnischen Nationalpark Białowieża in einer Jagdhütte genau so zubereitet haben. Keine Ahnung, ob es stimmt. Aber fast die perfekte Überleitung zu meinem Reiseziel am nächsten Tag. Denn nachdem für mein Essen und einen großen Krug Piwo rzezane* in Summe 150,40 Złoty (ca. 35 €) entrichtet waren und anschließend eine letzte Nacht in Warszawa geschlafen wurde, sollte es weiter nach Białystok (Bjelostock) gehen. Ihres Zeichen die Hauptstadt der Województwo podlaskie (Woiwodschaft Podlachien), in der sich auch der Nationalpark Białowieża befindet.
*Helles und dunkles Kozel im Verhältnis 50/50 gemischt.