London 12/2024 (I)

  • 26.12.2024
  • AFC Wimbledon – Swindon Town FC 1:1
  • League Two (II)
  • Plough Lane (Att: 8.304)

Weil es mir 2023 zum Jahresende so gut in London gefallen hat, habe ich in der Urlaubsplanung für 2024 einfach mal auf Repeat gedrückt. Dieses Jahr haben sich außerdem Johnny Power und seine Freundin Verlobte Daria mit in meine Planungen eingeklinkt und auch ohne groß vorher rumzufragen war eigentlich klar, dass noch weitere bekannte Gesichter ähnliche Pläne haben könnten. Reisezeitraum wurde wieder der 26. bis 31. Dezember und diesmal konnte ich für günstige Flüge ab Hannover frühzeitig genug buchen (HAJ – LHR return mit British Airways für 150 €).

Kleine Aufmerksamkeit von BA

Weil ich selbstverständlich schon am 26. Dezember in London zum Fußball musste, ging es für mich morgens um 10:10 Uhr jedoch zunächst ohne Daria und Johnny los. Dafür war wiederum mein Kumpel Jojo nebst Gattin und Sohnemann in der Maschine. Witzigerweise hatten wir trotz unabhängig voneinander durchgeführtem Check-in sogar drei Plätze nebeneinander. So war der Flug ruckzuck mit Simone und Jojo verlabert, während ihr 20 Monate alter Nachwuchs nochmal brav die Äuglein schloss.

Fortbewegungsmittel Nr. 1 in London

Wir landeten um 10:50 Uhr Ortszeit in Heathrow und ich machte mich nach der Passkontrolle per ÖPNV für £ 2.10 (ca. 2,50 €) auf nach Wimbledon. Dort hatte ich Johnny, Daria und mich für fünf Nächte im Premier Inn London Wimbledon (***) einquartiert. Kostete für meine Wenigkeit mit Frühstück £ 333 (400 €), während für’s Doppelzimmer nur unwesentlich mehr fällig wurde.

Englische Reihenhausromantik

Ich wurde im Hotel gegen 12:30 Uhr schon mal mein Gepäck los und anschließend musste ein Mittagessen her. Es ging in den benachbarten Pub The Wibbas Down Inn. In jenem Wetherspoon’s hatte man mir letztes Weihnachten zwar den erbärmlichsten Festtagsbraten in der Geschichte der Menschheit serviert (siehe London 12/2023), aber heute war Curry Club. Da kann es eigentlich keine bösen Überraschungen geben.

Chicken Jalfrezi

Ich bestellte Chicken Jalfrezi mit diversen Beilagen und 0,66 l Birra Moretti für zusammen £ 11.78 (ca. 14,25 €). War die gewohnte Kost, so wie es sich für Systemgastronomie gehört. Allerdings scheinen die Portionen kleiner geworden zu sein. Der Kadai ist nur noch zu zwei Drittel mit Curry befüllt und es mangelt somit mittlerweile an Sauce für die Sättigungsbeilagen. Ebenso sind die Onion Bhajis geschrumpft. Tja, um den aktuell schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu begegnen, muss man entweder die Preise erhöhen oder für’s gleiche Geld weniger bieten. Besagte Pubkette hat sich für letzteres entschieden.

Diese Holzstatue vor’m Stadion erinnert an Wimbledons Pokalsieg 1988

Gegen 14 Uhr brach ich dann zur 2,3 km vom Pub entfernten Plough Lane auf. In jener Straße wird seit November 2020 in einem 9.215 Zuschauer fassenden Neubau wieder Fußball gespielt. Davor hatte der 1889 gegründete Wimbledon FC bereits ab 1912 seine Heimat in der Plough Lane (200 m Luftlinie vom heutigen Stadionstandort). Allerdings genügte die alte Plough Lane 1991 nicht mehr den Ansprüchen der First Division, so dass der Wimbledon FC zum Exil im rund 10 km entfernten Selhurst Park gezwungen wurde (Groundsharing mit Crystal Palace).

Anstoß an der Plough Lane

Bis dahin hatte man große Erfolge an der Plough Lane gefeiert. Manager Allen Batsford führte den Club 1977 mit dem Aufstieg in die Fourth Division erstmals in den Profibereich, ehe unter Dave Bassett ab 1981 eine goldene Ära begann. Binnen fünf Jahren ging es von der vierten in die erste Liga. Die so genannte Crazy Gang rund um den kompromisslosen Verteidiger Vinnie Jones erarbeitete sich in der damaligen First Division (seit 1992 Premier League) sofort einen gefürchteten Ruf und gewann 1988 außerdem sensationell den FA Cup (1:0 im Endspiel gegen den großen Liverpool FC).

Maskottchen Haydon the Womble mit Weihnachtsmütze

Trotz ungeliebter Ausweichstätte hielten sich die Dons in den 1990er Jahren weiter in der Premier League. Als man 2000 aus dieser abstieg, war das Stadion in Wimbledon jedoch bereits verkauft und abgerissen (heute ein Retail Park) und der Club gehörte mittlerweile einem norwegischen Konsortium. Die fanden, dass London auch einen Fußballclub weniger vertragen könnte und forcierten zusammen mit einem englischen Geschäftsmann namens Pete Winkelman einen Umzug ins 96 km entfernte Milton Keynes.

Wie es sich für einen Womble gehört, wirbt Haydon für Recycling

Jene erst in den 1960er Jahren am Reißbrett entworfene Trabantenstadt hatte seinerzeit zwar über 200.000 Einwohner, aber kein professionelles Fußballteam. Entsprechend erhoffte man sich dort großes Fanpotential und war bereit seine Wurzeln und die bisherige Anhängerschaft aufzugeben. Denn die Fans des Wimbledon FC fanden diese Verpflanzung ihres Teams natürlich völlig inakzeptabel und gründeten 2002 als Reaktion den AFC Wimbledon. Ihr alter Verein benannte sich derweil in MK Dons um und änderte auch Wappen und Farben. So konnte der AFC diese Identitätsmerkmale wenigstens übernehmen, hatte nur leider weiterhin keine Spielstätte in Wimbledon.

Die Gästefans freuen sich über die Führung

Aber auch im neuen Exil – nun im benachbarten Kingston – war der Zuschauerzuspruch gut und sportlich lief es für den demokratisch organisierten AFC* ebenfalls von Anfang an rund. Bereits 2013 kehrten die Wombles** in den Profifußball zurück und zwischenzeitlich (Saison 2018/19) hatte man die entfernte Verwandtschaft aus Milton Keynes sogar schon sportlich um eine Liga überflügelt (aktuell sind beide Dons jedoch wieder auf Augenhöhe in der viertklassigen Football League Two unterwegs). Jene extraordinäre Geschichte des Clubs fassten die Fans mir übrigens auch gesanglich kurz zusammen: „Two times out of non-league, we’re never gonna stop. From the franchise to the FA, we beat the fucking lot. From Batsford to Dave Bassett, at Plough Lane we belong. We’re loyal supporters and we come from Wimbledon! Allez, allez, allez…“

Die Haupttribüne der Plough Lane überragt den Rest des Stadions

Insgesamt war es heimseitig jedoch kein Stimmungskracher. Ein paar Gesänge, ein paar Anfeuerungsrufe, aber landestypisch auch viel Leerlauf. Gut, dass immerhin die 640 Gästefans die meiste Zeit gut aufgelegt waren. Denn der das Weihnachtsfest mit Abstiegssorgen verbringende Swindon Town Football Club (nur Platz 21) ging in der 10. Minute überraschend durch ein Tor von Harry Smith in Führung. Danach war der favorisierte AFC (gegenwärtig Sechster) zwar um eine schnelle Antwort bemüht, scheiterte jedoch mehrfach in aussichtsreicher Position. Was die mitgereisten Swindonians jedes Mal zu provokanter Häme hinriss.

Sausage Roll (£ 4)

Der ebenfalls ehemalige Erstligist – 1993/94 spielte der Swindon Town eine Saison in der Premier League – brachte die Führung somit mit viel Applaus vom eigenen Lager in die Pause, in der ich gerne mal das Catering prüfte. Diverse Food Trucks offerierten u. a. Pizza, Pita, Pommes und Burger. Da Wetherspoon’s leider Lücken in meinem Magen gelassen hatte, gönnte ich mir in der großen Auswahl eine Sausage Roll vom Mypie Truck für £ 4 (ca. 4,80 €).

Freude über den Ausgleichstreffer

Mit dem Snack auf der Faust nahm ich pünktlich zu Beginn der 2. Halbzeit wieder meinen £ 26 (ca. 32 €) teuren Platz in der ersten Reihe in der Gegengerade ein. Gut zehn Minuten nach Wiederanpfiff kam der Gastgeber schließlich zum Ausgleich. James Tilley hatte das Publikum in der 56. Minute aus der bisherigen Lethargie gerissen und anschließend blieb noch genug Zeit das Spiel zu drehen. Doch der STFC verteidigte weiterhin gut und erst in Nachspielzeit zappelte der Ball nochmal in ihrem Netz. Allerdings hatte Schiedsrichterin Abigail Byrne ein Stürmerfoul bei der Entstehung gesehen und pfiff den vermeintlichen Siegtreffer der Dons ab. Ergo blieb es bei einer nur für die Gäste zufriedenstellenden Punkteteilung.

Der Gastgeber versuchte natürlich noch das Spiel zu drehen

Nach Spielende spazierte ich flott zum 2,3 km entfernten Hotel zurück, in jenem Johnny und Daria kurz zuvor eingetroffen waren. Nach dem Check-in zog es uns als erstes nebenan ins The Wibbas Down Inn, wo mit Burgern, Beilagen und ersten gemeinsamen Bieren das Thema Abendessen abgehakt wurde. Jedoch kann ich auch hier konstatieren, dass Patties deutlich geschrumpft sind. Mittlerweile wiegt ein Rindfleischrundstück bei Wetherspoon’s nur noch mickrige 3 oz (ca. 85 gramm). Das ist einfach mal halbiert gegenüber früher.

Mein inklusive Drink nach Wahl £ 9.83 (ca. 11,90 €) teurer Double Burger mit Brie

Aber wenigstens ein Pint ist selbst bei Wetherspoon’s immer noch ein Pint. Und da im The Wibbas Down Inn etliche Biere und Cider als Pint für unter £ 3 angeboten wurden, war’s zunächst ein günstiger Start in den Abend. Allerdings wollten wir hier dennoch keine Wurzeln schlagen und zogen gegen 20 Uhr weiter ins Wimbledon Village. Im historischen Kern des einstiges Dorfes und heutigen Stadtteils einer Millionenmetropole ging es ins sehr gut besuchte The Rose & Crown, wo drei Pints Copper Red Ale der ortsansässigen Wimbledon Brewery gleich mal mit zusammen £ 20.70 (ca. 25 €) zu Buche schlugen.

Copper Red Ale der Wimbledon Brewery

Aber an dieses Preisniveau mussten wir uns jetzt gewöhnen. Denn abseits der Kampfpreise bei Wetherspoon’s waren auf diesem Trip sowohl in Wimbledon, als auch in den zentralen Bezirken Londons immer zwischen sechs und acht Pfund Sterling für’s Pint fällig. Für Pub Food wie Burger oder Fish & Chips wird wiederum vielerorts an die £ 20 verlangt. Da diese von der derzeitigen Polykrise erzwungenen Preissteigerungen nicht überall vom Stammpublikum mitgegangen werden können, sinkt die Zahl der Pubs in Großbritannien mittlerweile rasant.

Lokales Lagerbier

Im wohlhabenden Wimbledon schien das Pubsterben jedoch noch nicht akut zu sein. So hatten wir die Qual die Wahl für die nächste Getränkerunde und entschieden uns für The Hand & Racquet. Wie schon im The Rose & Crown und wahrscheinlich in jedem Pub in diesem Viertel, griff man dort dekorativ an vielen Stellen das älteste und prestigeträchtigste Tennisturnier der Welt auf, welches seit 1877 jeden Sommer in Wimbledon ausgetragen wird. Ich habe mich übrigens just erfolglos um Tickets für die Wimbledon Championships 2025 bemüht. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

Der Prince of Wales

Im The Hand & Racquet blieben wir lokalpatriotisch und gönnten uns drei Lager der Wimbledon Brewery à £ 6.70 (ca. 8 €). Anschließend zogen wir in den Prince of Wales weiter und nach einer letzten Runde im vierten Pub des Abends (Madri à £ 5.90) steuerten wir gegen 23:30 Uhr die Heier an. War ein netter Auftaktabend, der den positiven ersten Eindruck von unserem gewählten Stadtteil nochmal verstärkte. Ich glaube wir werden uns hier die nächsten Tage sehr wohl fühlen.

Song of the Tour: New Wave aus Wimbledon

*Der AFC Wimbledon befindet sich zu 90 % im Eigentum der Wimbledon Football Club Supporters Society Ltd., die gemeinhin als The Dons Trust bekannt ist. Der Vereinigung kann jeder Fan beitreten und sie wird ähnlich wie deutsche Fußballvereine nach dem Prinzip one-member, one-vote geführt.

**Die Wombles sind von der Kinderbuchautorin Elisabeth Beresford erdachte Fantasiewesen, die in Wimbledon in Höhlen leben und den Müll der Menschen recyclen. Als die Wombles in den 1970er Jahren als Buch- und TV-Reihe sehr erfolgreich wurden, wurde der Begriff auch zum Nickname der Fans des Wimbledon FC.