- 29.04.2024
- Odra Opole – Motor Lublin 0:2
- I Liga (II)
- Stadion Miejski w Opolu (Att: 2.865)
Nach zwei Tagen in Wrocław (Breslau) und Wałbrzych (Waldenburg) zum Auftakt, sollte mich meine kleine Tour de Pologne als nächstes nach Opole (Oppeln) führen. Ich war am Sonntagabend erst spät angereist und am Montagmorgen musste natürlich als erstes gefrühstückt werden. Das im Übernachtungspreis von 50 € inkludierte Buffet im Mercure (***) war gut und offerierte mir u. a. Kiełbasa opolska (geräucherte Wurstspezialität der Region), Letscho und Rührei.

Nach der ersten Mahlzeit des Tages sollte dann meine Neugier auf die mir bisher unbekannte Hauptstadt der gleichnamigen Woiwodschaft befriedigt werden. Denn ich bin bereits x-mal mit dem Zug durch Opole gefahren und habe mir jedes Mal gedacht, dass es hier anscheinend ganz nett ist. Jetzt hat es endlich mal geklappt, dass Opole (ca. 120.000 Einwohner) ideal in mein Routing passte und der örtliche Fußballverein obendrein eine halbwegs attraktive Ansetzung hatte.

Vom Hotel spazierte ich zunächst einmal zur nahen Odra (Oder) und deren städtischem Nebenarm Młynówka (Mühlengraben). Letzterer gilt nicht nur als Opolskiej Wenecji (Oppelner Venedig), sondern wird auch von einer der angeblich schönsten Brücken Polens überspannt. Die Most Groszowy (Pfennigbrücke) wurde 1894 eröffnet und ihr Überschreiten kostete ursprünglich einen Pfennig Wegzoll. Daher also der Name.

Am anderen Ende der mittlerweile gebührenfreien Brücke erwartete mich mit dem Wieża Piastowska (Piastenturm) wiederum eines der ältesten Bauwerke auf polnischem Boden. Der bis zu seiner Spitze 51 m messende Turm wurde im späten 13. Jahrhundert erbaut und ist heute das letzte Überbleibsel des mittelalterlichen Piastenschlosses. Der Rest des Schlosses wurde zwischen 1928 und 1931 abgerissen, um Platz für ein modernes Regierungsgebäude zu machen (heute Sitz der Woiwodschaftsverwaltung).

Nichtsdestotrotz führte mich dieser nun etwas deplatziert wirkende mittelalterliche Turm zu den Wurzeln der Stadt. Denn Oppelns erster Herzog Kasimir I. – aus dem Geschlecht der schlesischen Piasten – errichtete an dieser Stelle im frühen 13. Jahrhundert seine Residenz. Zwar existierte hier bereits seit einigen hundert Jahren eine befestigte Siedlung des slawischen Stammes der Opolanen, aber eine mittelalterliche Stadt mit entsprechenden Rechten und Institutionen gründete erst Kasimir. Er beurkundete 1217 das Stadtrecht und warb in den 1210er Jahren parallel die ersten deutschen Siedler für seine Neugründung an.

Pfarrkirche der zunächst kleinen Gemeinde wurde die 1223 erstmals urkundlich erwähnte Kreuzkirche, die bereits im 13. Jahrhundert zu einem Kollegiatstift ausgebaut wurde und seit 1972 als Bazylika Katedralna Podwyższenia Krzyża Świętego (Kathedrale zum Heiligen Kreuz) dem Bischof des seinerzeit neu errichteten Bistums Opole als Kathedralkirche dient. Jene dreischiffige gotische Hallenkirche bot sich mir auch als nächstes Ziel an. Allerdings musste ich feststellen, dass zur Zeit der komplette Innenraum saniert wird und daher nicht zugänglich ist.

So zog es mich rasch weiter zum Rynek (Ring). An Opoles historischem Marktplatz kreuzten sich mit der Via Regia (Calais nach Kiew) und der Bernsteinstraße (Ostseeküste nach Venedig) zwei wichtige mittelalterliche Handelswege. Zusammen mit der schiffbaren Oder, ergaben sich somit glänzende Bedingungen für die hiesigen Kaufleute. Wahrscheinlich existierten bereits im Mittelalter prächtige Patrizierhäuser an diesem 92 x 78 m großen Platz. Da die mittelalterliche Bebauung jedoch vorwiegend aus Holz bestand, hat davon nichts die Jahrhunderte überdauert. Denn Brände und Kriege nennt die hiesige Chronik leider zuhauf.

Heute säumen den Platz wunderschöne barocke und klassizistische Bürgerhäuser aus dem 17. und 18. Jahrhundert (siehe auch Titelbild). Davon wurden zwar viele im Zweiten Weltkrieg (1939 – 1945) zerstört, aber bereits zwischen 1952 bis 1955 wurden fast alle Häuser wieder originalgetreu rekonstruiert. 1945 war demgemäß auch das Jahr, im den Oppeln polnisch wurde und seitdem offiziell Opole heißt. Wie allerorten in Polens neuen Westprovinzen, wurde ab 1945 natürlich auch in Opole die deutschsprachige Bevölkerung vertrieben. Neubürger wurden hingegen vertriebene Polen aus den bisherigen polnischen Ostprovinzen, welche sich die Sowjetunion als Kriegsbeute annektiert hatte (so genannte polnische Westverschiebung).

Die bereits vor dem Krieg in Opole lebende polnische Minderheit durfte aber selbstredend bleiben. Obendrein konnte man in dieser Region die alteingesessenen Schlesier („Autochthone“) nur schwierig in polnisch oder deutsch kategorisieren. Sofern aus der jüngeren Biografie nichts dagegen sprach, wurden nun auch viele deutschsprachige Schlesier von den Behörden als Polen anerkannt. Diese Gruppe stand aber fortan unter hohem Assimilierungsdruck. Die deutsche Sprache verschwand völlig aus dem Alltag und ein öffentliches deutsches Kulturleben war undenkbar. Erst nach der politischen Wende von 1989 bekam die deutsche Minderheit in Polen endlich Minderheitenrechte zugesprochen.

Trotz Vertreibung in der Nachkriegszeit, der Möglichkeit in den 1950er Jahren im Rahmen von Familienzusammenführungen in die BRD überzusiedeln und einer zweiten großen Ausreisewelle der deutschen Minderheit in den 1980er Jahren, leben in der Woiwodschaft Opole heute noch ca. 100.000 Deutsche. Sie machen damit ziemlich genau 10 % der Gesamtbevölkerung aus. Einzelne Gemeinden, wo die Deutschsprachigen über 20 % der Bevölkerung stellen, sind heute sogar wieder offiziell zweisprachig.

Doch springen wir historisch nochmal ein Stück zurück. 1532 erlosch mit dem Tod von Herzog Johann II. die Oppelner Linie der schlesischen Piasten. Sein Herzogtum fiel nun an die Habsburger und die mussten es nach dem verlorenen Ersten Schlesischen Krieg (1740 – 1742) an das Königreich Preußen abtreten. In der bis dahin gemischtsprachigen Stadt, vollzog sich anschließend eine schleichende Germanisierung. Deutsch wurde Amtssprache und in den Schulen wurde ausschließlich in deutscher Sprache unterrichtet, so dass die bis dahin mutmaßlich mehrheitlich polnischsprachige autochthone Bevölkerung immer mehr zum Deutschen als Umgangssprache griff.

1816 erhoben die Preußen Oppeln zur Hauptstadt ihres oberschlesischen Regierungsbezirks und bauten ein großes, neues Rathaus auf dem Marktplatz. Seitdem ist Oppeln eine Beamten- und Verwaltungsstadt, was die Polen mit der Ernennung zur Woiwodschaftshauptstadt nach 1945 weiter aufrechterhielten. Obwohl Opole in Sachen Fläche und Bevölkerung gleichermaßen die kleinste Woiwodschaft des Landes ist und eine Auflösung schon mehrfach diskutiert wurde.

Ebenfalls noch zu Preußens Zeiten kam die Industrialisierung nach Oppeln. Nachdem die Stadt Eisenbahnanschlüsse nach Breslau (1843) und ins oberschlesische Industrierevier (1846) bekommen hatte, siedelte sich am Rand des historischen Stadtkerns Industrie an. Begünstigt durch die hiesigen Muschelkalkvorkommen, entwickelte sich hier das Zentrum der schlesischen Zementindustrie. Der steigende Bedarf an Arbeitskräften der zeitweilig zwölf Zementfabriken, sorgte wiederum für rasches Bevölkerungswachstum. Dabei waren viele der Neubürger wieder polnische Muttersprachler. Im Jahr 1900 hatte sich die Einwohnerzahl schließlich gegenüber 1800 von ca. 3.000 auf 30.112 verzehnfacht (davon ca. 75 % deutsche Muttersprachler).

Als es nach dem Ersten Weltkrieg (1914 – 1918) in Oberschlesien 1921 zu Volksabstimmungen über die zukünftige staatliche Zugehörigkeit kam, war damit eigentlich vorab klar, für welche Option in Oppeln gestimmt werden würde. Am Ende votierte hier mit knapp 95 % sogar eine unerwartet überwältigende Mehrheit der Wählenden für einen Verbleib im Deutschen Reich. Während nach jenem Plebiszit bereits 1922 Teile des östlichen Oberschlesiens polnisch wurden, sollte Oppeln nebst Umland deshalb noch bis 1945 deutsch bleiben. Aber an dem Punkt waren wir ja bereits…

Mittags wollte ich diese wechselhafte Stadtgeschichte eigentlich noch im Muzeum Śląska Opolskiego (Museum des Oppelner Schlesiens) vertiefen und insbesondere nochmal ein Auge auf die Stadtgeschichte seit 1945 werfen. Allerdings ist dort montags Ruhetag. Meine Alternative war nun das Muzeum Wsi Opolskiej (Museum des Oppelner Dorfes) im gut 5 km vom Zentrum entfernten Stadtteil Bierkowice (Birkowitz). Per Bus ging es um 12:30 Uhr binnen 25 Minuten für umgerechnet 1 € vom Hauptbahnhof zu jenem Freilichtmuseum, wo heute sogar der Eintritt frei war (ansonsten 20 Złoty, sprich so ungefähr 4,50 € nach aktuellem Wechselkurs).

Dafür war das Museumsgelände heute nur bis 15 Uhr anstatt 18 Uhr geöffnet. Aber zwei Stunden sollten ausreichen, um sich alle Gebäude auf dem etwa 10 ha großen Areal mal anzuschauen. Es erwarteten mich ungefähr zehn historische Bauernhöfe, die man aus verschiedenen Dörfern der Region in dieses Freilichtmuseum verfrachtet hat. Ferner gibt es u. a. eine Kirche, eine Dorfschule, eine Schmiede, eine Wassermühle, eine Windmühle, eine Gastwirtschaft und einen Tante-Emma-Laden zu bestaunen. Alles Gebäude in der traditionellen Holzbauweise der Region, alle aus dem 17., 18. oder 19. Jahrhundert.

In fast allen Gebäuden, die nebenbei natürlich authentisch eingerichtet sind, stehen dem Besucher auskunftsfreudige Museumsmitarbeiter zur Verfügung. Zwar beherrschen nicht alle Englisch (oder Deutsch), aber im solchen Fällen führten mich die QR-Codes an den Gebäuden zu interessanten (mehrsprachigen) Informationen. Sehr gut Englisch konnte außerdem eine junge Dame, die neugierigen Besuchern ihren Trachten- und Traditionsverein in einer Sonderausstellung vorstellen durfte. Die Vereinsmitglieder pflegen u. a. die Tradition des Ostereier Bemalens und verzieren ebenfalls so fleißig allerlei Keramiken. Entsprechende Zeugnisse dieses Schaffens waren hier nun ausgestellt.

Kurz nach 15 Uhr fuhr ich dann wieder zurück in die Stadt und bemerkte das Knurren meines Magens. Ich beschloss also nachmittags endlich die nächste Mahlzeit zu konsumieren und suchte dafür das Bistro Manekin auf. Eine polnische Kette, die sich Pfannkuchen in allen möglichen Variationen auf die Fahnen geschrieben hat und mir ihre Lasagne servieren durfte. Diese folgt zwar grundsätzlich der klassischen Rezeptur, allerdings ersetzen dünne Pfannkuchenschichten die sonst obligatorischen Nudelplatten. Zusammen mit einer hausgemachten Limonade und gut 10 % Trinkgeld wurde ich übrigens nur 40 Złoty (ca. 9,50 €) ärmer.

Nach dem Essen machte ich einen gut halbstündigen Spaziergang zum städtischen Stadion. Dort nahm ich meine Akkreditierung entgegen und freute mich schon beim Betreten des Runds über meine Entscheidung für dieses Spiel. Denn so viele Möglichkeiten, um diese 1930 eröffnete Sportstätte zu besuchen, hätten sich für mich wohl nicht mehr ergeben. In Opole steht nämlich ein neues Fußballstadion kurz vor der Fertigstellung und das alte Schmuckstück soll 2025 zugunsten eines neuen Aquaparks abgerissen werden.

Weil die letzten 20 Jahren auch nicht mehr wirklich ins alte Stadion investiert wurde, sind nur noch die Haupttribüne und die daran angrenzenden Eckblöcke für Zuschauer zugelassen (maximal 5.500). Die Gegengerade ist hingegen eine herrlich überwucherte „Naturtribüne“ und war für mich mit Arbeitskarte zum Glück zugänglich. Denn zum einen pochte auf jenen Rängen das Herz eines Stadionromantikers besonders stark und zum anderen waren nur von dort die Fanblöcke vernünftig zu beobachten.

Die Heimseite hatte gut mobilisiert für das heutige Zweitligaspiel, bei dem Odra (aktuell 6.) mittels Sieg einen Platz unter den Top 6 wahren würde. Gewänne allerdings der punktgleiche Gast aus dem knapp 400 km entfernten Lublin (8.), würden die vorerst an MKS Odra vorbeiziehen. Allgemein ging eine enge Spitzengruppe in diesen 30. Spieltag. Zwar hat das weit enteilte Spitzenduo Lechia Gdańsk und Arka Gdynia die beiden direkten Aufstiegsplätze zu 96 % sicher, aber die Tabellenplätze 3 bis 9 sind gegenwärtig nur maximal drei Punkte auseinander. Wer davon nach dem 34. Spieltag die Ränge 3 bis 6 belegt, darf in einer Aufstiegsrunde letztlich noch den dritten Aufsteiger ausspielen.

Neben dem Kampf um einen Platz in den Top 6, sorgte heute außerdem das Beziehungsgeflecht der Fanszenen für weitere Brisanz. Denn die Fanatiker von Motor Lublin pflegen eine innige Freundschaft mit Anhang von Śląsk Wrocław. Auch zwei Tage zuvor, als ich bei Śląsk gegen Ruch zugegen war, waren mal wieder Jungs von Motor im Heimsektor auf Besuch. Ehrensache, dass auch eine Abordnung von Śląsk am heutigen Abend zur Kontaktpflege ins nahe Opole gefahren ist. Problematisch daran ist allerdings, dass Śląsk der Todfeind von Odra ist. Außerdem ist Odra obendrein mit der Fanszene von Zagłębie Lubin befreundet, die wiederum der niederschlesische Erzrivale von Śląsk sind (Vgl. Wrocław 07/2023).

Der Kick wurde dann auch tatsächlich ziemlich stimmungsvoll und gegenseitige Schmähungen der Fanblöcke standen auf der Tagesordnung. Zu feiern hatte an diesem Abend allerdings nur ein Lager etwas. Ein Doppelschlag von Piotr Ceglarz (26.) per Strafstoß und Kamil Wojtkowski (27.) per Distanzschuss, sollte Motor bereits in der 1. Halbzeit auf die Siegerstraße bringen. Aber anders als sie, werter Leser, kannte der Opolski Klub Sportowy das Endergebnis natürlich noch nicht vorab. Dementsprechend gaben Mannschaft und Anhänger das Spiel nach den zwei Schockminuten natürlich längst nicht auf.

Außerdem hatte der Heimanhang noch eine schöne Choreographie in petto. Zu Beginn der 2. Halbzeit tauchte über ihren Köpfen eine Blockfahne auf, die einen Ausschnitt aus einem Stadtplan zum Motiv hatte. Zu sehen waren das Stadion nebst umliegenden Straßen und ein Zeigestock, der auf den mit einem X markierten Fanblock deutete. Dazu war der Schriftzug „Plan taktyczny – Zadymić sektor fanatyczny“ (Taktischer Plan: Ausräuchern des Fansektors) auf der Fahne, bzw. am Zaun zu lesen.

Was folgen sollte, hatte nach dem Lesen der Botschaft nur noch wenig Überraschungspotential. Aber ganz kreativ war, dass die Pyromanen sich unter der Blockfahne nicht nur vermummten, sondern sich auch Camouflage-Kampfanzüge übergezogen hatten. Dieses „Kommando“ hatte nun wie angekündigt die Aufgabe, den Heimsektor auszuräuchern. Das gelang mit einer gigantischen schwarzen Rauchwolke ganz formidabel, aber irgendwie fragte ich mich was genau damit ausgedrückt werden sollte. Wieso will man sich selbst ausräuchern? Welche Metaebene hat sich mir da jetzt nicht erschlossen?

Auch wenn ich Fernzünderei uncool finde, hätte eigentlich nur das für mich Sinn gehabt. Man markiert auf seiner Karte nicht den Heim-, sondern den Gästesektor, kündigt dessen Ausräucherung an und plötzlich steigt eine massive schwarze Rauchwolke in eben jenem Stadionbereich gen Abendhimmel. Na ja, auch wenn ich es nicht verstehe, schöne Bilder waren es trotzdem.

Nachdem das zwangsläufig für einige Minuten unterbrochene Spiel wieder lief, drängten die Niebiesko-Czerwoni (Blau-roten) auf dem Rasen nochmal auf den Anschlusstreffer. Aber die Motorowcy verteidigten gut und hatten die Uhr auf ihrer Seite. Ich hätte mir für die Spannung natürlich wenigstens ein Tor von Odra gewünscht. Aber wenn die Hausherren mal zum Abschluss kamen, war ihr Ex-Spieler Kacper Rosa im Gästetor auf seinem Posten. So schwand die Zeit und irgendwann auch der Glaube an die mögliche Wende. Am Ende hatte sich Motor schadlos gehalten und tauschte dadurch mit Odra die Tabellenplätze.

Nach Abpfiff schaute ich den Gästen noch kurz beim Feiern zu und spazierte anschließend gemütlich zum Hotel. Es ging mal früh ins Bett, so dass ich mich am Dienstagmorgen sehr ausgeschlafen und auch ein bisschen ausgehungert über das Frühstücksbuffet hermachen konnte. Heute hatten die Würste und das Rührei anstatt Letscho übrigens eine Pilzpfanne als Nachbarn und außerdem lächelten mich die kleinen, süßen Crêpes in der Warmtheke an. Dazu noch zwei kleine Sesambrötchen mit pikanten Aufstrichen und ich war bereit für die Aufgaben des neuen Tages.

Mir stand der einzige fußballfreie Tag der Reise bevor und für diesen hatte ich mir spontan eine Exkursion ins nahe Brzeg (Brieg) überlegt. Ich löste deshalb kurzfristig ein 10,50 Złoty (ca. 2,50 €) teures Ticket für den InterCity um 10:21 Uhr, der mich binnen 20 Minuten in die rund 45 km von Opole entfernte 35.000-Einwohner-Stadt transportieren sollte.

Brzeg entpuppte sich wie Opole als sehr geschichtsträchtige Stadt. Sie wurde 1234 erstmals urkundlich erwähnt und bekam um das Jahr 1250 herum von Heinrich III., seinerzeit Herzog des Piastenherzogtums Schlesien-Breslau, das Stadtrecht verliehen. Auch hier kam es zur gezielten Werbung von deutschen Siedlern und dank der günstigen Lage an der schiffbaren Odra und der Via Regia entwickelte sich Brzeg rasch zu einer Handels- und Handwerkerstadt. Aus der ersten Blütezeit im Hoch- und Spätmittelalter kündet heute u. a. die zwischen 1365 und 1417 errichtete gotische Hallenkirche św. Mikołaja (St. Nikolaus).

Nach einer der zahlreichen Erbteilungen der Piasten wurde Brzeg, respektive Brieg, 1311 zur Residenzstadt eines gleichnamigen Herzogtums erhoben. Dieses Herzogtum Brieg bestand bis 1675 und im hiesigen Schloss wollte ich die Geschichte der Stadt und der schlesischen Piasten mal genauer unter die Lupe nehmen. Denn heutzutage ist das einstige Residenzschloss Heimat des Muzeum Piastów Śląskich (Museum der schlesischen Piasten). Gegen eine Eintrittsgebühr von 20 Złoty (ca. 4,50 €) konnte ich im Schloss u. a. etliche reich verzierte mittelalterliche Särge des Herrschergeschlechts in Augenschein nehmen. Ferner habe ich mir nochmal den ordentlich verästelten Stammbaum der Piasten angeschaut, die in Schlesien zig Linien und dutzende Herzogtümer hatten. Gefühlt ist jede Stadt in Schlesien mal Residenz eines eigenen Herzogtums gewesen…

Danach widmete ich mich im Museum der weiteren Stadtgeschichte, wobei viele Parallelen zu Opole erkennbar wurden. Auch das Herzogtum Brieg fiel an die Habsburger, nachdem die hiesige Piastenlinie im Mannesstamm erloschen war. Im Falle von Brieg war dies 1675 der Fall. Wie fast ganz Schlesien wurde das Herzogtum 1742 preußisch und die neuen Herrscher bauten Brieg zu einer mächtigsten Festungsstädte ihrer Zeit aus. Dazu war Brieg ab 1756 Hauptstadt des preußischen Regierungsbezirks Oberschlesien (bis es 1816 von Oppeln abgelöst wurde). Was die Staatszugehörigkeiten angeht, blieb Brieg nun bis 1945 preußisch bzw. deutsch und wurde dann Polen zugesprochen. Ergo fand auch hier nach 1945 ein großer Bevölkerungsaustausch statt.

Abgesehen von seinen musealen Sammlungen, ist das Schloss auch architektonisch einen Besuch wert gewesen. Es gilt als eines der schönsten Renaissanceschlösser im östlichen Mitteleuropa und insbesondere das südliche Torgebäude, welches zwischen 1550 und 1554 nach Entwurf des Baumeisters Jakob Pahr aus Sandstein errichtet wurde, ist eine Augenweide. Es wird u. a. von Plastiken des damaligen Herzogs Georg II. von Brieg (* 1523; † 1586) und seiner Gemahlin Barbara von Brandenburg (* 1527; † 1595), sowie einem Fries mit den Darstellungen von 24 weiteren schlesischen Piastenherzöge geziert.

Nach meinem Museumsbesuch flanierte ich noch ein wenig durch den historischen Stadtkern und besuchte u. a. das imposante Renaissancerathaus und die barocke Kościół Podwyższenia Krzyża Świętego (Kreuzerhöhungskiche). Letztere wurde zwischen 1734 bis 1739 von den Jesuiten errichtet und begeistert mit wunderschönen Deckenfresken. Vereinzelt sind auch barocke und klassizistische Bürgerhäuser im Stadtkern erhalten geblieben. Aber das alte Brieg wurde im Zweiten Weltkrieg arg von der Roten Armee zerstört und die Polen haben nach 1945 längst nicht alles an alter Bausubstanz rekonstruiert.

Um 14:06 Uhr ging es dann wieder per Schnellzug zurück nach Opole (abermals 10,50 Złoty). Dort hatte ich noch exakt zwei Stunden Zeit, bis mein gebuchter InterCity nach Katowice fahren sollte. Ich drehte nun nochmals eine Runde durch die Altstadt und beschloss nebenbei auch noch etwas gegen das mittlerweile aufgekommene leichte Hungergefühl zu unternehmen. Batumi Kebab nahe des Rynek war gestern nach Abpfiff proppenvoll mit hungrigen Fußballfans gewesen und mir daher in Erinnerung geblieben. Am heutigen Nachmittag hielt sich der Andrang in Grenzen, so dass ich mal den dortigen Dönerteller testete. Kostete mit Salat und Fritten 32 Złoty (ca. 7,50 €) und war zwar nicht unvergesslich gut, aber für den Preis ganz okay.

Nach der Mahlzeit ging’s noch einmal ins Mercure, um das dort deponierte Gepäck aufnehmen. Gegenüber vom Hotel stieg ich schließlich um 16:27 Uhr in einen völlig überfüllten InterCity gen Katowice. Die Feiertage diese Woche machten sich halt deutlich bemerkbar und überall standen einem Menschen oder Koffer im Weg. Zum Glück war mein 43 Złoty (ca. 10 €) teures Ticket in der 1.Klasse inklusive Reservierung, so dass es für mich bequem sitzend in den polnischen Kohlenpott ging…