- 14.08.2010
- Borussia Neunkirchen – VfB Bad Breisig 3:1
- Oberliga Südwest (V)
- Ellenfeldstadion (Att: 200)
Die Pokalauslosung ist neben der Veröffentlichung des Spielplans immer einer der Höhepunkte der Sommerpause. Jedes Jahr hockt man in trauter Runde vor’m Rundfunkempfänger und hofft auf ein Traumlos. So auch im Sommer 2010. Diesmal zog uns eine Frauenfußballerin namens Kim Kuhlig den SV Elversberg aus dem Lostopf. Leider wieder mal weit entfernt von der Kategorie Traumlos, aber natürlich redete der Hildesheimer Planungsstab sich alles an Elversberg schön, avisierte eine 9er-Tour und hoffte parallel zur 1.Runde des DFB-Pokals auf irgendwelche interessanten Partien in Belgien, Luxemburg oder Frankreich. Da 96 eh nie Europapokal spielen wird, muss man eben aus solchen Spielen die Saisonhöhepunkte mit internationalem Touch basteln.
Als unsere Partie gegen den amtierenden Saarlandpokalsieger auf Sonnabend 19:30 Uhr terminiert wurde, begannen wir intensiv die Spielpläne unserer Nachbarländer und des deutschen Südwestens zu prüfen. Für Freitagabend bot uns die französische Ligue 2 das Spiel CS Sedan gegen Grenoble Foot 38 an. Außerdem lockten Sonnabend um 15:30 Uhr wahlweise Neunkirchen (gegen Bad Breisig) oder Pirmasens (gegen Leverkusen). Einem tollen Wochenende mit drei Fußballspielen stand also vermeintlich nichts mehr im Wege.

Weil unser Hauptfahrer Bundeswehr-Bega noch bis mittags vom Dienstherrn gebunden war, ging es am Freitag leider erst gegen 12:00 Uhr in Hildesheim bzw. 13:00 Uhr in Hannover los. In der Landeshauptstadt musste obendrein noch ein so genannter Ghettoblaster erworben werden, da das Vehikel (VW Transporter Diesel) lediglich über ein profanes Radio verfügte. Nicht auszudenken, hätten wir Radio anstatt unseres extra gebastelten Mix mit Magic Mamaliga, Disko Partizani und weiteren südosteuropäischen Hits hören müssen. Nach dem Beschallungsanlagenkauf schafften wir es vom hannoverschen ZOB leider nur bis zur Christuskirche. Bega hatte mit unserer Karre so einige Probleme und würgte den Transporter an jeder Kreuzung ab. Als dann auch noch der Motorraum qualmte, als hätte Bengalo-Jeff von der Brigade Nord dort 1 kg weißes Rauchpulver gezündet, fuhren wir lieber nochmal rechts ran.
Wir baten den Fahrzeugvermieter um ein Ersatzfahrzeug zu und vertrieben uns die Zeit mit Lungern in der Nordstadt und Beschallung der Straßen mit Balkan Brass Music, was den einen oder anderen irritierten Blick von Passanten zur Ursache hatte. Als wir unsere Tour dann um 14:30 Uhr mit dem gelieferten Ersatzwagen (wieder ein VW Transporter Diesel) fortsetzen konnten, ließ Bega erneut den Motor absaufen. Wir hielten das erst für einen schlechten Scherz, aber das Schauspiel wiederholte sich wieder an jeder Kreuzung. Der Typ war anscheinend einfach zu blöd einen Diesel zu fahren. Ein spontaner Fahrerwechsel an einer roten Ampel war die Rettung. Der schöne Harry, der den ersten Transporter bereits tadellos von HI nach H manövriert hatte, übernahm wieder das Steuer und wir bewegten uns qualmfrei durch den zähen hannoverschen Innenstadtverkehr zur A2. Jene Autobahn war mittlerweile dicht bis hinter Garbsen und wir verloren weitere wertvolle Zeit.

Als die Fahrbahn ab Höhe Wunstorf wieder leerer war, wurde mächtig geheizt und zwei Turbofolk-CD-Längen später waren wir bereits im Großraum Köln. Dort wurden wir jedoch durch diverse Baustellen wieder entschleunigt. Realistisches Ziel war fortan lediglich Sedans Stadion zur 2.Halbzeit zu erreichen. Aber auch absolut minimalistische Raucher- und Pinkelpausen halfen nicht mehr. Die Stadt, in der 140 Jahre zuvor Napoleon III. gegenüber Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke kapitulierte, wurde erst kurz nach Spielschluss erreicht. Prinzipiell also genau der Verzug, den wir uns mittags in Hannover eingehandelt hatten.
Von nun an gingen die Meinungen der Insassen über die weitere Abendgestaltung auseinander. Onkel Ecki wollte in Sedan trotzdem noch zum Stadion und eine Kirmes beehren. Andere wiederum wollten weiterreisen in die vermeintliche Partystadt Reims. Wieder auftretende Probleme mit der Karre (ja, Bega saß wieder am Steuer), die uns kritisch beäugende Gendarmerie und die Hoffnung, dass in der nahen Großstadt mehr geht als im beschaulichen Sedan, trieben uns letztlich zurück auf die Autobahn.

Reims wurde kurz vor Mitternacht erreicht und wir fragten uns bei jungen Einheimischen zur Partymeile Drouet d’Erlon durch. Diese Meile war recht großzügig und voller Bars. Aber außer, dass die Bars im Schnitt größer als in Hildesheim waren, wirkte das Ding jetzt auch nicht besser als die Friesenstraße in der Dom- und Rosenstadt. Nachteile dagegen: Um Mitternacht leeren sich die Bars und Pubs bereits wieder, urige Nachtlokale gibt es anscheinend nicht, Getränke sind doppelt so teuer wie zu Hause und alles ist voll mit Franzosen. Letzteres hatte auch zur Folge, dass Ecki und Co sich mit Engländern verbrüderten, während Joker, Gödi und ich mal das Stadion von Stade Reims bei Nacht begutachteten. Das Stadion war erst 2008 in der heutigen Form eröffnet worden und sollte der wieder aufstrebenden einstigen Fußballgroßmacht Stade de Reims als zeitgemäße Heimstatt dienen.

Da wir zur Geisterstunde komischerweise nicht ins Innere des Stadions gelangen konnten, vereinten wir uns schnell wieder mit dem Rest. Den auf Clubhopping gestylten Briten gelang es erst sich aus unseren Fängen zu befreien, als Onkel Ecki sich den ersten seiner vier Döner in dieser Nacht bestellte. Döner im Land des „Erbfeinds“ ist übrigens Dönerfleisch im Baguette mit Sauce, welches in einer braunen Brötchentüte, die noch mit Pommes aufgefüllt wird, serviert wird. Wir blieben vorerst am Drouet-Brunnen nahe der Dönerbude und versorgten uns bei den türkischen Betreibern mit Dosenbier. Irgendwann verschlug es uns zurück zum im Bahnhofsviertel geparkten Auto. Dort lungerten wir unweit eines großen Nord- und Zentralafrikaner-Mobs an einer Kreuzung, ausgestattet mit Bier-Nachschub aus einem franko-maghrebinischen Späti. Dann gönnte sich so nach und nach jeder eine Mütze Schlaf im zum Wohnmobil umfunktionierten Transporter.

Im Morgengrauen verließ ich die Sardinenbüchse als Erster, um noch ein bißchen UNESCO Weltkulturerbe in Reims zu bewundern. Über die Champagner-Kellerei von Jules Mumm ging es zur zur 1275 geweihten Kathedrale von Reims, die als eine der architektonisch bedeutendsten gotischen Kirchen Frankreichs gilt und deshalb 1991 den Welterbestatus verliehen bekam. Danach zog es mich noch ein Stündchen durch die sehenswerte Innen- und Altstadt. Vorbei am Place Royale und dem Hotel de Ville, erreichte ich schließlich unseren Treffpunkt an der Ponte de Mars. Dort erspähte ich Onkel Ecki beim Photographieren dieses römischen Triumphbogens, den er mit unseren Fanbannern freudig geschmückt hatte.

Das nächste Ziel unserer kleinen Reise war nun Verdun in der Region Lorraine. Hier lief es für unsere Vorfahren kriegstechnisch zwar weniger erfolgreich als in Sedan, aber das hinderte uns nicht daran dort eine gute Zeit zu haben. Das Vehikel wurde gekonnt auf einem Discounter-Parkplatz platziert, um den Norma zunächst einmal um seine Dosenbiervorräte zu erleichtern. Hirsesalat, leuchtend rote Salami, Weißbroterzeugnisse, Süßkrams und merkwürdige Würstchen bildeten außerdem unser Magenfundament für den Stadtrundgang.

Auf jenem gab es wirklich viel zu sehen. Kriegsspuren an Häusern und Mauern, enge Gassen, steile Treppen, sowie einer kleiner Hafen und eine Promenade an der Maas erwarteten uns. Außerdem bot Verdun alte Festungsanlagen, eine Kathedrale und zahlreiche Museen, Denkmäler und Monumente. Bei tollem Wetter kam hier heute jeder von uns auf seine Kosten. Vor Abfahrt wurde dann nochmal in den Norma geschaut, um weiteres Bier zu erwerben (lecker Feldbräu für 0,40 € in Blechbüchsen à 33 cl) und dann hieß es Abschied nehmen von dem Flecken Erde, den die Franzosen besiedeln.

Saarlands Second City Neunkirchen erreichten wir souverän ein Stündchen vor Anpfiff und hatten somit genug Zeit das altehrwürdige Ellenfeldstadion Winkel für Winkel zu erkunden und ein paar Bilder zu knipsen (wieder ein ehemaliges Bundesligastadion mehr in der Sammlung). Das ganze Stadion versprüht den Charme einer vergangenen Fußballepoche, deren Zeitzeuge leider niemand von uns werden durfte. Die mittlerweile fünftklassige Borussia besiegte den Liganeuling aus Bad Breisig (never heard of it before…) relativ souverän mit 3:1 und wurde von der kleinen Schar treuer Supporter dafür umjubelt (inklusive einem saarländischen Zwillingsbruder von Matteo).
- 14. 08.2010
- SV Elversberg – HSV von 1896 5:4 n.E.
- DFB-Pokal (1st Round)
- Waldstadion an der Kaiserlinde (Att: 2.700)
Für uns ging’s nun weiter in Neunkirchens Nachbargemeinde Spießen-Elversberg, an deren Bahnhof wir lautstark mit dem Top-Hit Magic Mamaliga vorfuhren und uns dort mit dem per Zug angereisten 96-Mob vereinigten. Gemeinsam ging es einen Berg der Kategorie Mont Blanc hinauf und man sah einigen der Jungs die Spuren der langen und strapaziösen Reise an (auch der Rest war schon viele Stunden unterwegs, da man sich für das preiswerte Wochenendticket der DB entschieden hatte). Die hochsommerlichen Temperaturen taten natürlich ihr übriges und so verwunderte es nicht, dass der alkoholische Tagessieger Firemeier in einem anliegenden Grundstück Abkühlung im Swimming Pool suchte. Der Weg zog sich weiter wie Kaugummi und wir fluchten gewaltig, dass wir nicht mit dem Neuner direkt zum Stadion gefahren waren.

Irgendwann war endlich das Waldstadion an der Kaiserlinde in Sichtweite und der Gästebereich wurde bevölkert. Dort bot unser Anhang ein buntes Intro mit viel Pyrotechnik, aber die Leidenschaft übertrug sich leider nicht auf die Spieler. 96 lieferte einen blutleeren Auftritt, bei dem kein Klassenunterschied zwischen 1.Bundesliga und Regionalliga auszumachen war. Die beschämende Leistung gipfelte in einer Niederlage nach Elfmeterschießen. Es schaut so aus, als würde es auch diese Saison wieder nur darum gehen den Abstieg irgendwie zu vermeiden. Die Euphorie nach dem Klassenerhalt in Bochum vor wenigen Wochen war nach dieser Darbietung jedenfalls sofort wieder verflogen.

Die durch Verkehrsbehinderungen ewig lange Rückfahrt wurde zum Glück mit etwas Schlaf überbrückt und Sonntagmorgen konnte ich mein pfandfreies Dosenbier aus dem Neuner ausladen und endlich richtig im eigenen Bett ausschlafen. Eine Tour mit Höhen und Tiefen, aber länger hängen bleiben werden sicher die vielen lustigen Momente des Wochenendes und über die peinliche Niederlage von 96 können wir bestimmt auch irgendwann lachen. Spätestens wenn wir uns 2012 über den DFB-Pokal für die UEFA Europa League qualifiziert haben.