Leipzig 05/2024

  • 05.05.2024
  • 1. FC Lokomotive Leipzig – BSG Chemie Leipzig 0:2
  • Regionalliga Nordost (IV)
  • Bruno-Plache-Stadion (Att: 10.700)

Nach dem strapaziösen Vortag (siehe Berlin 05/2024), schlief ich am Sonntagmorgen erstmal schön in meinem halleschen Domizil aus. Ich hatte mir keinen Wecker gestellt und mein plötzlich mit ganz neuen Freiheiten ausgestatteter Körper entschied sich erst um 9:52 Uhr für das Ende seines Ruhemodus. Hätte ich es etwas früher aus dem Bett geschafft, wäre noch ein vernünftiges Frühstück in Halle drin gewesen. Doch stattdessen musste ich mich um 10:30 Uhr mit den kulinarischen Optionen am Hauptbahnhof der Händelstadt auseinandersetzen.

Kleingeschnippelter Kraftriegel

Den Zuschlag bekam die Metzgerei Zappendorfer, bei der ich mir zurecht Brötchen mit warmem Leberkäse erhoffte. Aber als ich an der Reihe war, schwenkte ich doch spontan auf 6 € teure Currywurst mit Pommes frites um. Denn der von führenden Lobbyisten für russisches Gas als „Kraftriegel der Facharbeiter“ euphemisierte Phospatprengel lächelte mich in der Warmtheke so verführerisch an, wie den Gerd die Geldkoffer von Gazprom.

Im Leipziger Hauptbahnhof war heute Basketball angesagt

Nach mittelmäßig leckerem, aber hochgradig fettigem Frühstück ging es schließlich per S-Bahn nach Leipzig. Dort war ich kurz nach 11:30 Uhr mit meinem aus Berlin per ICE angereisten Kumpel Lumi verabredet war. Wir hatten noch über vier Stunden Zeit bis zum Anpfiff und wie diese möglichst sinnvoll verbracht werden könnten, war nun natürlich die Frage. Lumi offenbarte mir sogleich, dass er noch nie so richtig in Leipzig war und eine kleine Stadtführung meinerseits durchaus aushalten könnte.

Barthels Hof (1757 fertiggestellt)

Gern leitete ich ihn jetzt durch die teils prachtvollen Passagen der historischen Handelshöfe und erzählte von der reichen Messetradition der Stadt. Barthels Hof, das Städtische Kaufhaus und Specks Hof dienten mir dabei als anschauliche Beispiele aus verschiedenen Epochen. Bei meiner wirklich kurz und knapp gehaltenen Führung durfte natürlich auch die Mädlerpassage mit der weltberühmten Gaststätte Auerbachs Keller nicht fehlen. Dabei empfahl ich Lumi für seinen nächsten Leipzig-Trip natürlich nicht nur einen kulinarischen Abstecher ins Kellergewölbe der Mädlerpassage, sondern auch einen Besuch des Zeitgeschichtlichen Forums gleich nebenan (Vgl. Leipzig 04/2023).

Mädlerpassage (1914)

Auf unserem kleinen Rundgang durfte außerdem folgendes nicht fehlen:

  • die Nikolaikirche (einerseits Leipzigs älteste und größte Kirche, andererseits im Herbst 1989 zentraler Ausgangspunkt der friedlichen Revolution in der DDR)
  • die Thomaskirche (als einstige Wirkungsstätte von Johann Sebastian Bach und Heimat des Thomanerchors ebenfalls eine sehr bedeutende Kirche)
  • Markt, Naschmarkt und Altes Rathaus (gilt als schönster Profanbau der Renaissance nördlich der Alpen)
Das Alte Rathaus (1556)

Nach ca. 96 Minuten zog es uns vom historischen Kern schließlich gen Leipziger Süden. Wir flanierten ein wenig die insgesamt 2,5 km lange Karl-Liebknecht-Straße entlang. Die überwiegend von mehrstöckigen Wohngebäuden der Stilrichtungen Klassizismus, Historismus, Jugendstil und Reformarchitektur gesäumte Straße ist dank ihrer gastronomischen Vielfalt besonders in den Abendstunden belebt. Sonntagmittag pulsierte es hier allerdings deutlich moderater. Umso mehr hatten wir ein Auge für architektonische Details oder Streetart.

Dreigeschossiger Kopfbau von 1889 an der Straßengabelung Koch- und Karl-Liebknecht-Straße

Nach 1,312 km auf der Karli kehrten wir erstmal auf einen Cappuccino ins retrochice Café Puschkin ein. Nach jener Kaffeepause war es fast 14 Uhr und wir nahmen den nächstbesten Bus zum wenige Kilometer entfernten Völkerschlachtdenkmal (siehe Titelbild). Diese bedeutende Sehenswürdigkeit hatte ich bei meinen letzten Trips nach Leipzig stets bewusst ausgespart, da sie sich ideal mit einem Besuch des Bruno-Plache-Stadions verbinden lässt.

Hier war 1813 der Befehlsstand von Napoleon Bonaparte

Dass hier im Leipziger Südosten am 18. Oktober 1913 ein kolossales und insgesamt 91 m hohes Denkmal aus Granit und Beton eröffnet wurde, erlaubt keinen Zweifel daran, dass hundert Jahre zuvor an diesem Ort eine besonders bedeutende Schlacht geschlagen wurde. Jene so genannte Völkerschlacht war Teil der von 1792 bis 1815 tobende Koalitionskriege, in denen Frankreich unter Napoleon Bonaparte die Vorherrschaft auf dem europäischen Kontinent anstrebte. Aber bekanntlich verließ den auf Korsika geborenen französischen Kaiser irgendwann das Kriegsglück.

Erzengel Michael wacht über dem Eingang des Völkerschlachtdenkmals

Nach Napoleons katastrophal gescheiterten Russlandfeldzug im Jahr 1812, wollte im Folgejahr eine Koalition aus Russland, Preußen, Österreich und Schweden die günstige Gelegenheit ergreifen und auch die deutschen Territorien von Frankreich befreien. Vor den Toren Leipzigs kam es dabei vom 16. bis 19. Oktober 1813 zur entscheidenden Schlacht mit geschätzt 600.000 beteiligten Soldaten auf beiden Seiten. Napoleon und seine deutschen Verbündeten – u. a. die „Vaterlandsverräter“ der Königreiche Bayern, Sachsen und Württemberg und der Großherzogtümer Baden und Hessen – verloren die Schlacht und Frankreich musste sich als Konsequenz dauerhaft hinter den Rhein zurückziehen. Zwei Jahre später erlebte Napoleon bekanntlich sein Waterloo und auf dem Wiener Kongress ersannen sich die Siegermächte eine neue Nachkriegsordnung für Europa.

Wurst hui, Brötchen pfui

Gerne hätten wir einen Blick ins Innere des Denkmals geworfen und anschließend noch den Ausblick von seiner Dachplattform genossen. Aber es war mittlerweile 14:30 Uhr durch und wir wollten uns aufgrund des heutigen Andrangs beim 111. Leipziger Derby* lieber schon 60 Minuten vor Anpfiff am Bruno-Plache-Stadion einfinden. Statt nun binnen maximal 30 Minuten durch das Denkmal und seine musealen Ausstellungen zu huschen, wurden die 10 € Eintritt lieber für Bier und Bratwurst bei Lok aufgespart.

Kuttenpower

In der 1.896 m vom Völkerschlachtdenkmal entfernten Spielstätte des 1. FC Lokomotive folgten auf Worte Taten und unter dem Vordach eines Bierwagens ließ sich nebenbei prima ein kurzer, aber heftiger Regenschauer überstehen. Ehe es gegen 15:30 Uhr gemeinsam auf die Gegengerade ging. Für Stadiontouristen bei so einem Spiel leider nur die zweitbeste Tribüne, aber für Haupttribüne (oder Dammsitz) kamen wir leider nicht an Karten. Überhaupt waren heute stolze 10.700 Zuschauer im Stadion, was zugleich ausverkauft bedeutete (gegenwärtig ist das bereits 1922 eröffnete und entsprechend betagt wirkende Plache für maximal 12.321 Zuschauer zugelassen, aber für’s Derby wurde die Ticketanzahl aus Sicherheitsgründen auf maximal 10.700 begrenzt).

Das Bruno-Plache-Stadion wurde 1922 eröffnet, während seine hölzerne Haupttribüne 1932 fertiggestellt wurde und seitdem nahezu unverändert blieb

Damit haben jetzt bereits ca. 66.000 Zuschauer die Heimspiele des 1. FC Lok in dieser Saison besucht. Beim noch ausstehenden Gastspiel des FSV Zwickau in zwei Wochen wird wohl zu 96 % die Marke von 71.000 geknackt und damit ein neuer Bestwert seit dem Abstieg aus der 2. Bundesliga im Jahre 1998 erzielt. Besonders bemerkenswert, weil es sportlich in dieser Spielzeit höchst mittelmäßig zugeht. In der Vorsaison mischte man oben mit und wurde am Ende immerhin Vierter. Dennoch kam man „nur“ auf 58.989 Besucher (Schnitt pro Spiel: 3.470). Diese Saison läuft es lediglich auf einen zweistelligen Tabellenplatz hinaus (aktuell 13. Platz) und trotzdem die Gesamtzuschauerzahl und damit natürlich auch der Zuschauerschnitt über 20 % höher ausfallen.

Choreo der Lokisten

Um die sportlich eigentlich enttäuschende Saison versöhnlich enden zu lassen, war aus Probsthaidaer Sicht ein Derbysieg das Gebot der Stunde. Da das Hinspiel in Leipzig-Leutzsch 1:1 ausgegangen war, hätte das zugleich den abermaligen Gewinn der inoffiziellen Stadtmeisterschaft bedeutet. Um alle Kräfte zu mobilisieren, gab es daher nicht nur ein dunkelblaues Mottoshirt für den heutigen Spieltag, sondern auch eine große Choreographie mit dem gleichen Motiv. Jene Collage mit diversen Wahrzeichen des Leipziger Südostens und dem Emblem des 1. FC Lok wurde mit der holprig klingenden Botschaft „Support Your Lokal Fußballclub“ gepaart. Beim Einlaufen der Mannschaften kamen in der Fankurve gelbe Fähnchen und Konfetti hinzu. Nichts Bahnbrechendes, aber schon schick.

Auch in Probstheida blüht gerade der Raps

Während bei Lok aufgerufen wurde im Mottoshirt oder anderweitiger dunkelblauer Oberbekleidung zum Derby zu erscheinen, hatte der Stadtrivale die Losung “Alle in grün” ausgegeben. Zu Spielbeginn zogen sie außerdem eine grüne Blockfahne mit transparentem Chemie-Schriftzug über ihre insgesamt 1.200 Köpfe, während am Zaun des Gästeblocks “Der Rest von Leipzig”** zu lesen war. Wahrscheinlich dachten nicht nur Lumi und ich, dass unter der Fahne alsbald gezündet wird. Doch wir wurden überrascht. Statt sich zu vermummen, streiften sich die unter den Buchstaben stehenden Leutzscher weiße Shirts über. So war anschließend dauerhaft der Vereinsname in der ansonsten grünen Masse zu lesen. Jedenfalls solange, bis nach ein paar Hüpfeinlagen alle doch wieder etwas durcheinander standen.

Intro der Chemiker

Der kompakte Gästehaufen kam bei uns auch meist etwas lauter als die lang gezogene Heimkurve an. Dort hatten die Aktivposten um Blue Side Lok ihre liebe Mühe die Randblöcke zu dauerhaftem Mitmachen zu animieren. Auch die Gegengerade hielt sich akustisch meist zurück. Abgesehen von situationsbedingten Anfeuerungsrufen, Szenenapplaus oder den gängigen Schmähungen in Richtung der Chemiker.

Textile Grußbotschaften gen Gästekurve

Obendrein trug der Spielverlauf nicht dazu bei die Heimbereiche in einen Hexenkessel zu verwandeln. Denn auf dem Rasen nutzte Chemies Philipp Harant einen Abwehrfehler von Ex-96er Lukas Wilton zur frühen Führung in der 14. Minute. Nebenbei ein historischer Treffer. Es war der erste Torerfolg der BSG Chemie im Bruno-Plache-Stadion seit der Neugründung des Vereins im Jahre 1997. Wobei ich noch anmerken muss, dass die neue BSG Chemie Leipzig 1997 zunächst nur ins Vereinsregister eingetragen wurde, um den Traditionsnamen, respektive die Markenrechte zu schützen (die alte BSG Chemie Leipzig war bekanntlich im FC Sachsen Leipzig aufgegangen). Erst 2008, nachdem sich ein Großteil der aktiven Fanszene vom FC Sachsen abgewandt hatte, nahm man den Spielbetrieb in der 3. Kreisklasse auf. Und erst seit 2017 ist man wieder auf sportlicher Augenhöhe mit Lok.

Torfreude bei den Leutzschern

Wer bisher noch ohne Torerfolg im Bruno-Plache-Stadion war, durfte dementsprechend auch noch keinen Sieg an diesem Ort feiern. Doch das sollte sich am heutigen Nachmittag ebenfalls ändern. In der 45. Minute brachte Denis Jäpel die Gäste mit dem zweiten Treffer des Tages endgültig auf die Siegerstraße. Denn nachdem die Gästekurve die 2. Halbzeit mit einer mächtigen grünen Rauchwolke eingeläutet hatte, blieb das große Aufbäumen der Heimelf aus. Die Leutzscher konnten die Führung gänzlich ungefährdet über die Ziellinie bringen.

Die Diablos schaffen sich eine grüne Hölle

Der völlig uninspirierte Auftritt der Heimelf echauffierte die Lok-Fans im zweiten Durchgang von Minute zu Minute mehr. In der 66. Minute flog dann von der Gegengerade sogar ein Rauchtopf auf den Rasen und ein paar Halbstarke kletterten mitsamt einer Fackel auf den Zaun. Aber die Jungs genossen wenig Rückhalt beim Rest des Sektors und wurden für ihre Aktion massiv bepöbelt. Kommentar des Stadionsprechers zu der Situation übrigens: „Hebt euch den Quatsch für nach dem Spiel auf!“

So richtig aktiv war nur das Zentrum in der Heimkurve

Nach Abpfiff richteten sich der Unmut der Heimfans wiederum an die eigene Mannschaft. Das war ein blutleerer Derbyauftritt, der äußerst schlechte Werbung für ähnlich hohe Zuschauerzahlen in der kommenden Saison war. Die siegreiche Elf aus Leutzsch kroch derweil als Partyraupe in die Gästekurve und feierte am und auf dem Zaun mit Diablos & Co den prestigeträchtigen Sieg.

Die einzige Fackel des Tages

Der heutige Erfolg sorgt nicht nur dafür, dass die BSG Chemie in dieser Spielzeit inoffizieller Stadtmeister wird, sondern am Saisonende in der Abschlusstabelle auch definitiv vor Lok stehen wird. Auch eine Art Premiere für die „neue“ BSG Chemie. Denn abgesehen von der nicht vollwertigen Saison 2020/21, die wegen der COVID-19-Pandemie nach dem 13. Spieltag abgebrochen wurde, hatte die Loksche in den letzten Jahren tabellarisch immer die Nase vorn.

Man zelebriert den Derbysieg

Eigentlich schade, dass beide Teams nur im Mittelfeld der Liga rumdümpeln und nächste Saison wahrscheinlich auch nicht zum Favoritenkreis der Regionalliga Nordost gezählt werden. Mittelfristig darf gerne mindestens einer der beiden Clubs mal wieder drittklassig werden. Denn es ist und bleibt einfach unglaublich, dass eine Stadt mit der Größe (ca. 625.000 Einwohner) und der großen Fußballtradition seit einer halben Ewigkeit mit keinem Sportverein*** im Profifußball vertreten ist.

Auf zur Tram

Nach dem Spiel zogen Lumi und ich in einer großen Menschentraube zur Tram und landeten dabei gegen 18:30 Uhr zufällig mitten in einem Mob konfliktsuchender Lokisten. Optische Merkmale deuteten bei vielen darauf hin, dass sie mir wohl nur bedingt zustimmen würden, wenn ich Karl Liebknecht als einen der größten Söhne der Stadt Leipzig lobpreise. Wenig später holten sich diese Gesellen eine Portion Reizgas an der Polizeikette ab und ließen ihre Wut anschließend an einem Fotografen aus, der sie dabei offenbar mehrfach abgelichtet hatte.

Heute mal nur gesund ernährt…

In der Hektik der Situation verloren Lumi und ich uns auch erstmal aus den Augen. Aber am Hauptbahnhof konnten wir 30 Minuten später unsere Wiedervereinigung feiern. Wir hatten beide noch ein Stündchen Zeit bis zur geplanten Abreise und beschlossen daher gemeinsam etwas zu mampfen. Es ging zu Rusty’s Burger, wo der monatliche Aktionsburger (so’n Scharfer mit doppelt Beef und Jalapeños) im Menü mit Chili con Carne Fries und Softdrink (inklusive Free Refill) für 18,40 € offeriert wurde.

Erstklassig heimwärts

Während Lumi um 20:16 Uhr einen Fernzug nach Berlin bestieg, ging es für mich kurz zuvor wieder nach Halle. Ich hatte mein Gepäck nämlich noch im bahnhofsnahen Hotel der Vornacht liegen. Nachdem dieses wieder meinen Rücken schmückte, nahm ich um 21:09 Uhr per InterCity Kurs auf Hannover und von dort ging es 23:48 Uhr weiter in die Hildesheimat. Kurz nach Mitternacht waren zehn wunderbare Tage auf Achse plötzlich zu Ende. Damit lagen zugleich 13 Städte, 10 Spielbesuche und ca. 2.350 Schienenkilometer hinter mir. Es war einmal mehr ein grandioser Trip. Gott schütze mich und mein Hobby.

*Die historischen Umstände sorgen in Leipzig dafür, dass man sich bei der Geschichte und Gesamtbilanz des großen städtischen Fußballderbys nicht auf zwei kontinuierlich existierende Vereine bezieht. Stattdessen berufen sich der der 1. FC Lok und die BSG Chemie auf die jeweiligen Vorkriegsvereine in ihren Stadtteilen Probstheida (VfB Leipzig von 1893) und Leutzsch (TuRa 1899 Leipzig). Nach 1945 sorgte zunächst die DDR-Sportpolitik für diversen Fusionen und Umbenennungen der Leipziger Vereine, ehe es nach 1990 abermals zu Fusionen, Namenswechseln und schließlich auch Neugründungen nach Insolvenzen kam. In der Gesamtrechnung gilt nun das Duell am 31. Oktober 1909 zwischen dem VfB Leipzig und dem FC Britannia 1899 Leipzig (Vorgänger von TuRa und damit auch von Chemie) als erstes von mittlerweile 111 Derbys. Die Teams aus Probstheida waren dabei 52 siegreich, während die Leutzscher erst 37 Derbys gewinnen konnten (ergo trennte man sich bisher 22 mal ohne Sieger).

**Der Rest von Leipzig ist zum ewigen Synonym der Chemie-Meistermannschaft von 1964 geworden. Das war nicht nur der letzte Meistertitel eines Leipziger Fußballvereins überhaupt, sondern auch eine der größten Sensationen des DDR-Fußballs. Denn im Sommer zuvor hatten die DDR-Sportfunktionäre eine Vereinigung der zwei Oberligisten SC Lokomotive und SC Rotation zum SC Leipzig angeordnet. Durch Leistungskonzentration sollte dieser Club möglichst den Meistertitel nach Leipzig holen. Dem SC Leipzig wurden nun die vermeintlich leistungsfähigsten Fußballer des Bezirks Leipzig zugeführt. Für den weiteren Leipziger Oberligisten BSG Chemie blieben nur die Spieler übrig, die von den Funktionären als zu schlecht für eine Meistermannschaft angesehen wurden. Sprich, Chemie war der Rest von Leipzig, dem höchstens der Klassenerhalt zugetraut wurde. Doch Trainer Alfred Kunze führte ausgerechnet diese Aussortierten in der Folgesaison 1963/64 zum Meistertitel, während der SC Leipzig sich mit Rang 3 begnügen musste.

***Angebliche Sportvereine mit niedriger zweistelliger Mitgliederzahl, in denen die Allgemeinheit konsequent von einer Vollmitgliedschaft ausgeschlossen ist und nicht einmal die aktiven Sportler vollwertige Vereinsmitglieder sind, kann ich einfach nicht in die gleiche Kategorie wie alle anderen Sportvereine aus Leipzig und dem Rest der Republik einordnen. Mein unglaublicher Verdacht: Der 2009 gegründete RasenBallsport Leipzig e. V. hat gar nicht Förderung des Sports, insbesondere Sporttreiben und aktive Freizeitgestaltung der Mitglieder als Vereinszweck, sondern Vereinszweck sind wirtschafts- und marketingpolitische Ziele der Red Bull GmbH (zu der fast alle Mitglieder einen auffälligen Bezug haben). Vielleicht ist der RasenBallsport Leipzig e. V. daher auch gar kein gemeinnütziger Verein nach § 21 BGB, sondern ein wirtschaftlicher Verein nach § 22 BGB. Müsste man mal juristisch prüfen lassen…