Berlin & Cottbus 08/2025

  • 16.08.2025
  • BFC Dynamo – VfL Bochum 1:3 n. V.
  • DFB-Pokal (1. Runde)
  • Sportforum Hohenschönhausen (Att: 4.705)

Das erste Mal seit 2017 hatte ich wieder Zeit für eine DFB-Pokal-Erstrundenpartie von Hannover 96. Wie wunderbar daher, dass den Roten Riesen einer der attraktiveren Gegner aus dem Amateurtopf zugelost wurde. Es sollte in die Lausitz zum FC Energie Cottbus gehen. Obendrein ließ die Ansetzung auf Samstagabend (18 Uhr) gleich doppelten Fußballgenuss zu. Fünf Stunden zuvor sollte nämlich der BFC Dynamo den VfL Bochum in Berlin empfangen. Mit Vertrauen auf die Verlässlichkeit des ÖPNV organisierte ich mir also für beide Partien eine Zugangsberechtigung.

Frühschoppen im Bierbrunnen

Ich war diesbezüglich auch kein Einzelfall, so dass sich ein geselliger Tag abzeichnete. Daher ging’s bereits um 7:03 Uhr für faire 11,24 € per ICE von Hannover nach Berlin, wo ich um 9:30 Uhr im Schatten des Humboldthains von Lumi und seiner Gattin zum Frühstück eingeladen war. Die Gastgeber hatten im heimischen Esszimmer für den aus Frankfurt angereisten Niklas und meine Wenigkeit groß aufgetischt. Vielen Dank nochmal für die Einladung!

Das einstige Sporthotel am Sportforum

Mit Simit, Menemen und vielen mehr im Magen ging es dann zu dritt gegen 11 Uhr zum Frühschoppen in den Bierbrunnen. Doch die frühe Anstoßzeit in Hohenschönhausen ließ leider nur zwei Runden Kindl zu, ehe uns ein Uber vom gegenüberliegenden Bahnhof Gesundbrunnen für 15 € zum Sportforum kutschieren durfte. Dort trafen wir eine gute halbe Stunde vor Spielbeginn ein und durften nochmal ca. zwanzig Minuten anstehen. Schließlich war die Hütte heute ausverkauft und knapp 4.000 Heimfans mussten den gleichen schmalen Eingang nutzen.

Ein entschlossener Jungpionier

Pünktlich zum Einlaufen der Mannschaften standen wir jedoch auf unseren nominellen Sitzplätzen (25 €) in „Ost-Berlins letzter Festung“. Dies war jedenfalls der heutige Leitspruch der BFC-Choreographie auf der Gegengerade (siehe Titelbild). Dieses Statement wurde mit Wachtürmen vom Typ BT-11 und Stacheldraht ausgeschmückt, während die Fans im Block kleine Fähnchen in den Farben weinrot und schwarz schwenkten. Außerdem wurde die visuell mitschwingende DDR-Nostalgie noch durch einen Jungpionier im Zentrum der Choreographie untermauert.

Ein Pot(t)pourri an Tifomaterial

Die ca. 800 mitgereisten Anhänger des VfL Bochum zeigten sich hingegen weltmännischer und zauberten etwas südamerikanisches Flair in die Nachbarschaft der Simon-Bolivar-Straße. Zusammen mit ein paar Fahnen und Doppelhaltern gab es Luftballons und Stoffbahnen in den Vereinsfarben zu sehen. Fand ich optisch auch ganz nett. Allerdings gab es akustisch anschließend nur wenig kulturelle Anleihe in Argentinien, sondern einen wenig mitreißend vorgetragenen Singsang mit ausbaufähiger Mitmachquote.

Gäste der Gäste kamen heute aus Münster und München

Aber immerhin sicherte man sich mit einer kleinen Spruchbandaktion anerkennenden Applaus der Berliner. Denn der in der 30. Minute im Gästesektor präsentierte Halbsatz „Der Ausbau des Sportforums ist so unverhandelbar…“ wurde im Heimbereich mit „…wie das Ruhrstadion an der Castroper!“ zum gemeinsamen Statement für den Ausbau des Sportforums in Hohenschönhausen vervollständigt. Jene geforderte Modernisierung der 1959 eröffneten Sportstätte zum drittligatauglichen Stadion hatte es eigentlich 2023 in den Koalitionsvertrag der schwarz-roten Landesregierung geschafft, steht mittlerweile jedoch wieder auf der Kippe.

Der Ausbau des Sportforums ist so unverhandelbar…

Die gemeinsame Aktion ist nebenbei ein Indiz dafür, dass das heute kein besonders brisantes Spiel war. Ein weiteres waren vereinzelte BFC-VfL-Freundschaftsshirts in unserem Block. Da gibt es nämlich zwischen den alten Haudegen beider Fanlager seit der Wende eine Freundschaft, die sicher auch von den jüngeren Jahrgängen respektiert wird. Wenngleich heutzutage andere Kontakte eher im Fokus stehen. So hatten die Ultras Bochum einmal mehr eine kleine Abordnung ihrer langjährigen Freunde von der Schickeria München am Start, wohingegen das Ruhrstadtkollektiv ein paar Kumpels aus Münster (Fede Nerblo) dabei hatte. Im Heimsektor hingen wiederum Banner der Sportfreunde Trier und der Lads from Szczecin.

…wie das Ruhrstadion an der Castroper!

Auch die Bochumer Mannschaft schien als guter Gast in Erinnerung bleiben zu wollen. Zwar wurde ihnen gleich in der Anfangsphase ein wahrscheinlich berechtigter Strafstoß verwehrt, aber insgesamt kam im ersten Durchgang zu wenig für einen entspannten Erstrundensieg bei einem Viertligisten. Ergo ging es torlos in die Pause und nach dem Seitenwechsel gab es sogar eine kalte Dusche für den Bundelsigaabsteiger. BFC-Neuzugang Jan Shcherbakovski benötigte nach Wiederanpfiff von mir handgestoppte 18,96 Sekunden, um mit seiner linken Klebe aus ca. 25 Metern für das 1:0 zu sorgen (46.).

Torfreude

Die Fans des DDR-Rekordmeisters waren selbstredend aus dem Häuschen und träumten nun vom erstmaligen Zweitrundeneinzug in diesem Jahrhundert. Fortan wurde jeder gewonnene Zweikampf bejubelt und jeder Gegenangriff mit Schlachtrufen gefeiert. Da die Profis aus dem Pott sich weiterhin mit den couragierten Regionalligakickern schwer taten, schien die Pokalsensation für die Weinrotweißen auch tatsächlich von Minute zu Minute greifbarer. Bis ein Platzverweis in der 80. Minute leider die Karten neu mischte.

Auch in der wegen baulichen Mängeln gesperrten Nordkurve wurde der Stadionausbau gefordert

In Überzahl holte der VfL nochmal die Brechstange raus und erzwang dank eines Treffers von Loosli (85.) die Verlängerung. Für Lumi, Niklas und mich fast genauso schlimm wie für alle Heimfans. Denn der Zugabe beizuwohnen war zeitlich nicht drin. Stattdessen wartete vor’m Stadion nach Abpfiff der regulären Spielzeit bereits das nächste Uber auf uns, welches uns für 17 € zum Bahnhof Ostkreuz fuhr.

Ketwurst am Ostkreuz

Es war noch Zeit für eine Ketwurst auf die Faust (4,70 €), ehe wir um 15:40 Uhr im Regionalexpress per Deutschlandticket gen Cottbus rollten. An den Bildschirmen der Mobiltelefone verfolgten wir natürlich noch den Ausgang des BFC-Spiels. Zwar konnte der Underdog zunächst das Remis verteidigen und ihr Schlussmann parierte sogar einen Strafstoß in der 95. Minute. Doch ein zweiter Platzverweis (103.) war zu viel des Guten. Bamba (107.) und Bero (120.) sorgten daraufhin für einen schmeichelhaften Sieg der Bochumer.

  • 16.08.2025
  • Energie Cottbus – Hannover 96 1:0
  • DFB-Pokal (1. Runde)
  • Stadion der Freundschaft (Att: 18.659)

In Cottbus kamen wir ziemlich genau eine Stunde vor Anpfiff an und spazierten in der Nachmittagssonne zum 1,5 km vom Hauptbahnhof entfernten Stadion der Freundschaft. An den Stadiontoren trennten sich allerdings unsere Wege. Denn Niklas und Lumi saßen auf der Haupttribüne, während ich meinen Sitzplatz auf der Gegengerade hatte. Dort empfing mich um 17:40 Uhr bereits mein Sitznachbar Jojo, der mir freundlicherweise im Vorverkauf ein 36 € teures Ticket mitgekauft hatte.

Welcome to Cottbus

Wir sahen wenig später eine nette Choreographie in der Heimkurve der 1930 als Städtisches Stadion Cottbus eröffneten und seitdem mehrfach modernisierten Sportstätte. Über dem großflächig am Zaun prangenden Motto „Mit Mut und Moral zum goldenen Pokal“ erstrahlten in den Fanblöcken ein paar goldene Sterne aus Glitzerfolie und dazu wurde noch einiges an Goldlametta in die Luft geschossen.

Die Choreo der Cottbuser

Im Gästesektor war derweil kein besonderes Intro zu bestaunen. Allerdings standen ein paar Vermummte im Block, die in den kommenden 90 Minuten immer mal wieder eine Fackel zur Begleitung des Liedguts entzündeten. Auf die Mannschaft sprang der Funke dabei jedoch leider nicht über. Stattdessen erwischte es irgendwann leicht entflammbare Textilien, die möglicherweise erst just auf der Anreise den Besitzer gewechselt hatten. Jedenfalls legen das Medienberichte nahe.

Rituelle Verbrennung von Raubgut

Dass nun im Heimbereich tatsächlich einige Fans mit blanker Brust zu erspähen waren, schiebe ich allerdings nicht auf den Raub der im Gästeblock verbrannten Oberbekleidung. Das wird wohl eher am schönen Wetter und vor allem am guten Auftritt der Heimelf gelegen haben. Denn Tolcay Ciğerci sorgte mit dem ersten Torschuss des Abends gleich mal für die Führung (12.) und ein erstmals an diesem Abend bebendes Stadion der Freundschaft.

Freude nach dem frühen Führungstreffer

Anschließend tat sich die Titz-Elf mit ihrer Spielidee gegen sehr tief stehende und aufopferungsvoll verteidigende Lausitzer extrem schwer. Allerdings musste der FC Energie manchmal zum Foulspiel als Ultima Raka Ratio greifen und in 42. Minute tat er das sogar im eigenen Strafraum. Der fällige Strafstoß wäre die ideale Gelegenheit gewesen, um kurz vor der Pause die Wende einzuleiten. Doch der eigentlich sichere Schütze Boris Tomiak scheiterte mit einem schwachen Flachschuss an Energies etatmäßigem Ersatztorwart Alexander Sebald (der war kurzfristig in die Startelf gerutscht, weil sich Elias Bethke beim Aufwärmen verletzt hatte). Nach Sebalds Glanztat bebte das Stadion der Freundschaft selbstredend zum zweiten Mal und alle Lausitzer gingen leicht euphorisiert in die Pause.

Ca. 2.000 Fans waren aus Niedersachsen in die Lausitz gereist

96-Trainer Christian Titz reagierte in der Kabine mit einem Doppelwechsel (Oudenne und Yokota für Neubauer und Rochelt) und ich glaube obendrein hat er auch eine ganz gute Halbzeitansprache gehalten. Jedenfalls legte seine Mannschaft nochmal eine Schippe drauf. So blieben sie nicht nur weiterhin größtenteils im Ballbesitz, sondern kamen im Gegensatz zum ersten Durchgang auch zu vielen Abschlüssen. Blöd nur, dass immer wieder ein paar Zentimeter fehlten oder Sebald sich ungeahnt weit strecken konnte.

Die Gäste im Blick

Jede Rettungstat des Tormanns oder seiner Vorderleuten wurde natürlich vom Publikum frenetisch gefeiert. Dabei entpuppten sich mittlerweile auch die Haupttribüne und die Gegengerade als lautstarker zwölfter Mann. Und wo sie nun alle standen, stiegen sie gleich mal auf die Provokationen aus dem Gästesektor ein. „Eure Eltern geh’n zur SGD“ wurde mit wildem Gepöbel quittiert und auf „Ostdeutsche Dullies“ wurde mit „Ost! Ost! Ostdeutschland!“ gekontert. Da war also nicht nur wegen der verbrannten Fanshirts und -schals etwas Zunder auf den Rängen.

Die Heimkurve hatte heute viel zu beklatschen

An der dieser Stelle sei noch erwähnt, dass FCE-Anhänger in der Nacht von Freitag auf Samstag sogar ein Graffiti in der Nähe des Niedersachsenstadion gesprüht hatten. Die Botschaft an hannoversche Bürger auf ihrer morgendlichen Laufrunde lautete: „Als Kind zu oft in den Dreck geflogen, heute aus dem Pokal! Scheiss 96!“ Komplettiert mit Schriftzug und Logo des FC Energie. Die 1997 im Zuge der skandalös verlaufenen Aufstiegsspiele zwischen Hannover 96 und Energie Cottbus entstandenen Animositäten scheinen also weiterhin beidseitig zu bestehen.

Auch die Gegengerade riss es im zweiten Durchgang oft von den Sitzen

Damals zweifelte ich erstmals an der Existenz des Fußballgotts. Mittlerweile bin ich dank Infantino, Katar, RB Leipzig und so vielen unzähligen weiteren schmutzigen Geschichten und Gestalten natürlich längst Atheist geworden. Der nächste Beweis für die Gottlosigkeit meines Lieblingssports wäre nun ein Sieg dieses unsäglichen Proleten und Provokateurs Claus-Dieter Wollitz über den smarten und sympathischen Christian Titz.

Bitte noch ein zweites Mal zu meinen Lebzeiten diesen Pokal gewinnen

Daran wollte ich allerdings bis zum Ende einfach nicht glauben. Auch wenn die Uhr gnadenlos für den bisher einzigen brandenburgischen Bundesligisten tickte und das Tor der Wollitz-Schützlinge wie vernagelt schien, musste doch mindestens noch die Verlängerung drin sein. Und spätestens da würde sich der Pokalsieger von 1992 bestimmt durchsetzen. Mit der sichtbar besseren Qualität und letztlich auch dem längeren Atem.

Rauchzeichen

Der erste Teil meiner Prophezeiung schien in der ersten Minute der Nachspielzeit tatsächlich noch wahr zu werden. Endlich zappelte der Ball hinter Sebald im Netz. Doch der Jubel der hannoverschen Schlachtenbummler währte nur kurz. Källman stand bei diesem vermeintlichen Treffer hauchzart im Abseits. Danach blieben zwar noch weitere sechs Minuten für das ersehnte Tor, aber dem FC Energie war heute einfach ein glückliches Ende vergönnt.

Glückliche Gewinner

Jetzt war Hannover 96 doch tatsächlich zum dritten Mal in Folge in der 1. Runde des DFB-Pokals ausgeschieden. Zwar war es diesmal keine desolate Leistung wie 2023 in Sandhausen oder 2024 in Bielefeld. Aber der Modus dieses Wettbewerbs macht da keine Unterscheidungen. Raus ist raus und das ist maximal unerfreulich.

Trotz Pokalaus gingen Fans und Mannschaft heute im Guten auseinander

Während nun kaum ein Fan des siegreichen FC Energie Eile hatte das Stadion zu verlassen, machten Jojo und ich uns zügig auf den Weg zum Bahnhof. Dort wurde sich noch etwas mit Proviant eingedeckt, ehe ich auf dem Bahnsteig diversen Freunden aus Hildesheim und Umgebung in die Arme lief. Da konnten wir auf der gut fünfstündigen und meinerseits abermals 11,24 € teuren Rückfahrt u. a. nochmal das Vorwochenende Revue passieren lassen. An dem hatten wir nämlich das 96-Auswärtsspiel bei „Scheiß Fortuna! Scheiß Fortuna! Scheiß Fortuna Düsseldorf!“ als Rahmen für Oles Junggesellenabschied genutzt und nächstes Wochenende gibt es dann nicht nur einen Heimsieg gegen den 1. FC Magdeburg, sondern auch ’ne Hochzeit zu feiern.