Glasgow 07/2025 (II)

  • 12.07.2025
  • Clyde FC – Motherwell FC 2:2
  • Scottish League Cup (Group Stage)
  • New Douglas Park (Att: 1.931)

Der Samstag begann wie jeder Urlaubstag im Vereinigten Königreich kalorienreich. Außerdem sollten die Temperaturen in Glasgow heute die Marke von 30° C knacken. Da ich meine Badehose tatsächlich eingepackt hatte, recherchierte ich bereits gut per Bahn erreichbare Badeorte. Aber am Ende gewinnt bei mir doch immer König Fußball. Dementsprechend wurde es heute ein Nachmittagsausflug ins nahe Hamilton zum Ligapokalkracher Clyde FC vs. Motherwell FC.

Kraft tanken für die Aufgaben des Tages

Wobei ich das £ 5.60 (ca. 6,50 €) teure Returnticket auf der Hinfahrt nur bis Uddingston nutzte. Denn wenn ich mir schon den Clyde FC anschaue, kann ich zuvor ruhig noch ca. 9,6 km am gleichnamigen Fluss entlang wandern. Zumal mich auf der erfreulicherweise sehr schattigen Route auch zwei touristische Attraktionen erwarten sollten.

Der Clyde bei Uddingston

Los ging’s um 10:40 Uhr und die erste der beiden Sehenswürdigkeiten kreuzte ich bereits nach einer halben Stunde. Es handelte sich dabei auf meinem Wanderkilometer 2,2 um das Bothwell Castle. Walter de Moray, schottischer Lord vom Clan Murray, gab den Bau dieser Burg Mitte des 13. Jahrhunderts in Auftrag. Mit ihr sollte der Clyde und damit auch der Zugang in den Nordwesten Schottlands kontrolliert werden.

Die Ruine von Bothwell Castle

Allerdings war die Burg noch nicht fertiggestellt, als die schottischen Unabhängigkeitskriege (1296 – 1357) begannen. In diesen Kriegen gegen die englischen Okkupanten wechselte der Besitzer von Bothwell Castle mehrfach, was jedes Mal die Bausubstanz der unvollendeten Burganlage in Mitleidenschaft zog. In der frühen Neuzeit verfiel Bothwell Castle schließlich vollends. Seit 1935 sind die Überreste der Burg jedoch in staatlicher Obhut, was einerseits den Erhalt und andererseits den öffentlichen Zugang sicherstellt.

Ein Angler im Clyde

Da ich innerhalb der Mauern der Ruine nichts Besonderes erwartete, sparte ich mir die umgerechnet knapp 10 € (£ 8.50) Eintrittsgebühr allerdings. Stattdessen folgte ich weiter dem Lauf des Clyde und erreichte auf meinem Wanderkilometer 4,3 den Geburtsort des berühmten Afrikaforschers David Livingston (* 1813; † 1873). Jener Gebäudekomplex namens Shuttle Row am Ufer des Clyde, der ursprünglich eine Baumwollspinnerei war, würdigt heute als Museum das Lebenswerk Livingstons.

Das Geburtshaus von David Livingstone in Blantyre

Das würdigte ich wiederum mit £ 7.50 (ca. 8,70 €) für ein Ticket und machte mich gern etwas vertrauter mit der spannenden Biografie von David Livingston. So ist er nicht nur in einer der kleinen Arbeiterwohnungen über der Baumwollspinnerei geboren und aufgewachsen (die nun im Museum relativ originalgetreu zu besichtigen ist), sondern arbeitete ab seinem 10. Lebensjahr selbst in dieser Fabrik. Doch der von tief religiösen Eltern erzogene Livingston ging nach den vierzehn Stunden langen Arbeitstagen dennoch zur Abenschule und las täglich bis tief in die Nacht große Literatur. Mit Anfang 20 entschloss sich der abenteuerlustige und bildungshungrige junge Mann dazu Missionar werden, was ihm ein Studium der Theologie und Medizin in Glasgow ermöglichte.

Das David Livingston Museum

1840 unternahm Livingston schließlich im Dienste der London Missionary Society seine erste von vielen Afrikareisen. Dabei ging sein Interesse an diesem Kontinent schnell über die reine Missionstätigkeit hinaus. So ließ ihn sein Forscherdrang das ganze südliche Afrika durchqueren und als erster Europäer bekam er 1855 die mächtigen Victoriafälle zu Gesicht. Elf Jahre zuvor hatte er übrigens den Angriff eines Löwen überlebt und fast jedes Jahr musste er mit tropischen Krankheiten kämpfen. So war Livingston bereits mehrfach totgeglaubt, als er letztlich 1873 in Sambia an einer Ruhrinfektion starb. Sein Leichnam wurde nach England überführt und in der Westminster Abbey beigesetzt.

Dieses Denkmal im Museumsgarten greift Livingstons Kampf mit einem Löwen auf

Die abenteuerlichen letzten 33 Lebensjahre von Livingston werden im Museum ausführlich mit Karten, Zeichnungen und Artefakten von seinen Expeditionen dargestellt. Auch werden seine Ehefrau Mary Moffat, die 1862 an einer Maleriainfektion verstarb, sowie Livingstons Kampf gegen den Sklavenhandel ausführlich gewürdigt. Insgesamt brachte der Missionar und Forscher den Menschen Afrikas eine Wertschätzung entgegen, die bedauerlicherweise nicht viele seiner europäischen Zeitgenossen teilten.

Schottlands Nationalblume am Wegesrand

Nach meinem Museumsrundgang setzte ich meine Wanderung entlang des Clyde fort und erreichte auf Kilometer 7,2 km die Bothwell Bridge aus dem frühen 17. Jahrhundert. An jener denkmalgeschützten Bogenbrücke musste ich mich vom Fluss trennen und nach Hamilton abbiegen. In dieser 50.000-Einwohner-Stadt folgten nochmal knapp 2,5 km durch Wohn- und Gerwerbegebiete, ehe ich am Bahnhof Hamilton West meine heutige Wanderung beendete. Von Bahnhof zu Bahnhof waren es insgesamt 9,62 Kilometer (und 120 Höhenmeter) gewesen und die reine Wanderzeit betrug 2:24 h. Durch meinen zwischenzeitlichen Museumsbesuch war ich jedoch in Summe 3,5 Stunden unterwegs gewesen.

Die Bothwell Bridge (17. Jahrhundert)

Somit war es mittlerweile 14:10 Uhr und es blieben mir noch 50 Minuten, bis im lediglich einen Steinwurf vom Bahnhof entfernten New Douglas Park angepfiffen werden sollte. Also konnte noch einer der Supermärkte im Stadionumfeld für eine kalte Erfrischung aufgesucht werden, ehe es eine Viertelstunde vor Spielbeginn durch’s Drehkreuz ging. Dass jene Barriere meinem Druck nachgab, hatte mich übrigens £ 15 (ca. 17,50 €) gekostet.

Ground in Sicht

Die Ränge des insgesamt 6.018 Zuschauer fassenden New Douglas Park teilte ich mir die nächsten zwei Stunden mit knapp 2.000 weiteren Menschen, wovon mindestens die Hälfte zur Gastmannschaft hielt. Aber da Motherwell die Nachbarstadt von Hamilton ist und die Stadien der heutigen Kontrahenten gerade einmal sechs Kilometer auseinander liegen, verwunderte das natürlich nicht. Ich hätte eigentlich sogar mit noch mehr Anhängern des 1886 gegründeten Motherwell FC gerechnet.

Hatte früher also nicht nur Kaiserslautern OKI als Sponsor

Theoretisch war es sogar eher ein Heimspiel für Motherwell, als für Clyde. Denn der heutige Gastgeber wurde 1877 in Glasgow gegründet und war dort über 100 Jahre zuhause. Doch bereits 1935 musste man aus finanzieller Not die Heimstätte Shawfield Stadium an die Greyhound Racing Association (GRA) verkaufen. Die nächsten 51 Jahre existierten Hunderennsport und Fußball noch parallel im Shawfield Stadium. Allerdings setzte die GRA ihren Untermieter 1986 vor die Tür und die bis heute andauernden Wanderjahre des Clyde FC begannen.

Die Ultras von Motherwell im Away End

1986 bis 1991 kam es in Glasgow zunächst zum Groundsharing mit dem Erzrivalen Partick Thistle in dessen Firhill Stadium. Danach ging es erstmals nach Hamilton, wo man sich den alten Douglas Park drei Spielzeiten mit Hamilton Academical teilen durfte (1991 – 1994). Doch 1994 passierte in Hamilton das Gleiche wie im nahen Airdrie (Vgl. Loch Lomond 07/2025); ein altehrwürdiges Stadion musste einem Retail Park weichen. Kurioserweise kam es daher ab 1994 zu einem Groundsharing vom Clyde FC und dem Airdrieonians FC im Broadwood Stadium in Cumbernauld. Hamilton Academical kam hingegen vorerst bei Partick Thistle im Firhill Stadium unter, ehe 2001 der New Douglas Park in Hamilton bezugsfertig war.

Die den Heimfans vorbehaltene Haupttribüne

Der Clyde FC wurde derweil beinahe heimisch in Cumbernauld. Nichtsdestotrotz wurde 2022 ihr Mietvertrag nach 28 Jahren vom kommunalen Stadioneigentümer gekündigt. Es erfolgte die Rückkehr nach Hamilton, wo man sich fortan den New Douglas Park mit dem Platzhirsch Hamilton Academical teilen durfte. Doch Stadioneigentümer Colin McGowan, der pikanterweise bis 2023 selbst Chairman von Hamilton Academical war, setzte den dauerkriselnden Lokalmatador* diesen Sommer vor die Tür. Kurioserweise spielt das Team aus Hamilton die just angebrochene Saison 2025/26 nun im Broadwood Stadium in Cumbernauld.

The wee stand on the opposite side

Der übrigens seit 2004 einem Supporters‘ Trust gehörende Clyde FC will eigentlich auch nicht mehr in Hamilton bleiben. Aber die ersehnte Rückkehr nach Glasgow, mitsamt Stadionneubau in der alten Heimat, dauert wohl trotz immer konkreter werdender Planungen noch ein paar Jährchen. Da bleibt der New Douglas Park eine probate Übergangslösung für den dreifachen schottischen Pokalsieger (1939, 1955 & 1958).

Es gab heute sogar einen kleinen Pyro-Eklat**

Den schottischen Pokal hat der heutige Gast zwar einmal weniger gewonnen (1952 & 1991), aber dafür hat man im Gegensatz zum Clyde FC sogar schon einen Meistertitel gefeiert (1932) und einmal den League Cup gewonnen (1951). Doch entscheidend war heute auf dem Platz die sportliche Gegenwart und da war der Motherwell FC als aktueller Erstligist natürlich haushoher Favorit gegen den derzeitigen Viertligisten Clyde FC.

Is he the bully wee?

Ich rechnete deshalb mit einer klaren Angelegenheit, aber zumindest bei dieser Partie schien der Scottish League Cup seine eigenen Gesetze zu haben. So ging der Außenseiter in der 16. Minute dank eines Treffers von James Hilton in Führung. Zwar konnte Motherwell fünf Minuten später ausgleichen und kurz nach Wiederanpfiff (48.) das Spiel vorerst drehen (Doppelpack von Tawanda Maswanhise). Doch The Bully Wee*** zeigte sich unbeeindruckt und glich bald darauf durch ein Kopfballtor von Liam Scullion (53.) wieder aus.

Volleyball fand parallel auch im New Douglas Park statt

Das 2:2 ging über die Ziellinie und ich lernte nach 90 Minuten noch eine Besonderheit des Scottisch League Cups kennen. So ist nicht nur der Modus mit Gruppenphase und K.O.-Phase eher ungewöhnlich für einen derartigen Pokalwettbewerb (Vgl. Edinburgh 07/2025), sondern in der Gruppenphase gibt es obendrein kein klassisches Unentschieden. Bei Remis wetteifern die Teams nämlich noch um eine Bonuspunkt per Elfmeterschießen. In diesem unterlag Clyde mit 4:5, so dass The Bully Wee sich mit einem Punkt begnügen muss, während The Well immerhin zwei Punkte aus der Nachbarstadt mitnimmt.

Unerwartetes Elfmeterschießen

Wenige Minuten nach dem Elfmeterschießen fuhr ich per Zug nach Glasgow zurück und dort bestimmten Hunger und Durst den Kurs. Also ging es gegen 18:30 Uhr direkt am Bahnhof in den Pub Sir Thomas Moore, wo ich mich erstmal für einen erfrischenden Cider entschied. Faire £ 2.49 (ca. 2,90 €) verlangte dieser Wetherspoon’s für das gezapfte Pint Stowford Press.

Noch’n ehrliches Irn-Bru für’n Weg

Zum Essen wechselte allerdings noch den Wetherspoon‘s, da mich mir im The Counting House noch mehr „Stimmung & Drumherum“ erhoffte. Ich bestellte dort für zusammen £ 12.49 (ca. 14,50 €) ein Pint Innis & Gunn Lager und den Cheese Meltdown Burger mit Chips und Onion Rings. Natürlich keine kulinarische Offenbarung, aber immerhin ist Wetherspoon’s beim Hackfleischrundstück wieder von den frechen 3oz zu den gewohnten 6oz zurückgekehrt (Vgl. London 12/2024). Außerdem war allein schon die Atmosphäre das Geld wert. Hier wurde am Samstagabend mal wieder vorgeglüht, als gäbe es keinen Sonntagmorgen.

Der Cheese meltdown Burger

Ich beschloss ebenfalls noch ein bisschen um die Häuser zu ziehen und mir dabei noch ein paar Pubs von innen anschauen. Zunächst beehrte ich die Shilling Brewing Co. und aus der dortigen riesigen Auswahl wurde es das £ 6.75 (ca. 7,80 €) teure Paolozzi Lager der Edinburgh Beer Factory. Erinnerte meine Geschmacksknospen sehr an eine Bierexkursion nach München vor wenigen Wochen. Und siehe da, der Urheber schrieb auf seiner fix mir aufgesuchten Internetpräsenz selbst, dass Münchner Helles als Vorbild für diesen Sud diente.

Paolozzi Lager

Nächster Stopp sollte eigentlich The Pot Still werden. Aber dieser vor allem für seine enorme Whiskybandbreite bekannte Pub war mir zu überfüllt. Stattdessen ging es weiter zum The Drum & Monkey. Ein sehr schicker Pub in einem historischen Bankgebäude, wo heute obendrein Live Music geboten wurde. Außerdem gab es neben einem £ 6.30 (ca. 7,25 €) teuren Pint India Pale Ale der Williams Bros. Brewing Co. auch einen kleinen Tisch für mich. Ich genoss das Bier und die Musik, doch 23 Uhr war hier Feierabend.

Feierabend im The Drum & Monkey

Theoretisch hätte es nun noch ein paar Pubs gegeben, die bis Mitternacht oder gar darüberhinaus geöffnet gewesen wären. Aber auf dem Trottoir gab es mittlerweile auch viel zu erleben. Glasgow gehört wahrscheinkich zu den Top 10 in Großbritannien, was skurrile Szenen im nächtlichen Straßenbild angeht. Aber seht selbst:

Gegen Mitternacht meinte ich jedoch genug gesehen und erlebt zu haben und machte mich wieder auf ins Hotel. Es brach die letzte Nacht im Premier Inn Pacific Quays (***) an und es folgte Sonntagmorgen das für mich ultimative Frühstück in dieser Unterkunft. Denn leider stand ein erneuter Hotelwechsel an.

Ein letztes Frühstück im Premier Inn

Aber wenigstens in das Hotel, welches ich bei entsprechender Verfügbarkeit aufgrund der zentralen Lage am liebsten für die gesamten zwei Wochen gebucht hätte. Und immerhin für gleich sechs Nächte am Stück, was mich inklusive Frühstück 580 € kostete. Die Rede ist übrigens vom schnell mit dem Ibis Syles Glasgow Central (***) zu verwechselnden Ibis Styles Glasgow Centre (***) .

Die Police Box in der Buchanan Street

Nachdem ich im neuen Hotel morgens schon mal mein Gepäck losgeworden war, stand ein schöner Spaziergang durch Glasgow auf dem Programm. Über die Haupteinkaufstraßen Buchanan Street und Sauchiehall Street steuerte ich den Kelvingrove Park an. Auch heute sollten die Temperaturen wieder bis zu 30° C erreichen. Aber in den Parks und an den Wasserwegen Glasgows würde es sich hoffentlich aushalten lassen.

Unterwegs im Kelvingrove Park

Im Kelvingrove Park stieß ich auf den Fluss Kelvin und dessen Lauf wollte ich ein paar Kilometer nordwärts bis zum Stadtteil Maryhill folgen. Dieser wird aufgrund seiner Kanäle und der einst hier ansässigen Glasindustrie sehr euphemistisch als Venice of the North bezeichnet. Aber einen gewissen Charme kann man diesem alten Industriequartier nicht absprechen und außerdem sollte hier um 10:45 Uhr der Ball rollen.

Der Kelvin

Der lokale Maryhill FC hatte dieses Wochenende nämlich ein Saisonvorbereitungsturnier organisiert. Bei jenem North Glasgow Cup standen am heutigen Sonntag das kleine und das große Finale an und der Eintritt war sogar frei.

  • 13.07.2025
  • Glenvale AFC – St Anthony’s FC 4:1
  • Friendly
  • Lochburn Park (Att: 55)

Selbstredend ging es beim ersten Kick des Tages zwischen dem St Anthony’s FC und dem Glenvale AFC nur um Platz 3 und dieses Duell zweier Ligarivalen aus der Third Division der West of Scotland Football League (Level 9) hatte gerade einmal etwas über 50 Zuschauer angelockt. Die hatten aufgrund der Ligastufe kein großes Fußballfest zu erwarten, aber vielleicht wird’s ja wenigstens spannend.

Welcome to Lochburn Park

Letztlich konnte der 1902 gegründete St Anthony’s FC aus Glasgow allerdings nicht so richtig mit dem 65 Jahre jüngeren Glenvale FC aus Paisley mithalten. Glenvale erspielte sich bereits die Pausenführung (2:0) und auch der Anschlusstreffer kurz nach Wiederanpfiff leitete keine Wende ein. Stattdessen legte der The Vale in der Schlussphase nochmal zwei Dinger nach und gewann verdient mit 4:1.

Die Stehhalle im Lochburn Park

Ich fühlte mich trotz Sommerfußball von zwei Amateurteams ebenfalls als Gewinner. Denn der Lochburn Park war so oder so einen Besuch wert gewesen. Der ist bereits seit 1897 die Heimat des 13 Jahre zuvor gegründeten Maryhill Football Club und bietet auf allen vier Seiten etwas Ausbau. Insgesamt soll die Kapazität 1.800 Zuschauer betragen. Aber ich denke, dass hier zur Not auch das Doppelte an Menschen reinpasst.

Hintertorseite mit unüberdachter Sitzplatztribüne

Außerdem wurde hier im April 2017 Fußballgeschichte geschrieben. Maryhills Gavin Stokes erzielte im Heimspiel gegen Clydebank bereits 2,1 Sekunden nach Anpfiff das 1:0. Das bisher weltweit schnellste verbriefte Tor in einem Fußballspiel. Auf diesen Weltrekord hätte ich natürlich gerne mit einem Guinness angestoßen, aber bekanntermaßen ist der schottische Fußball seit 1981 alkoholfrei. Selbst im untersten Amateurbereich scheint es da keine Ausnahme zu geben.

Entlang am Forth and Clyde Canal

Das für 14 Uhr angesetzte Finale des North Glasgow Cups zwischen dem Maryhill FC und dem Ashfield FC stand anschließend nicht auf meiner Agenda. Stattdessen hatte ich es auf das nachmittägliche Endspiel eines weiteren Amateurturniers abgesehen und musste dafür einmal quer durch Glasgows Norden spazieren. Die Strecke folgte dabei zunächst gute drei Kilometer dem Forth and Clyde Canal und an dessen Ufer lag auf meiner Route das Firhill Stadium. Die Heimstätte des zwei Tage zuvor in Edinburgh vor meinen Augen reüssierenden Partick Thistle FC (siehe Edinburgh 07/2025) machte von außen Lust auf einen zukünftigen Spielbesuch.

Firhill Stadium

Auf den letzten 4,8 km zum zweiten Ground des Tages ging es dann durch Industriegebiete und Wohngegenden mit mutmaßlich niedrigem Mietspiegel. Ich hatte die Hoffnung mal irgendwo am Wegesrand für ein Mittagessen einkehren zu können, aber es gab praktisch keine gastronomischen Optionen. Wie gut, dass die meisten Supermärkte in diesem Land auch sonntags geöffnet haben. Somit musste ich nicht verhungern.

  • 13.07.2025
  • Bo’ness United FC – Pollok FC 3:1
  • Friendly
  • James McGrory Park (Att: 202)

Um 15:25 Uhr erreichte ich schließlich den angeblich bis zu 4.125 Zuschauer fassenden James McGrory Park, dessen Nachbarschaft The Garngad**** sicher nicht so schnell die Gentrifizierung droht. Hier ist der St Roch’s FC zuhause und der richtete dieses Wochenende den James McGrory Cup aus. Als Gastgeber hatte es am heutigen Vormittag allerdings nur zu Platz 3 gereicht (4:1 gegen Drumchapel United), während der Bo’ness United FC und der Pollok FC um 15:30 Uhr den Turniersieger ermitteln sollten.

Schottlands nachhaltigste Tribüne

Das taten die Teams vor rund 200 jeweils £ 5 (ca. 5,80 €) ärmeren Zuschauern in einer richtigen Ranzbude. Der James McGrory Park sah irgendwie aus, als hätten Schrottsammler ihn nach und nach aus Sperrmüll zusammengeschustert. Das hatte nicht wie in Maryhill den Charme einer altehrwürdigen, aber in die Jahre gekommenen Sportstätte, sondern war in meinen Augen einfach nur ein verhinderter Wertstoffhof mit einem Spielfeld in der Mitte.

Nochmal Schottlands nachhaltigste Tribüne

Na ja, irgendwie hatte das auch was. Zumal die irischstämmigen Vereinsmitglieder sich diese prinzipiell nachhaltige Sportanlage schön kitschig gestaltet haben. Ein Graffiti hier, ein Blumenbeet da und eine Marienstatue dort… Außerdem ’ne notdürftig zusammengenagelte Bretterbude als Fanshop. Es fehlten eigentlich nur noch ein paar ausrangierte Wohnwagen als Umkleidekabinen, dann wäre ich völlig begeistert gewesen.

Die Gegengerade

Namenspatron der Anlage und des besuchten Turniers ist mit James McGrory (* 1904; † 1982) übrigens der größte Fußballer, den der St Roch’s FC bisher hervorgebracht hat. Dazu war er einer der ersten, die dessen Trikot überhaupt getragen haben. Denn erst 1920 ging der St Roch’s FC aus der St Roch’s Boys Guild der gleichnamigen katholischen Kirchengemeinde hervor. Der damalige Pfarrer wollten den jungen Fußballern der Gemeinde mit der Vereinsgründung eine lokale Perspektive im Herrenbereich bieten.

James McGrory ihm sein Park

James McGrory stieß ein Jahr später als 17jähriger von der Boys Guild zur Herrenmannschaft und fiel den Scouts des benachbarten Celtic FC schon in seiner Debütsaison als treffsicherer Stürmer auf. Für das Flaggschiff der irischstämmigen Bevölkerung Glasgows sollte McGrory dann zwischen 1922 und 1937 in 501 Spielen auflaufen und dabei unglaubliche 522 Tore erzielen. Damit ist er bis heute Rekordtorschütze beim Celtic Football Club.

Bo’ness United (blau) und Pollok (rot) rangen um den ersten Titel der Saison

Beim Abtauchen in die lokale Fußballgeschichte – ich bin da natürlich mit wenigen Klicks noch weit über die Gründerjahre des St Roch’s FC und die Biografie von James McGrory hinausgekommen – ignorierte ich fast komplett das heute gebotene Fußballspiel. Aber ich glaube 96 % der Leser reicht an dieser Stelle die Info, dass der Bo’ness United FC aus der Lowland League (Level 5) gegen den eine Ligastufe tiefer spielenden Pollok FC mit 3:1 gewonnen hat. Herzlichen Glückwunsch zum Gewinn des James McGrory Cups.

Allein für ihren Ärmelprint hätte die Mannschaft des Pollok FC auch einen Pokal verdient gehabt

Nach dem Spiel wollte ich meinen Füßen nach heute bereits 14,8 km nicht auch noch die rund 5 km zum Hotel zumuten und stieg am Stadion für einen Fahrpreis in Höhe von £ 2.20 (ca. 2,60 €) in den erstbesten Bus gen Stadtzentrum. Kurz nach 18 Uhr war ich am Ziel und beschloss mich sogleich um das Abendessen zu kümmern.

Committee Room No 9

In Hotelnähe lachte mich der Committee Room No. 9 an, wo ich für zusammen £ 16.40 (ca. 19 €) ein Pint Camden Hells Lager und eine Portion Haggis mit Neeps & Tatties bekam. Das Bier und das Ambiente in dem früheren Salon der Glasgower Honoratioren waren super, aber das Essen schien ein Fertiggericht aus Mikrowelle zu sein. Ich habe auf jeden Fall schon deutlich besseres Haggis gegessen.

Haggis with Neeps and Tatties

Also spazierte ich nur halb zufrieden ins wenige Meter entfernte Ibis Styles. Dort ging es in einem schicken Zimmer zeitnah zu Bette. Letzte Amtshandlung vor der Nachtruhe war lediglich noch den morgigen Verzicht auf Room Service an der Zimmertür zu postulieren. Denn im Sinne der Zukunft dieses Planeten gab es pro Tag ohne diese Dienstleistung ein Freigetränk an der Hotelbar.

Kleiner Willkommensgruß des Hotels

Ihr könnt euch sicher denken, dass ein umweltbewusster Mensch wie ich nun fast jeden Abend ein Freibier vom Ibis Styles spendiert bekam. Nachträglich prostete ich damit Gavin Stokes und James McGrory für ihre jeweiligen Rekordleistungen zu.

Song of the Tour: Diesen Song spielt die Stadionregie beim Clyde FC gerne

*Der 1874 gegründete Hamilton Academical FC war die letzten Jahre ein Club, der aus der Scheisse nicht mehr rauskommt, sondern im Zweifelsfall sogar in den nächstgrößeren Haufen tritt. So ergaunerten Trickbetrüger am Telefon (!) beim seinerzeit noch erstklassigen Club im Jahre 2017 umgerechnet über eine Million Euro. Die daraus resultierenden Etatprobleme wirkten langfristig nach. 2021 folgte der Abstieg in die 2. Liga, 2023 ging es noch eine Etage tiefer. Zwar glückte der direkte Wiederaufstieg, aber die Kassen waren trotzdem leer und die Spieler streikten wegen ausstehender Gehaltszahlungen. Aufgrund von Lizenzverstößen wurden dem Club in der Saison 2024/25 außerdem 15 Punkte abgezogen. Das besiegelte leider einen erneuten Abstieg in die 3. Liga und den erwähnten Rauswurf aus dem New Douglas Park, wo angeblich erhebliche Mietrückstände aufgelaufen waren. Dafür läuft es zur Zeit wenigstens beim Frauenfußballableger Hamilton Academical WFC. Denn der rechtlich eigenständige Women Football Club ist diesen Sommer in die erstklassige Scottish Women’s Premier League aufgestiegen und konnte sich außerdem mit McGowan auf einen neuen Mietvertrag im New Douglas Park einigen. Aber anstatt sich für die Frauen zu freuen, entzog der männliche Mutterverein den Fußballerinnen die Nutzungsrechte für den Namen und das Emblem. Weil die vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Hamilton Academical FC und dem Hamilton Academical WFC allerdings nicht einfach einseitig aufkündbar waren, lief dieser peinliche Move vorerst ins Leere. Dafür die nächste Delle im bereits mächtig ramponierten Ruf.

**Mit dem Spruchband „Thanks for the memories Park“ und einer symbolischen Fackel wollte man sich heute mit einem Augenzwinkern vom scheidenden Sicherheitsbeauftragten Bob Park verabscheiden. Der frühere Polizist lag als Sicherheitsbeauftragter des Motherwell FC wegen u. a. Pyrotechnik im Dauerclinch mit der Ultraszene. Allerdings griff der Ordnungsdienst sofort ein und beim Handgemenge um die verbotene Fackel musste auch das Spruchband dran glauben.

***The Bully Wee lässt sich schwer übersetzen und die Herkunft des Spitznamens ist auch nicht ganz klar. Wee ist im schottischen Englisch das Wort für klein, während ein Bully eigentlich jemand ist, der seine Mitmenschen tyrannisiert. Da die Anhängerschaft sich früher größtenteils aus Hafenarbeitern zusammensetzte, könnte Bully Wee sowas wie die kleinen Rüpel bedeutet haben. Der Club tendiert jedoch dazu dem Wort Bully eine andere Bedeutung zuzuschreiben. So war es früher auch ein Synonym für Excellenz und weil man als kleinerer Club dereinst den Großen aus Glasgow gut Paroli bot, sprach man seinerzeit angeblich anerkennend von The Bully Wee. Sozusagen war der Clyde FC der großartige Kleine.

****The Garngad ist unter der irischstämmigen Bevölkerung der immer noch geläufige Name für das Stadtviertel Royston im Nordosten von Glasgow. Es war im 19. Jahrhundert von großen Fabriken und ärmlichen Mietskasernen geprägt. Die überwältigende Mehrheit der Bewohner stammte aus Irland und in den 1920er und 1930er Jahren war der Ruf von Garngad aufgrund von Armut und Kriminalität so hoffnungslos schlecht, dass die Stadtverwaltung das Viertel 1942 in Royston umbenannte. Als würde sich dadurch irgend ein Problem lösen lassen.