Chepstow, Cardiff & Chorley 07/2025

  • 05.07.2025
  • Chorley FC – Wigan Athletic FC 1:2
  • Friendly
  • Victoria Park (Att: 2.243)

Als die Gebrüder Gallagher offenbar ihre persönlichen Differenzen zugunsten ihrer jeweiligen Saldi überwanden und im Sommer 2024 die überraschende Reunion von Oasis die Nachrichten beherrschte, gehörte ich definitiv zur Zielgruppe für die angekündigte Tournee im Folgejahr. Bin ich doch einer von denen, zu deren Adoleszenz jene Band einen wichtigen Teil des Soundtracks beigesteuert hat. Da kamen sofort nostalgische Gefühle auf und die Lust die Jungs nochmal live zu sehen war groß. Allerdings war ich nur einer unter Millionen von Interessierten und der am 31. August 2024 startende Ticketverkauf glich wenig überraschend einer Lotterie.

Was hat dieser Hut zu bedeuten? Ein Hut, ein Mysterium…

Doch nach rund zehn Stunden im Waiting Room und in der Queue der Plattform Ticketmaster hatte ich plötzlich einen nicht mehr für möglich gehaltenen Glücksmoment. Am späten Nachmittag wanderte tatsächlich noch eines der wirklich allerletzten Tickets – mutmaßlich ein Rückläufer – für das Auftaktkonzert in Cardiff in meinen Warenkorb und überraschenderweise blieb ich sogar vom heute bei vielen Fans für Frust sorgenden Dynamic Pricing verschont. Inklusive aller anfallenden Gebühren belastete Ticketmaster meine Kreditkarte lediglich mit £ 75.75 (ca. 90 €), wohingegen andere über plötzlich an die hohe Nachfrage angepasste Ticketpreise klagten.

Erster Stopp Amsterdam

Bei der Hotelsuche kam allerdings niemand um die Auswirkungen von Dynamic Pricing herum. Unter 1.000 € für zwei Übernachtungen ging am Konzertwochenende in Cardiff und Umgebung praktisch nichts. Erst nach langem Suchen fand ich eine bezahlbare Unterkunft im 50 km von Cardiff entfernten Chepstow und für die Anreise ins Vereinigte Königreich entpuppte sich endlich mal der Schienenverkehr als preislich erschwingliche Option. So ging es am 3. Juli 2025 zunächst um 6:46 Uhr von Hannover per InterCity nach Amsterdam (26,84 €) und von dort um 13:40 Uhr per Eurostar weiter nach London (58 €).

Erstmals mit dem Eurostar unterwegs

Nach meiner ersten Ärmelkanalunterquerung erreichte der Zug seinen Endbahnhof St Pancras um 16:57 Uhr Ortszeit und mir blieb noch ein üppiges Zeitfenster bis zur Weiterreise nach Chepstow. Perfekt für die erste und einzige richtige Mahlzeit des Tages, die sogleich direkt am Bahnhof im dortigen Wetherspoon’s namens The Barrel Vault eingenommen wurde. Weil an Donnerstagen immer der so genannte Curry Club bei dieser Pubkette ist, wurde es Beef Madras nebst den üblichen Beilagen und einem Pint Guinness zum Sparpreis von zusammen £ 12.29 (ca. 14,30 €).

Beef Madras

Nachdem der Magen nicht mehr knurrte, musste ich innerhalb Londons zum rund 5 km entfernten Bahnhof Victoria wechseln. Per Underground war der Transfer für £ 2.90 (ca. 3,40 €) aber schnell gemeistert. Da die Zugpreise von London nach Chepstow heute leider umgerechnet 96 € betragen sollten, ging es von Victoria allerdings nicht auf der Schiene, sondern auf dem Asphalt weiter. 20 Uhr war Abfahrt des £ 13.30 (ca. 15,50 €) teuren Coaches von National Express. Dessen erster Stopp auf seiner Reise von London nach Swansea hieß um 22:40 Uhr Chepstow, wo ich wenig später vor’m für zwei Nächte inklusive Frühstück 140 € teuren Castle View Hotel stand. Der mir vorab übermittelte Türcode funktionierte und der Schlüssel für mein Zimmer lag an der zu dieser späten Stunde unbesetzten Rezeption bereit.

Chepstow Castle by night

Bei meiner Unterkunft handelte es sich übrigens um ein Bauwerk von 1648 und entsprechend knarzte überall der Fußboden. Auch drohte man sich ständig den Kopf an irgendwelchen Balken zu stoßen, aber ansonsten war alles gut, bzw. dem Preis angemessen. Ich schlief daher auch problemlos bis 8 Uhr morgens durch und widmete mich dann gern dem üppigen Frühstück im gemütlichen Gastraum.

Mein Hotel

Direkt nach der Einnahme meines Full Breakfast öffnete um 9:30 Uhr das mächtige Bauwerk auf der anderen Straßenseite, dessen Besichtigung sich somit natürlich aufdrängte. Als erster Besucher an diesem Morgen entrichtete ich die verlangten £ 10.50 (ca. 12,50 €) und durfte mich anschließend noch eine ganze Weile alleine durch das Chepstow Castle bewegen.

Inside Chepstow Castle

Dabei lernte ich natürlich auch einiges über die Geschichte des Bauwerks und die Stadt jenseits der Burgmauern. Hier am Zusammenfluss von Severn und Wye verlief bereits im 8. Jahrhundert die befestigte Grenze zwischen den damals keltischen Fürstentümern des heutigen Wales und dem seinerzeit noch angelsächsischen England. Das Chepstow Castle wurde aber erst ab 1067 erbaut, als just ein Jahr zuvor die Normannen das Zepter in England übernommen hatten. Die wollten sogleich weiter nach Wales expandieren und diese Burg war ein idealer Brückenkopf für dieses Unterfangen.

Blick auf die 1816 errichtete Old Wye Bridge

Allerdings leisteten die Waliser noch paar Jahrhunderte Widerstand und wagten immer wieder Aufstände. Doch nach der Niederschlagung der letzten großen walisischen Rebellion im frühen 15. Jahrhundert war die Herrschaft der englischen Krone über das Nachbarland endgültig zementiert und Chepstow Castle verlor seine militärische Funktion. Dafür war die mittlerweile von einer stattlichen Mauer umfasste Stadt zu einem wichtigen Markt der Region aufgestiegen. Nicht von ungefähr leitet sich der Name Chepstow vom altenglischen Begriff Céap stowe ab, welchen man modern mit Handelsplatz übersetzen könnte.

St Mary’s Priory

Nachdem ich für das Titelbild dieses Berichts nochmal kurz drüben in England war, schaute ich mir das altehrwürdige Marktstädtchen natürlich auch gerne etwas genauer an. Einen Blick wert war u. a. die St Mary’s Priory, die wie die Burg im 11. Jahrhundert von den Normannen erbaut wurde und die älteste romanische Kirche auf walisischem Boden ist. Die bereits erwähnte Stadtmauer aus den 13. Jahrhundert ist ebenfalls gut erhalten, wenngleich von den Stadttoren nur noch das Town Gate übrig geblieben ist.

Das Town Gate

Am frühen Nachmittag hatte ich erstmal genug von der charmanten Kleinstadt (ca. 12.000 Einwohner) gesehen und machte mich nochmal kurz im Hotel frisch. Anschließend ging es gegen 14 Uhr fix für ein Mittagessen in den örtlichen Wetherspoon’s. In jenem Pub namens The Bell Hanger ließ ich mir einen Steak & Ale Pie mit Kartoffelpüree, Erbsenpüree und einem Pint Poretti servieren. Kostete zusammen £ 6.98 (ca. 8,20 €).

Mein Mittagessen

Nach dem Essen bestieg ich um 14:53 Uhr einen Zug nach Cardiff, der mittags in Nottingham gestartet war und wenig überraschend einem Oasis-Sonderzug glich. Seinen Ziel- und Endbahnhof erreichte der Zug planmäßig um 15:25 Uhr und wie zu erwarten war, hatten die Menschen mit Bandshirts und Bucket Hats die walisische Hauptstadt (ca. 372.000 Einwohner) fest in ihrem Griff. Zahlreiche Pubs ließen wegen Überfüllung schon niemanden mehr rein und aus jedem Lokal schallten die Hits der heutigen Comebacker auf’s Trottoir. Dabei war die Mitsingquote der Gäste hoch und möglicherweise stieg nach dem Abspielen von „Supersonic“ jedes Mal der Gin-Tonic-Umsatz an.

Cardiff glich einer großen Oasis-Fanmeile

Auf mein Geld brauchten die Wirte jedoch nicht hoffen. Denn alleine unterwegs, trinke ich Alkohol bekanntlich nur in gesundheitlich unbedenklichen Mengen. Dementsprechend verbrachte ich die nächsten Stunden nicht mit der Suche nach einem freien Pubplätzchen, sondern flanierte etwas durch mein geliebtes Cardiff. Aber für touristische Tipps verweise ich an dieser Stelle dennoch auf meine leicht unter dem Menüpunkt Touren zu findenden älteren Berichte aus Cardiff. Ganz soviel hat sich zum Glück nämlich nicht verändert.

Cardiff Castle

Außerdem reizte der offizielle Merchandise Store der Band, der temporär in eine Ladenzeile des St David’s Shopping Centre eingezogen war. So ein, zwei Stücke aus der exklusiven Tourkollektion von Adidas wollte ich mir wenigstens mal live anschauen und nahm dafür eine lange Warteschlange in Kauf. Es folgte meinerseits allerdings ein langes Gesicht, da der Kram mit den drei Streifen bereits aus den Regalen verschwunden war. Und für profane Bandshirts wollte ich keine £ 35 (ca. 40 €) im Shop lassen.

Oasis Fanshop

Stattdessen bekam alsbald ein Straßenhändler £ 10 (ca. 11,60 €) für einen mutmaßlich unlizensierten Bucket Hat von mir und anschließend ging es gegen 17:30 Uhr zu einem der best gelegenen Stadien der Welt. Denn das 1999 eröffnete Millennium Stadium, welches zugleich das Rugby-Nationalstadion von Wales ist, steht mitten im Stadtzentrum. Somit sind der Hauptbahnhof und unzählige gastronomische Angebote nur einen Steinwurf entfernt. Ergo verwandelt sich die kompakte Innenstadt von Cardiff bei Länderspielen der Welsh Rugby Union oder eben großen Musikveranstaltungen in eine riesige Fanmeile. Atmosphärisch ein absoluter Mehrwert.

Dieses aus über 3.000 Bucket Hats geschaffene Kunstwerk von Nathan Wyburn war ebenfalls im St David’s Shopping Centre zu finden

Aufgrund der kurzen Wege musste auch niemand allzu früh aus den umliegenden Pubs aufbrechen. Und bei Stadionbierpreisen von £ 8.20 (ca. 9,60 €) pro Pint war längeres Verweilen bei beispielsweise Brewdog, Tiny Rebel oder im Prince of Wales für durstige Kehlen definitiv empfehlenswert. Im Umkehrschluss kam ich um 17:45 Uhr ohne wirkliche Wartezeit ins Stadion und die Schlangen an den Ständen mit Merch waren ebenfalls überschaubar. Zumindest eines der Track Tops der Kollaboration von Adidas und Oasis gab es noch in meiner Größe und £ 85 (ca. 100 €) war mir dieses kleidsame Erinnerungsstück nach kurzer Bedenkzeit schließlich doch wert.

Kein offizielles Bandmerchandise

Kaum saß ich mit meiner Einkaufstüte auf den buchstäblich billigsten Plätzen dieser Veranstaltung, wurde sie auch schon musikalisch eröffnet. Denn Punkt 18 Uhr kam mit Cast der erste Act des Abends auf die Bühne und begrüßte die ca. 15.000 Early Birds auf „Rasen“ und Rängen. Die arrivierten Britpopper spielten anschließend ein halbstündiges Set aus ihren größten Hits und fanden dafür durchaus dankbares Publikum.

Cast eröffnet den großen Cardiffer Liederabend

Es folgte eine kurze Pause, in der sich das Millennium Stadium nochmal deutlich füllte. Als mit Richard Ashcroft um 19 Uhr der zweite Einheizer des Abends auf die Bühne trat, dürften bereits gut 40.000 Musikfreunde seinen Songs gelauscht haben. Der einstige Frontmann von The Verve sorgte nun mit Hits wie „Sonnet“, „The Drugs Don’t Work“ und „Lucky Man“ für viele zufriedene Gesichter. Wie zu erwarten war, hatte er sich außerdem für den Ausklang seines 45minütigen Auftritts den Welthit „Bitter Sweet Symphony“ aufgespart und brachte mit diesem Song die Menge erstmals an diesem Abend so richtig zum Kochen.

Richard Ashcroft übernimmt

Zwischen 19:45 Uhr und 20:15 Uhr wurde nochmal ein bisschen am Bühnenbild rumgedoktert, ehe zur Prime Time das altbekannte Instrumental „Fucking in the Bushes“ vom Band ertönte. Dazu eine flimmerte auf den Leinwänden der Bühne eine Videocollage aus unzähligen Headlines und Tweets über die Gruppe und deren zwei Prota- und oft auch Antagonisten. Alles wurde aber vom Jubel der mittlerweile über 73.000 Konzertbesucher überlagert, als die aktuelle Besetzung der wahrscheinlich herausragendsten Band des letzten Jahrzehnts des vorigen Jahrhunderts die Bühne betrat. Und als wollte Oasis unbedingt meine hochlobende Zuschreibung untermauern, bekam die Audienz zu 96 % nur Songs aus eben jenen 1990er Jahren serviert. So als hätte die Bandgeschichte nicht 2009, sondern bereits 1999 ihr vorläufiges Ende gefunden.

Heads and Headlines…

Los ging es mit „Hello“, was gemäß Titulierung sowieso schon ein angemessener Opener ist. Aber insbesondere die Zeile „It’s good to be back, it’s good to be back“ hatte natürlich noch eine vortreffliche Metaebene. Will man die perfekte Songzeile für diesen Abend finden, passt aber vielleicht auch „Because we need each other, we believe in one another“ aus dem zweiten gespielten Titel „Acquiesce“ ganz gut. Danach ging es mit „Morning Glory“, „Some Might Say“, „Bring It on Down“, „Cigarettes & Alcohol“, „Fade Away“, „Supersonic“ und „Roll With It“ weiter. Alles Songs von den ersten beiden Alben Definitely Maybe (1994) und (What’s the Story) Morning Glory? (1995), respektive B-Seiten von Singleauskoppelungen aus dieser Zeit. Alles so überzeugend gut vorgetragen, dass eigentlich nur die Falten und die Frisuren der Musiker einen Hinweis auf eine 16jährige Zeitspanne seit dem letzten Auftritt gaben.

Die Band, auf die wir alle gewartet haben

Sekundiert wurden die seit jeher den Rest der Band überstrahlenden Gebrüder Gallagher übrigens von Gründungsmitglied Paul „Bonehead“ Arthurs (Rhythmusgitarre) und den beiden 1999 zur Band gestoßenen Musikern Gem Archer (Rhythmus- und Leadgitarre) und Andy Bell (Bass). Am Schlagzeug war hingegen mit Joey Waronker ein ganz neues Gesicht zu sehen. Aber Oasis und die Drummer ist sowieso ein sehr spezielles Kapitel, so dass Waronker später bei der Vorstellungsrunde von Noel etwas übertrieben als der bereits vierzehnte Drummer der Band bezeichnet wurde.

Über 73.000 Besucher bekamen einen unvergesslichen Abend beschert

Jener Noel hatte hatte nach den Bangern der ersten halben Stunde übrigens erst einmal die Hauptrolle bei einem Intermezzo aus etwas sanfteren Klängen. Während sich sein jüngerer Bruder Liam kurz zurücknahm, sang er „Talk Tonight“, „Half the World Away“ und „Little By Little“. Letzteres übrigens das einzige Stück aus diesem Jahrhundert am heutigen Abend. Aber ich glaube die überwältigende Mehrheit der Anwesenden hat sich das genauso erhofft. All die 40 bis 50jährigen waren schließlich hier, um ihre Jugendjahre nochmal nostalgisch aufleben zu lassen. Und die durchaus ebenfalls zahlreich vertretenen jüngeren Jahrgänge werden die Band auch eher nicht über die Alben Don’t Believe the Truth (2005) oder Dig Out Your Soul (2008) für sich entdeckt haben.

Anders als die Fans, verzichtete die Band weitgehend auf Pyrotechnik

Also ging es mit Liam an der Front sofort wieder zurück in die 1990er. „D’You Know What I Mean?“ und „Stand by Me“ aus dem Album Be Here Now (1997) hießen die nächsten zwei Songs. Es folgten die noch etwas älteren Stücke „Cast No Shadow“, „Slide Away“ und „Whatever“, ehe man mit „Live Forever“ noch für einen besonderen Gänsehautmoment sorgte. Denn als der Song ausklang, wurde Diogo Jota auf den Leinwänden eingeblendet. Der 28jährige portugiesische Profifußballer in Diensten des Liverpool FC war am Vortag zusammen mit seinem drei Jahre jüngeren Bruder tödlich verunglückt.

Aber wer es musikalisch immer noch drauf hat, muss natürlich nicht mit übertriebenen Showelemente vom schwindenden Können ablenken

Anschließend wurde „Rock ’n‘ Roll Star“ vom Debütalbum Definitely Maybe als letzter Song des Abends angekündigt. Aber wir wissen ja alle, dass da noch was fehlt und dementsprechend war die Band nach ihrer vermeintlichen Verabschiedung schnell wieder auf der Bühne. Die Zugabe wurde von „The Masterplan“ eingeleitet, ehe mit „Don’t Look Back in Anger“ und „Wonderwall“ die zwei Songs folgten, die wirklich mindestens die halbe Menschheit kennt. Das gesamte Publikum sang natürlich inbrünstig mit und durfte sich außer ein paar warmen Worten der Band ganz zum Abschluss noch „Champagne Supernova“ anhören. Ein schönes Finale für einen wirklich unvergesslichen Abend.

Zwischendurch gab es auch mal ein paar Sprüche von Noel oder Liam, z. B. zum Dynamic Pricing

Applaus spendete ich aber dennoch nur kurz, da ich gerne den erstbesten und zugleich vorletzten Zug nach Chepstow um 22:55 Uhr bekommen wollte. Denn die Schlangen vor’m Bahnhof, wo jeder Zug seine eigene Lane hatte, waren so lang wie befürchtet und ein Platz weit hinten hätte mich noch eine Stunde länger zum Rumstehen gezwungen. So passte jedoch alles und der für Hin- und Rückfahrt übrigens £ 15.50 (ca. 19 €) Bahntransfer ließ mich exakt 23:30 Uhr in Chepstow ankommen, wo ich schließlich kurz vor Mitternacht mehr als zufrieden im Bett lag.

Bei der Zugabe hatte ich mich bereits taktisch umpositioniert

Am Samstagmorgen stand nach dem Frühstück meine Ab- bzw. Weiterreise an. Ich hatte im Vorfeld lange überlegt, ob ich nach dem Konzert gleich noch zwei Wochen auf der Insel bleibe oder direkt wieder abreise und meine Ferien lieber irgendwo auf dem europäischen Festland verbringe. Aus Bequemlichkeit wurde es letztlich aber doch der dritte UK-Sommerurlaub in Serie. Nur durften es der Abwechslung halber gerne andere Regionen als 2023 und 2024 werden und da drängte sich das schon länger nicht mehr bereiste Schottland auf.

Frühstück im Castle View Hotel

Mein heutiges Ziel im Land der Disteln und Dudelsäcke hieß Glasgow. Doch weil ich nicht den ganzen Samstag im Zug sitzen wollte, baute ich mir unterwegs noch einen Zwischenstopp mit Fußballspiel ein. So ging es um 9:16 Uhr erstmal nur für £ 48 (ca. 53 €) von Chepstow via Birmingham nach Preston. Dieses Zwischenziel erreichte ich nach gut 4,5 Stunden und ließ am Bahnhof meine beiden Gepäckstücke für zusammen £ 10 (ca. 11,80 €) bis zum Abend verwahren. Mit leichten Schultern ging es anschließend um 14:10 Uhr für weitere £ 3.85 (ca. 4,50 €) per Nahverkehrszug in die Nachbarstadt Chorley, wo um 15 Uhr der heimische Chorley FC den Wigan Athletic FC zum Saisonvorbereitungsspiel empfangen sollte.

Umstieg in Birmingham, wo heute auch ein großer Gig steigen sollte

In Chorley (ca. 36.000 Einwohner) kam ich 40 Minuten vor Spielbeginn an und sah auf dem Weg zum dortigen Fußballstadion en passant noch ein bisschen was von der Innenstadt. Dem ersten Eindruck nach nicht die übelste Kleinstadt in Nordengland, aber touristisch dennoch eher keine Rede wert. Somit bereute ich nicht, dass ich ausschließlich einen kurzen Aufenthalt für ein relativ belangloses, aber meines Erachtens doch halbwegs besuchenswertes Fußballspiel eingeplant hatte.

Streifzug durch Chorley

Wie ich ausgerechnet auf diesen Kick gekommen bin? Zunächst einmal gab es geographische Gründe. Denn hätte ich irgendwo in Wales oder den Midlands noch ein Spiel geschaut, wäre ich entweder gar nicht oder erst nach Mitternacht in Glasgow angekommen. Nach Glasgow oder auch sonst überall in Schottland hätte ich es wiederum nicht rechtzeitig für nachmittägliche Anstoßzeiten geschafft. Selbst wenn ich gleich morgens ab Chepstow durchgefahren wäre. Also musste es zwangsläufig eine Ansetzung in Nordwestengland sein.

Die Haupttribüne des 1920 eröffneten Victoria Park

Außerdem sollte es nicht der totale Hafer auf Kunstrasen ohne Ausbau werden. Daher waren meine weiteren Anforderungen a proper football ground und at least one professional football club. Letzteres erfüllte die in der drittklassigen League One reüssierende Gastmannschaft, während der sechstklassige Chorley FC mit dem 1920 eröffneten Victoria Park zugleich eine charmante Spielstätte für den freundschaftlichen Vergleich stellte. Ganz nebenbei gelten die Clubs laut Wikipedia auch noch als alte Rivalen*.

Stehhalle der Heimfans

Der bereits 1883 gegründete Gastgeber durfte sich heute nicht nur über die Einnahmen von 2.243 verkauften Tickets freuen, sondern bot dem Profiteam aus dem gerade mal 15 km entfernten Wigan auch überraschend gut Paroli. Der Lohn der couragierten Leistung war die Pausenführung durch Tom Carr (35.), was immerhin rund die Hälfte des Publikums bejubelte. Der Rest hielt hingegen zum englischen Pokalsieger von 2013 und hoffte auf den Turnaround im zweiten Durchgang.

Auf der anderen Hintertorseite ist i. d. R. das Away End

Ich nutzte die Pause für ein £ 4 (ca. 4,70 €) teures Pint Wainright Gold in der abgetrennten Drinking Area der Sportanlage. Anschließend sah ich eine auf allen elf Positionen personell veränderte Gastmannschaft, die jedoch weiterhin Abschlusspech hatte. Erlebe ich etwa gleich bei meinem ersten Spielbesuch der Spielzeit 2025/26 die erste kleine Sensation? Es wäre übrigens nicht das erste Mal in jüngerer Vergangenheit, dass das kleine Chorley über das etwas größere Wigan triumphiert. 2020 kegelte man die Profis aus der Nachbarschaft nämlich mit 3:2 in der 1. Runde aus dem FA Cup.

Das erste „Fußballbier“ der Saison 2025/26

Allerdings hatten die aufgrund ihrer schwarz-weißen Vereinsfarben Magpies (Elstern) gerufenen Hausherren heute leider einen Unglücksraben in ihren Reihen. Der hieß Ollie Green und kam in der 75. Minute für den bisher überragenden Torhüter Kier Barry auf’s Feld. Kaum zwischen den Pfosten, durfte Green gleich zweimal hinter sich greifen. Beide Male überwunden von Wigans Sturmneuzugang Dara Costelloe (77. / 78.). Aber zur Ehrenrettung des Tormanns muss man sagen, dass die Treffer jeweils gut herausgespielt waren und bei Chorleys Feldspielern in der Schlussviertelstunde einfach die Kräfte nachgelassen hatten.

Die Gegengerade verfügt über den wenigsten Ausbau

Deshalb netzte Costelloe kurz vor Schluss sogar noch ein drittes Mal. Doch eine Abseitsposition verhagelte dem Iren den Hattrick. Nichtsdestotrotz ein versöhnliches Ende für den Drittligisten, der nun nach diesem ersten Test mit ersten Erkenntnissen ins Trainingslager fliegen wird und spätestens in vier Wochen zum Auftakt der League One wieder voll im Saft stehen muss.

Wigans bisher einziger großer Titel

Für abermals £ 3.85 ging es meinerseits kurz nach Spielende wieder zurück nach Preston und dort musste das einstündige Zeitfenster bis zur Weiterfahrt unbedingt für ein Abendessen genutzt werden. Ich entschied mich in Bahnhofsnähe für Ohannes Burger, wo ich mir den Big Stack bestellte. Der kam im Laugenbrötchen mit u. a. zwei Patties, Käse und karamellisierten Zwiebeln daher. Kostete im Menü mit Softdrink, Fritten und Dip £ 13.80 (ca. 16 €), war sein Geld aber nur bedingt wert. Das Herzstück dieser Speise war nämlich leider industrielles Tiefkühlfleisch der mutmaßlich billigsten Kategorie. Ziemlich geschmacksneutral und in seiner Konsistenz beinahe gummiartig.

Mein Abendessen

Nach dem enttäuschenden Essen ging es um 18:41 Uhr für £ 18 (ca. 21 €) von Preston nach Glasgow, wo ich um kurz nach 21 Uhr eintraf. Vom Bahnhof Glasgow Central musste ich nun nochmal gute fünf Minuten zum 500 m entfernten Ibis Styles Glasgow Central (***) spazieren, in welches ich mich für die nächsten drei Nächte eingebucht hatte (350 € Gesamtpreis, inklusive Frühstück). Was ich in Schottland so erlebt habe, könnt ihr dann aber in den folgenden Berichten lesen.

Song of The Tour: Because they need each other…

*Der für englische Verhältnisse recht junge Wigan Athletic FC (gegründet 1932) mischt erst seit 1978 im Profifußball mit. Davor lief man im gehobenen Amateurfußball dauernd dem Nachbarn Chorley FC über den Weg, so dass sich eine große Rivalität entwickelte. Wettbewerbsübergreifend traf man bisher 67 Mal aufeinander. Davon konnte Wigan 34 Spiele gewinnen, während Chorley den Platz nur bei 22 Duellen als Sieger verließ.