- 16.03.2025
- Bologna FC – SS Lazio 5:0
- Serie A (I)
- Stadio Renato Dall’Ara (Att: 30.846)
Am Sonntagmorgen stieg ich bereits um 7 Uhr aus den Federn. Nach einem Duschbad ging es noch fix an den Frühstückstisch des B&B Hotel Como City Center (***) und dann sollte es um 8:20 Uhr auf dem Schienenweg weiter ins ca. 260 km entfernte Bologna gehen. Jene Bahnfahrt in die Hauptstadt der Region Emilia-Romagna schlug mit 28,10 € zu Buche und dauerte keine drei Stunden.

Am von ca. 390.000 Menschen bewohnten Zielort suchte ich natürlich als erstes meine Unterkunft auf. Ich hatte mich für die kommende Nacht im Grand Hotel Elite (****) einquartiert. Das zwei Kilometer vom Hauptbahnhof entfernte Hotel ist zwar ein bisschen in die Jahre gekommen, kostete mit Frühstück allerdings auch nur 65 €. In Anbetracht dessen, dass ich ansonsten nur Mittelklassehotels für um die 100 € erspäht hatte, war das auf jeden Fall kein schlechter Deal.

Nachdem ich nun zumindest schon mal mein Gepäck los war, startete ich gegen 12 Uhr einen ersten Streifzug durch das historische Zentrum. Zwar wollte ich erst am Folgetag touristisch so richtig aktiv werden. Aber heute schien erstmals auf dieser Reise die Sonne und ich hatte noch ganze drei Stunden bis in Bologna der Ball rollen sollte.

Logisches Ziel war die ebenfalls rund zwei Kilometer von meinem Hotel entfernte Piazza Maggiore (siehe auch Titelbild). Auf jenem berühmten Hauptplatz und in den umliegenden Gassen genoss ich nun das historische und anmutige Flair der bereits vor etwa 2.600 Jahren von den Etruskern gegründeten und 189 v. Chr. von den Römern eroberten Stadt. Blicke hinter die Fassaden der bedeutendsten Bauwerke hob ich mir allerdings wie geplant für den nächsten Vormittag auf.

Nichtsdestotrotz verlor ich mich ein wenig in der Altstadt und beim nächsten Blick auf die Uhr war der Anpfiff beim Bologna FC nur noch 70 Minuten entfernt. Da allein für den Weg zum Stadion noch mindestens 30 Minuten eingeplant werden mussten, war der Tagesordnungspunkt Mittagessen plötzlich etwas in Gefahr geraten. Ich beschloss also schon einmal die richtige Richtung einzuschlagen und auf dem Weg das erstbeste einfache Lokal mit Mittagstisch zu beehren. Oder zur Not würde ich auch etwas auf die Faust nehmen.

Unweit der Basilica di San Francesco (13. Jahrhundert) lockte mich schließlich die Huh Cocktail Bar mit dem per Schiefertafel beworbenen Mittagsangebot auf ihre Außenplätze. Ein Antipasto, ein Primo, Wasser und Kaffee für zusammen 10 € wurden beworben. Die gereichte Speisekarte las sich auch erstmal interessant und ich orderte die Involtini primavera als Vorspeise und die Gnocchi di riso con uova e verdure als Primo. Allerdings hatte mich das durchweg dem ostasiatischen Phänotyp entsprechende Personal doch etwas stutzig gemacht und eine direkte Übersetzung vom Italienischen ins Deutsche ließ schon vor dem Servieren erahnen, dass gleich keine Spezialitäten der Regionalküche serviert werden.

So gab es nun zunächst Frühlingsrollen mit scharfem Dip und anschließend in Scheiben geschnippelte Reisknödel mit Ei und Gemüse aus dem Wok. Es war zwar objektiv ganz schmackhaft. Aber dass ich jemals in Italien chinesisch esse, hätte ich eigentlich nicht für möglich gehalten. Schon gar nicht in Bologna, wo die lokalen Spezialitäten besonders viel Weltruhm erlangt haben.

Na ja, immerhin kam ich um 14:50 Uhr nicht hungrig am Stadio Renato Dall’Ara an. Diese altehrwürdige Sportstätte wurde 1927 als kommunales Stadion eröffnet und trägt seit 1984 den Namen des langjährigen Clubpräsidenten und finanziellen Förderers Renato Dall’Ara (* 1892; † 1964). Es fasst heuer 36.462 Zuschauer, soll allerdings den bald bevorstehenden 100. Geburtstag als Baustelle feiern. Daher schön, dass ich dieses Stadion noch vor Beginn der grundlegenden Modernisierung zu einer modernen Sportarena kreuzen durfte.

Für’s heutige Spiel gegen Lazio hatte ich mir im VVK ein 25 € teures Ticket für die Curva San Luca – Árpád Weisz gekauft und komme nicht umhin auch den Namen dieser Kurve zu erläutern. San Luca bezieht sich dabei auf das Santuario della Madonna di San Luca (Heiligtum der Madonna vom heiligen Lukas). Eine barocke Wallfahrtskirche (18. Jahrhundert) mit einem dem Evangelisten Lukas zugeschriebenen Madonnenbildnis, welche sich auf dem Colle della Guardia befindet. Dieser Hügel erhebt sich direkt hinter der Kurve und man kann vom Stadion über den Bogengang Portico di San Luca dorthin pilgern.

Árpád Weisz wiederum war ein aus Ungarn stammender Trainer, der den Bologna FC in den Jahren 1936 und 1937 zu zwei Meistertiteln führte. Da Weisz 1930 bereits mit Inter italienischer Meister wurde, ist er nebenbei der erste Trainer in der Geschichte der Serie A, dem der Titelgewinn mit zwei verschiedenen Clubs gelungen ist. Doch nachdem das seinerzeit faschistische Italien 1938 ähnliche Rassengesetze wie das Deutsche Reich erlassen hatte, verlor Weisz aufgrund seines jüdischen Glaubens sein Arbeits- und Aufenthaltsrecht. Via Frankreich zog es ihn mitsamt Frau und Kindern in die Niederlande, wo er 1939 den Trainerposten beim FC Dordrecht übernahm. Nur ein Jahr später überfiel die deutsche Wehrmacht allerdings die Niederlande und die gesamte Familie Weisz wurde 1942 von den Nazis ins KZ Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Insgesamt hat der am 3. Oktober 1909 gegründete Bologna FC übrigens sieben Meistertitel errungen. Der letzte datiert allerdings aus dem Jahr 1964. Es folgten 1970 und 1974 lediglich noch die zwei einzigen Pokalsiege der Vereinsgeschichte und seitdem hat der Club tatsächlich keinen großen Titel mehr gewonnen. Nach mehreren sehr durchwachsenen Jahrzehnten, in denen es teilweise auch runter bis in die drittklassige Serie C ging, hat sich der BFC jedoch jüngst wieder in die nationale Spitze vorgearbeitet. Ein 5. Platz in der Vorsaison erlaubte 2024/25 die erstmalige Teilnahme an der UEFA Champions League* (28. Platz in der Ligaphase) und gegenwärtig kämpft man um die erneute Qualifikation.

Der seit 2014 mehrheitlich vom italo-kanadischen Geschäftsmann Joey Saputo besessene und gefördert BFC ist gegenwärtig Tabellensechster und empfing mit Lazio heute den aktuellen Fünften. Ein richtungsweisendes Spiel gegen einen direkten Konkurrenten also, welches vor gut gefüllten Rängen ausgetragen wurde. Denn insgesamt 30.846 Menschen hatten die Drehkreuze passiert und der ebenfalls in der Curva San Luca – Árpád Weisz befindliche Gästeblock war mit 2.500 Laziali sogar komplett ausgelastet.

Die Stimmung war zunächst in beiden Fanlagern gleichermaßen exzellent. Im Sektor der mitgereisten Römer war einiges an Fahnen zu erspähen und ein paar Böller, sowie ein, zwei Fackeln durften bei der seit 2020 unter dem Dach der Ultras Lazio organisierten Gästeszene natürlich auch nicht fehlen. In der Heimkurve stieg derweil zwischen lauter Fanschals und vielen Fähnchen etwas Rauch in den Vereinsfarben rot und blau auf, was von einem Banner mit der Aufschrift „Il Bologna ha bisogno di noi“ (Bologna braucht uns) begleitet wurde.

Jene Heimkurve ist übrigens nach dem verdienten Spieler Giacomo Bulgarelli (* 1940; † 2019) benannt, der zwischen 1959 und 1975 stolze 486 Pflichtspiele für den Bologna FC absolvierte. Als Bulgarelli seine Fußballstiefel an den Nagel hängte, feierte die nun schon seit über 50 Jahren bestehende Fangruppe Forever Ultras gerade ihren 1. Geburtstag. Sie war 1974 aus dem Zusammenschluss der ersten hiesigen Ultragruppen Bologna Commandos ’70 und Brigate Rossoblù ’72 entstanden und hat bemerkenswerterweise etliche Generationswechsel heil überstanden. Das hat in Italien Seltenheitswert und Forever scheint somit ein richtiges Bekenntnis zu sein.

Lediglich ein Teil der älteren Generation hat sich 2001 bewusst als Vecchia Guardia 1974 herausgelöst und auch ansonsten gab es immer mal Abspaltungen oder Konkurrenz in der Kurve. Da wären aus der Vergangenheit u. a. die Supporters (1979 – 2019) und die Mods (1982 – 2012) zu nennen. Ferner gibt es seit 2012 mit Settore Ostile einen inoffiziellen Nachfolger der Mods und in deren Ecke der Kurve steht mit Mai Domi seit 2016 eine weitere sehr aktive Gruppe. Ansonsten müssen in der Curva Giacomo Bulgarelli natürlich noch die bereits 1986 gegründeten Freak Boys erwähnt werden. Die verraten mit einem Cannabisblatt auf ihrem Banner und dem Leitspruch „Ovunque fattanza“ (stets berauscht) sogleich ihre zweite große Leidenschaft neben dem Bologna FC.

Doch heute hatte der BFC eine noch berauschendere Wirkung als THC und für den ersten Höhepunkt der Emotionen sorgte Jens Odgaard in der 16. Minute mit dem 1:0. Fast das gesamte Stadion stand Kopf und um mich herum ging die Freude bei vielen Heimfans nahtlos in Provokationen gen Gästesektor über. Ein paar Anhänger der SS Lazio reagierten gern darauf, aber schnell konzentrierte man sich ihrerseits wieder auf den Support der eigenen Mannschaft und versuchte die Adlerträger lautstark zum Ausgleich zu peitschen.

Doch der zweifache italienische Meister (1974 & 2000) sollte bis zur Pause einfach nicht ins Spiel finden und nach dem Seitenwechsel kam es knüppeldick. Ein Doppelschlag von Riccardo Orsolini (48.) und Dan Ndoye (49.) sorgte für klare Verhältnisse. Davon erholte sich die Società Sportiva Lazio nicht mehr, während die Petroniani** nach kurzer Verschnaufpause gern noch etwas für’s Torverhältnis taten. So traf mit Santiago Castro (74.) auch noch der vierte von Trainer Vincenzo Italiano aufgestellte Offensivspieler und für den Schlusspunkt durfte der eingewechselte Giovanni Fabbian (84.) sorgen.

Welch grandiose Stimmung im zweiten Durchgang abseits des Gästesektors herrschte, kann sich hoffentlich jeder denken. Es war ein Fest! Il Rossoblù kletterte nun auf den in die Champions League führenden 4. Platz, wohingegen Lazio auf Rang 6 abrutscht und nach der heutigen Vorstellung auch nicht zu Höherem berufen scheint. Entsprechend frustriert warfen die Fans nach Abpfiff allerhand Knallkörper auf die Tartanbahn. Das hielt die Mannschaft jedoch nicht davon ab sich mit hängenden Köpfen vor die Gästekurve zu bewegen. Dort stellte sich Trainer Marco Baroni im doppelten Wortsinn vor seine Spieler. Er sprach mit den Capi am Zaun und übernahm laut Medienberichten die volle Verantwortung für das Debakel.

Die Heimfans feierten ihr Team derweil frenetisch und so manch einer hat seine Abendplanung vielleicht spontan geändert. Man muss die Feste schließlich feiern, wie sie fallen… Da saugte ich gerne noch etwas von der Stimmung rund um’s Renato Dall’Ara auf und war umso erfreuter das gemeinsam mit bekannten Gesichtern tun zu dürfen. Denn zufälligerweise weilten mein Kumpel Fabo und seine Frau Oxi gerade eine Woche in Bologna und den heutigen Kick wollten sie sich ebenfalls nicht entgehen lassen. Da war die Selbstdarstellerei auf Social Media also doch mal wieder gut zum Socializen.

Dementsprechend hatten wir fix per Insta einen Treffpunkt für nach Spielende vereinbart und gemeinsam ging es zunächst vor die Bar Maratona direkt am Stadion. Nachdem wir dort bei einer ersten Runde Ichnusa noch den Abmarsch der Laziali und ein wenig begleitende Folklore mitbekommen hatten, zogen wir jedoch bereits weiter zum nächsten Zapfhahn. Den fand unser Trio an der Hauptstraße stadteinwärts bei Il Birrivendolo. Bei uns bisher unbekannten Bieren wie Schwarzbräu Pilsener (aus dem bayrischen Zusmarshausen) und Kangaroo Island IPA (aus dem australischen Kingscote) wurden dort Reisetipps und -erlebnisse ausgetauscht und mit ergrauten Tifosi in mit reichlich Patches verzierten Parkas gab es ebenfalls nette Gespräche.

Nachdem sich unsere Wege gegen 20 Uhr wieder getrennt hatten, machte ich meinen mittags noch nicht möglichen Check-in und anschließend hielt ich im Hotelumfeld Ausschau nach chinesischen Restaurants. Leider ergebnislos, so dass ich letztlich doch mit einer Trattoria und somit lokalen Spezialitäten Vorlieb nahm. Da über deren Eingang ein Banner der Vecchia Guardia hing, wollte ich der Trattoria Nonna Rosa einfach mal eine Chance geben.

Anstatt Involtini primavera nun also Tagliatelle al ragù bolognese. Denn es war klar, dass ich diesen lokalen Klassiker mit Weltruhm irgendwo in Bologna als Primo essen muss. Mein Secondo war hingegen Neuland für mich. Denn ich lernte heute, dass die italienische Küche nicht nur das Cotoletta alla milanese, sondern auch das Cotoletta alla bolognese kennt. Bei der Variante aus Bologna wird das panierte Kalbskotelett mit Prosciutto und Parmigiano überbacken und großzügig mit cremiger Käsesauce übergossen.

Da ich die Portionsgröße nicht abschätzen konnte, bestellte ich zur Sicherheit noch Röstkartoffeln mit Rosmarin als Contorno. Tja, hätt‘ nich‘ sein müssen… Am Ende waren für die beiden köstlichen Gänge, die Beilage zum Hauptgang, eine Flasche Wasser, ein Glas Hauswein und einen Espresso inklusive Coperto faire 48 € fällig. Zufrieden, aber wirklich enorm überfressen, ging es dann gute zehn Minuten später ins Bett.
***
Am nächsten Morgen spannte das eigentlich weit geschnittene Schlafshirt immer noch wie eine zweite Haute über der Wampe. Da war eigentlich nicht an Frühstück zu denken. Aber es war nunmal bezahlt und vor heute Abend würde es definitiv keine richtige Mahlzeit geben. Daher gönnte ich mir außer Kaffee und Saft doch noch etwas Gebäck und ein paar Frühstücksflocken mit Milch.

Danach stand außerdem viel Bewegung an. Denn zwischen 8 und 13 Uhr hatte ich fünf Stunden für das obligatorische und gestern lediglich rudimentär angerissene Kulturprogramm eingeplant. Es ging somit wieder in das gut 1.896 m vom Hotel entfernte Herz der Altstadt, wo ich als erstes das so genannte Finestrella (Fensterchen) in der Via Piella auf der Liste hatte.

Man erhascht dort einen Blick auf den Canale delle Moline. Eines der letzten oberirdischen Teilstücke des eigentlich 60 km langen Kanalnetzes der Stadt. Auf diesen ab dem 12. Jahrhundert angelegten Wasserwegen hatte man früher den Großteil der Waren transportiert, doch im 20. Jahrhundert wurden sie größtenteils mit Straßen überbaut.

Vom Finestrella ging es durch die Gassen des früheren Ghetto ebraico (Judenghetto) in südliche Richtung. Mein nächstes Ziel waren die weithin sichtbaren Türme Torre degli Azzoguidi (61 m), Torre della Garisenda (48 m) und Torre degli Asinelli (97 m). Sie wurden allesamt im 12. Jahrhundert erbaut und gehören zu den 17 noch erhaltenen mittelalterlichen Geschlechtertürmen der Stadt. Derlei Wohn- und Wehrtürme der Patriziergeschlechter einer Stadt findet man fast überall in Norditalien, doch Bologna soll diesbezüglich mit insgesamt 193 Geschlechtertürmen die imposanteste mittelalterliche Skyline besessen haben.

Das einst große Kanalnetz und die zahlreichen Geschlechtertürme sind mehr als nur Indizien dafür, dass Bologna im Mittelalter eine der bedeutendsten Städte Italiens war. Die Herstellung von Textilien und der Handel mit selbigen sorgte in der damaligen Stadtrepublik für großen Wohlstand und starkes Bevölkerungswachstum. Hier sollen im 13. Jahrhundert mindestens 50.000 Einwohner innerhalb der Stadtmauern gelebt haben, so dass Bologna zu den seinerzeit zehn größten Städten des Kontinents zählte.

Da passte ein kurzer Besuch des Palazzo della Mercanzia gut ins Programm. Dieses repräsentative Bauwerk wurde im 14. Jahrhundert als Handelsgericht erbaut und dient seit 1797 als Handelskammer der Stadt. Gerne schaute ich mich dort mal im edel ausgestalteten Foyer um und lernte, dass hier u. a. die Originalrezepte der kulinarischen Spezialitäten von Bologna aufbewahrt werden. Beispielweise die Rezepturen und die Größenvorgaben für Tagliatelle und Tortellini, sowie u. a. die Rezepte für das Ragù bolognese, die Lasagne pasticciate oder auch das Cotoletta alla bolognese.

Aber an den Genuss von derlei Mahlzeiten war trotzdem noch nicht wieder zu denken. Da machte ich lieber weiter fleißig Meter und suchte als nächstes die Basilica di Santo Stefano auf. Das ist eigentlich nicht eine Basilika, sondern gleich ein Komplex aus insgesamt sieben Kirchen. Die älteste stammt aus dem 4. Jahrhundert und gerne hätte die Geschichte dieses interessanten Bauwerks noch vertieft. Doch ausgerechnet montags ist Santo Stefano immer für den Besucherverkehr geschlossen.

Somit wurde eine andere Basilika der Stadt das erste von mir betretene Gotteshaus des Tages. Denn es ging weiter zur Basilica San Domenico (13. Jahrhundert), die nicht nur dem Heiligen Dominikus (* 1170; † 1221) geweiht ist, sondern ebenso letzte Ruhestätte der Gebeine des Gründers des Dominikanerordens ist. Diese befinden sich in einem prächtigen Marmorsarkophag in einer Seitenkapelle der Basilika. Doch auch der Rest der im 18. Jahrhundert nahezu komplett barockisierten Kirche ist einen Blick wert, während nebenan immer noch das von Dominikus im frühen 13. Jahrhundert gegründete Kloster existiert.

Anschließend wartete eine weltliche Sehenswürdigkeit von Weltrang auf mich. Denn Bologna darf sich rühmen eine der älteste Universitäten der Welt zu besitzen. Jene Università di Bologna wurde im 11. Jahrhundert gegründet (ein exaktes Gründungsjahr ist nicht mit Quellen zu belegen) und nach zunächst verstreut im Stadtgebiet liegenden privaten Unterrichtsräumen bezog man 1563 den Palazzo dell’Archiginnasio als erstes richtiges Universitätsgebäude.

Diese sehr repräsentative historische Lehranstalt nahe der Piazza Maggiore konnte ich gegen ein kleines Entgelt (3 €) besichtigen. Besonders beeindruckende Räumlichkeiten sind dort das Teatro anatomico (Anatomiesaal aus dem Jahre 1637), der Hörsaal Sala dello Stabat Mater und die Biblioteca Comunale dell’Archiginnasio. Aber allein schon ein Streifzug durch die Arkaden, Flure und Treppenhäuser ist fantastisch, da alles mit insgesamt über 6.000 Wappen von früheren Studenten und Professoren geziert ist.

Nach meinem kleinen Ausflug in die einstige Lehranstalt von u. a. Dante Alighieri, Paracelsius, Nicolaus Copernicus und Luigi Galvani kehrte ich zur bereits gestern besuchten Piazza Maggiore zurück. Doch heute nahm ich mir mehr Zeit für die Sehenswürdigkeiten an diesem zentralen Hauptplatz der Stadt und hatte es insbesondere auf die Basilica di San Petronio abgesehen.

Die dem Stadtpatron geweihte Basilika ist nicht nur die größte Kirche Bolognas, sondern ihre gewaltigen Dimensionen (132 m lang, 60 m breit, bis zu 51 m hoch und 258.000 m³ Raumvolumen) lassen sie auch in globalen Ranglisten weit vorne landen. So schafft sie es u. a. in der Kategorie Länge weltweit in die Top 10 und zumindest im Mittelalter wurde keine größere Kirche in Italien gebaut.

Dass die Bolognesi 1390 bei Baubeginn das Ziel hatten die bis dato größte Kirche der Welt zu bauen, zeigt auch nochmal den Reichtum und die wirtschaftliche Bedeutung dieser Stadtrepublik im Spätmittelalter. Allerdings wurde das Bauwerk dann auch kein Projekt für Jahrzehnte, sondern Jahrhunderte. So ist die Weihe tatsächlich erst 1954 (!) erfolgt und die Fassade, die eigentlich komplett mit Marmor verkleidet werden sollte, ist bis heute unvollendet geblieben.

Im Inneren beeindrucken die Dimensionen natürlich ebenso. Abseits des riesigen Hauptschiffes erwarteten mich nun 22 Seitenkapellen, die in mehreren Bauphasen zwischen 1390 und 1659 errichtet und gestaltet wurden. So ist die Kirche nicht nur Bolognas Schutzpatron St. Petronius geweiht, sondern in der Capella di San Petronio werden auch die Reliquien dieses Heiligen aufbewahrt.

Besonders berühmt ist außerdem die Capella dei Re Magi, die der reiche Seidenhändler Bartolomeo Bolognini im frühen 15. Jahrhundert stiftete. Sie ist mit Fresken des Künstlers Giovanni da Modena ausgestaltet, wovon in jüngerer Vergangenheit besonders die offenbar von Dantes Göttlicher Komödie inspirierte Darstellung der Hölle für Kontroversen*** sorgte. Denn in Dante Werks ist der islamische Religionsstifter Mohammed in der Hölle gelandet und beim hiesigen Fresko trägt einer der Mitbewohner Luzifers einen Turban.

Da ich die Kirche zur Mittagszeit inspizierte, weckte außerdem die riesige Sonnenuhr auf dem Boden mein Interesse. Sie wurde im Jahr 1655 vom an der benachbarten Universität lehrenden Astronomen Giovanni Domenico Cassini entworfen und ist mit 66,71 m Länge (der Erdumfang im Maßstab 1:600.000) eine der größten der Welt. Durch ein winziges Loch im Kirchendach erreicht der Sonnenstrahl jeden Tag am Mittag den Meridian, wo man nun Monat, Tag und die verbleibende Zeit bis zur Tag-und-Nacht-Gleiche ablesen kann. Heute traf der Sonnenstrahl um 12:23 Uhr auf die Linie und das war selbstverständlich noch ein Foto wert, bevor es mich wieder hinaus auf die Piazza Maggiore zog.

Nachdem nun also die zweite Tageshälfte angebrochen war, musste ich mich so langsam wieder zum Hotel orientieren. Dort holte ich um 13:12 Uhr mein Gepäck ab und dann steuerte ich den Bahnhof an, wo ich 40 Minuten später einen Schnellzug gen Milano (Mailand) bestieg. Denn für mich ging es ein zweites Mal auf dieser Reise an den Lago di Como (Comer See), um dort den Urlaub ausklingen zu lassen. Dorthin nahm ich aus Bologna die bittersüße Erkenntnis mit, dass 24 Stunden eindeutig zu kurz waren. Bitter, weil hätte man ahnen können. Süß, weil ich jetzt unbedingt nochmal wiederkehren muss.
*1964/65 nahm der Bologna FC als Landesmeister allerdings am Vorgängerwettbewerb teil, schied jedoch bereits in der Qualifikationsrunde gegen den RSC Anderlecht aus. Übrigens per Münzwurf, da es nach Hin- und Rückspiel 2:2 stand und das in Barcelona ausgetragene Entscheidungsspiel bis zum Ende der Verlängerung torlos blieb (das Elfmeterschießen hatte es damals noch nicht ins Regelwerk geschafft).
**Dieser Spitzname leitet sich vom Heiligen Petronius von Bologna, dem Schutzpatron der Stadt, ab.
***https://www.welt.de/print-welt/article396306/Kampf-ums-Fresko.html