Duisburg 01/2025

  • 31.01.2025
  • MSV Duisburg – Rot-Weiß Oberhausen 0:2
  • Regionalliga West (IV)
  • Wedaustadion (Att: 27.117)

MSV Duisburg vs. Rot-Weiß Oberhausen. Erster gegen Zweiter. Freitagabend unter Flutlicht. Das klingt nach ausverkauft und asozial. Ergo sicherte ich mir schnellstmöglich ein 30 € teures Haupttribünenticket im Vorverkauf und kurz darauf vermeldete der MSV tatsächlich sold out. Alle 27.117 verfügbaren* Tickets waren vergriffen. Da stieg die Vorfreude auf das 45. Pflichtspielderby zwischen Zebras und Kleeblättern gleich noch mehr.

Duisburg, offensichtlich kein Fake

Am Spieltag ging es nach Feierabend per Deutschlandticket von Hannover ins Ruhrgebiet. 17:54 Uhr erreichte ich den Duisburger Hauptbahnhof und so blieben mir noch exakt 96 Minuten bis zum Anpfiff des Niederrheinkrachers. Leider zu wenig Zeit für die pittoreske Altstadt, die gotische Kathedrale, das barocke Residenzschloss und das Bohème-Viertel Marxloh… Okay, Scherz. Städtetouristisch ist in Duisburg bekanntlich nicht viel zu holen und erst recht in der kalten Jahreszeit hätte ich sowieso wenig Lust auf einen Streifzug gehabt. Da war es vollkommen in Ordnung, dass ich eine Currywurstlänge nach meiner Ankunft bereits weiter zum Stadion musste.

Die bodenständige Küche des Ruhrgebiets

Wobei ich den Snack beinahe bereute. Die Shuttlebusse schienen alle im Stau zu stecken. Nach ungefähr 10 Minuten des Wartens sprach mich schließlich der Rentner neben mir an. „Ey, ich hab für mein Enkel und mich ’n Uber bestellt. Is‘ in zwei Minuten da, willste mit?“ „Ja, besser is‘. Wat kriegste?“ „Gibste mir drei Euro und gut is‘.“

Mehr Fan geht eigentlich nicht

Da der am Smartphone versierte Senior den offenbar ortsunkundigen Fahrer auch noch am Stau vorbei lotste, waren wir überraschend schnell in der Kruppstraße und immerhin 30 Minuten vor Anpfiff am Stadion. Der Einlass ging auch recht fix vonstatten. Lediglich in den Block zu kommen dauerte noch eine halbe Ewigkeit. Denn der Umlauf der Haupttribüne des 1926 eröffneten und zuletzt 2003/04 grundlegend modernisierten Wedaustadions ist eindeutig zu schmal für Topspiele. Im Prinzip war er komplett ausgefüllt mit Menschen, die für Wurst und Bier anstanden.

Volles Haus an der Wedau

Nach viel Geschiebe war ich 19:22 Uhr jedoch auf meinem Platz realisierte sogleich, dass heute eine große Choreo auf drei Tribünen ausgelegt war. Der Gästebereich schien hingegen nichts dergleichen vorzubereiten und war auch sonst optisch ein bisschen trostlos. Bei RWO rechnete ich eigentlich mit einer guten Zaunfahnenkultur. Doch derlei Banner waren an einer Hand abzählbar.

Zebras außer Rand und Band

Die Choreo der Heimfans war dagegen ein netter Blickfang. Haupttribüne und Gegengerade wurden in ein schlichtes Streifenmuster in den Vereinsfarben des 1902 gegründeten Meidericher SV getaucht, während im Oberrang der Hintertorseite die Papptafeln einen MSV-Schriftzug ergaben. Vor’m Unterrang hatte man unterdessen ein paar Emotionen zeigende Zebras in Fankluft hochgezogen und dahinter wurden etliche Fahnen geschwenkt. Alles wurde mit dem Motto „Der Wahnsinn von der Wedau“ betitelt. Vielleicht nicht wahnsinnig innovativ, aber mindestens eindrucksvoll.

Der letzte Handschlag vor’m Spitzenspiel

Überhaupt war das eine Regionalligakulisse hinter der sich diverse Bundesligisten verstecken müssen. Der Abstieg scheint dem MSV in gewisser Weise gut getan zu haben. Jedenfalls liegt der Zuschauerschnitt mit dem heutigen Spiel eingerechnet bei über 16.000. So hoch war er zuletzt in der Saison 2017/18. In der 2. Bundesliga wohlgemerkt. Nach vier aufeinanderfolgenden Jahren Abstiegskampf in der 3. Liga und vielen Querelen tut der ungewohnte sportliche Erfolg der Seele einfach gut.

Die mitgereisten Fans aus der Nachbarstadt

Nichtsdestotrotz möchte sicher kein Fan in der Regionalliga Wurzeln schlagen und aus wirtschaftlicher Betrachtung muss das Saisonziel natürlich ebenfalls Rückkehr in die 3. Liga heißen. Entsprechend wollte der Tabellenführer den Vorsprung auf seinen ärgsten Verfolger am heutigen Abend von sieben auf zehn Punkte ausbauen, während RWO im Umkehrschluss mit einem Sieg natürlich auf vier Punkte verkürzen konnte. Dann wäre die Liga wieder ein Stück spannender.

Die singende und klatschende Nordkurve

Diese Gemengelage schien die Duisburger Mannschaft etwas zu hemmen, wohingegen die Oberhausener ziemlich befreit aufspielten. Sie hatten schon in der ersten halben Stunde die etwas gefährlicheren Angriffe auf ihrem Konto und gingen in der 31. Minute schließlich in Führung. Einen Eckstoß von Gueye konnte Bongo aus kurzer Distanz mit der Stirn ins Netz nicken. Das versetzte den Gästesektor natürlich sehr in Ekstase, aber von mir erhoffte Freudenfeuer hatte man leider nicht ins Stadion eingebracht.

Torfreude im Süden des Stadions

Die sich weiterhin sehr selbstbewusst artikulierenden MSV-Fans erwarteten nun eine prompte Antwort der Mannschaft, doch die blieb aus. Mehr noch; RWO hatte schnell den nächsten Schockmoment parat. Ebenfalls mit dem Köpfchen konnte Fassnacht in der 37. Minute eine Flanke zum 0:2 verwerten. Spätestens jetzt war den Gästefans klar, dass das ihr großer Abend werden könnte. Bei ihren verbalen Sticheleien schwang fortan eine gewisse Häme und Genugtuung mit.

Duisburgs Botschaft an die Polizei

Leider blieb der Abend ihrerseits weiterhin ohne große optische Momente. Denn auch zur zweiten Halbzeit kam nichts Choreographisches oder Pyrotechnisches zum Vorschein, während die Heimkurve den zweiten Durchgang immerhin noch mit einem Bullenschweinebanner im Graffitistil einläutete. Die Botschaft dazu lautete „Ihr dehnt Gesetze nach Belieben und fahndet sogar, wenn Becher fliegen“ und die Geschichte dahinter war eine vor wenigen Tagen gestartete Öffentlichkeitsfahndung der Polizei. Per Fahndungsfoto gesucht werden MSV-Fans, die beim letzten Heimspiel der Vorsaison (12. Mai 2024) mutmaßlich ihre Bierbecher auf Bereitschaftspolizisten geworfen haben.

Die Lieblingsbeleidigung Hurensöhne galt natürlich auch für die RWO-Freunde

Überhaupt war die Heimkurve sehr mitteilungsfreudig an diesen Abend. So wurden die Oberhausener nicht nur alle paar Minuten als Hurensöhne geschmäht, sondern auch mit etlichen Spruchbändern bedacht. Wie sehr die auf Tapete gepinselten Vorwürfe zutreffen, vermag ich natürlich nicht zu beurteilen. Aber sich auf Teufel komm‘ raus reimende Zweizeiler haben grundsätzlich immer einen gewissen Unterhaltungswert.

Frühere Fantreff-Inhalte auf Tapete komprimiert

In der Südkurve hatte hingegen niemand Tapeten beschrieben. Muss ja auch nicht sein, aber passte in diesem Fall ins uninspiriert wirkende Gesamtbild. Ich glaube das war insgesamt kein Auftritt, der beim Gegenüber heimliche Selbstzweifel ob der Kräfteverhältnisse an diesem Abschnitt der Ruhr ausgelöst hat. Da hilft es den Oberhausenern auch nicht, dass sie in jüngerer Vergangenheit in Wuppertal und Düsseldorf regionale Verbündete gewonnen haben. Duisburg bleibt auf mehreren Ebenen eine Nummer zu groß.

Die nächsten Vorwürfe

Auf dem Rasen herrschten allerdings an diesem Abend gegenteilige Vorzeichen. Da blieb der SC Rot-Weiß auch im zweiten Durchgang die überzeugendere Mannschaft. Zwar hatte MSV-Trainer Dietmar Hirsch in der Pause zweifach gewechselt und nach 60 Minuten abermals zwei frische Offensivakteure ins Spiel gebracht. Dennoch entwickelte der deutsche Vizemeister von 1964 kaum ernsthafte Torgefahr. So brachte RWO die Führung letztendlich souverän über die Ziellinie und ließ den Rivalen zumindest eine wichtige Weichenstellung für den Wiederaufstieg verpassen. Ob man die Duisburger allerdings auch über diesen Abend hinaus ärgern kann, werden die nächsten Wochen zeigen.

Kleine Schalparade auf der Süd

Ob ich nach diesem Spiel noch vor dem Frühstück wieder zuhause sein werde, würde sich dagegen sofort klären. Zwar sollte mein für 13,49 € gebuchter ICE laut DB App erfreulicherweise erst 22:05 Uhr anstatt 21:47 Uhr fahren. Aber selbst mit diese Verspätung erlaubte mir lediglich die volle Spielzeit, anstatt wie ursprünglich geplant 10 Minuten früher abzuhauen. Doch alles lief glatt. Ich saß aber 96 Sekunden nach Abpfiff im Shuttlebus, bekam den ICE noch ohne Sprinteinlage und war 0:45 Uhr zurück in Hannover.

Song of the Tour: Diesmal muss ein Video für den Sightseeing-Content sorgen

*Normalerweise passen 31.502 Zuschauer ins Wedaustadion. Doch heute ließ man aus Sicherheitsgründen den kompletten Oberrang der Südtribüne frei, während die rund 3.000 Gästefans im Unterrang jener Hintertortribüne platziert wurden. Der findige MSV verkaufte die die freien Plätze derweil noch virtuell für 5 € (mit Zugang zu einem exklusiven Livestream vom Spiel) und hatte deshalb folgende Sprachregelung: 31.502 Zuschauer (27.117 im Stadion).