London 12/2024 (IV)

Am Montagmorgen war ich mit Daria und Johnny um 9:30 Uhr am Frühstücksbuffet verabredet. Nach üblichen Kilokalorien rief der letzte sportliche Höhepunkt der Reise. Denn wir hatten im Sommer beim Vorverkaufsstart drei Tickets à £ 61 (ca. 74 €) für eine der beiden heutigen Achtelfinalsession der PDC Darts World Championship erwerben können. Es handelte sich um die 12:30 Uhr startende Nachmittagssession, so dass wir nach dem letzten Happen eigentlich gleich aufbrechen konnten. Schließlich würden wir von Wimbledon gute 1,5 Stunden zum ca. 25 km entfernten Veranstaltungsort Alexandra Palace a. k. a. Ally Pally benötigen.

Es wird nicht mehr ganz so wie an den Vortagen zugelangt

Wir nahmen also nach dem Frühstück die nächstbeste Tube um 10:47 Uhr und waren eine Dreiviertelstunde später an der dem Ally Pally nächstgelegenen Station Wood Green. Von dort mussten noch 1,7 km und immerhin 80 Höhenmeter zu Fuß gemeistert werden. Das wiederum schrie nach einem Wegbier aus dem Supermarkt. Die Wahl fiel in unserer italophilen Reisegruppe auf das bisher allen unbekannte Lagerbier Via Roma*.

Gekonnt in Szene gesetzt

Um exakt 12:00 Uhr hatten wir den Aufstieg zur 1873 eröffneten Veranstaltungshalle Alexandra Palace gemeistert und reihten uns zwischen lauter kostümierten Dartsportfans ein. Allerdings zog sich das Procedere am Einlass wirklich sehr. Als wir nach fast 30 Minuten des Anstehens endlich im Eingangsbereich angekommen waren, sahen wir auch warum. Jeder Besucher wurde wirklich sehr penibel kontrolliert und die Liste der verbotenen Gegenstände war absurd lang. So musste jemand beispielsweise seinen aus Uno-Spielkarten gebastelten Hut abgeben, weil Kartenspiele verboten waren.

Der Ally Pally ist nach Alexandra Caroline Marie Charlotte Louise Julia von Dänemark benannt**

Drinnen waren meine Begleiter als Erstbesucher etwas geschockt von den Bierpreisen. Ich stellte jedoch fast schon erleichtert fest, dass die Preise gegenüber 2023 wenigstens stabil geblieben sind. Letztes Jahres lag der Literpreis bei ca. £ 14.50, dieses Jahr bei etwas über £ 15 (ca. 18 €). Gut, das ist sogar nochmal ’ne Ecke teurer, als auf dem Oktoberfest. Aber ohne Bier geht’s im Ally Pally nun mal auch nicht, so dass jede(r) im Laufe des Nachmittags einen Pitcher (2 l) für unser Trio holte.

Andrang

Daria eröffnete mit zwei Litern Amstel, während auf der Bühne der Engländer Chris Dobey und der Niederländer Kevin Doets für den sportlichen Auftakt des Nachmittags sorgten. Die beiden Darter boten uns sogleich einen echten Krimi und sorgten damit für prächtige Stimmung bei den 3.200 Zuschauern im natürlich ausverkauften Ally Pally. Fast alle Legs und Sätze waren eng, was den Best-of-7-Modus maximal ausreizen sollte. Als es schließlich nach Sätzen 3:3 stand, ging es unweigerlich in einen siebten und entscheidenden Satz. Dort zeigte Doets Nerven und Dobey konnte mit zwei Breaks und einem durchgebrachten Anwurf das Match zu seinen Gunsten entscheiden. Damit steht der 34jährige aus Beddington bei Newcastle zum dritten Mal in Folge im WM-Viertelfinale.

Das Spektakel hat begonnen

Die folgende Pause nutzte ich zum Kauf eines Pitchers Beavertown Neck Oil (ganz ein feines IPA), ehe Callan Rydz (England) und Robert Owen (Wales) zum zweiten Duell des Tages ans Oche schritten. Rydz war im bisherigen Turnierverlauf einer der Topscorer mit Averages über 100 und hatte Romeo Grbavac, Martin Schindler und Dimitri van den Bergh jeweils zu null aus dem Ally Pally gefegt. Robert Owen hatte unterdessen als ungesetzter Außenseiter für Überraschungen gegen Niels Zonneveld, Gabriel Clemens und Ricky Evans gesorgt.

Zwei Liter Braukunst im Kunststoffgebinde

Daran knüpfte Owen in diesem Achtelfinale zunächst an, während der favorisierte Rydz zu Spielbeginn erstmals Schwächen bei dieser WM zeigte. So stand es nach zwei Sätzen 2:0 für Owen und im dritten Satz bekam der Waliser im fünften und entscheidenden Leg drei Pfeile auf die Double-5. Doch der Mann aus Ogmore Valley überwarf. Ergo kam Rydz nochmal an die Reihe und konnte seine 40 Rest per Double-20 ausmachen.

Aufblasbare Kostüme standen eigentlich auch auf der Verbotsliste am Eingang

Wahrscheinlich der Wendepunkt dieses Matches. Denn danach gewann der 26jährige aus Newcastle die sechs nächsten Legs und dementsprechend zwei weitere Sätze. Erst im sechsten Satz fing sich Owen wieder und erzwang einen Decider. Wie schon bei Dobey vs. Doets, wurde in jenem 7. Satz allerdings bei den Anwürfen geschwächelt. So gelangen Rydz und Owen zwei Breaks zum Auftakt. Im vom Waliser eröffneten dritten Leg wiederholte Rydz dieses Kunststück gleich nochmal und brachte anschließend im vierten Leg seinen Anwurf zum Satz- und Matchgewinn durch.

Beste Stimmung beim Walk-on von Nathan Aspinall

Zum dritten und letzten Achtelfinale des Nachmittags tischte Johnny einen Pitcher Cider an. Bei dessen Genuss war es leider vorbei mit der sportlichen Spannung. Denn der Wahl-Hannoveraner Ricardo Pietreczko („Pokemon Theme“) war gegen Nathan Aspinall („Mr. Brightside“) nicht nur in Sachen Walk-on-Song hoffnungslos unterlegen. Auch am Board wurde das Publikum von The Asp in Ekstase versetzt. Der letzte verbliebene deutsche WM-Teilnehmer gewann zwar immerhin das erste Leg, musste anschließend jedoch sechs Legs an den Engländer abgeben. Ergo stand es in Sätzen ruckzuck 2:0 für den Zwölften der Weltrangliste.

Don’t take me home…

Den dritten Satz konnte der Weltranglistenzwölfte ebenfalls ohne Leg-Verlust für sich entscheiden, wohingegen Pikachu beim Scoring endgültig auf gehobenes Amateurniveau abrutschte. Er blieb bei etlichen Aufnahmen ohne Triple und rutschte im Average auf unter 80 ab. Da war so dermaßen der Wurm drin, dass wirklich niemand an ein verrücktes Comeback glauben konnte. Lediglich eine Art Ehrentreffer gelang Pietreczko noch, da er wenigstens das zweite Leg im vierten Satz gewinnen konnte. Doch Aspinall antwortete mit einem High Finish (131) im dritten Leg und sicherte anschließend auch völlig ungefährdet das vierte Leg. Somit habe ich dem guten Ricardo wieder kein Glück gebracht und wohnte wie im Vorjahr seinem Ausscheiden bei (Vgl. London 12/2023).

Das geht über eure Vorstellungskraft…

Nach dem letzten Tropfen Cider ging es gegen 17 Uhr wieder zurück nach Wimbledon. Dort war eigentlich noch das Verfolgen der Abendsession im Prince of Wales angedacht gewesen. Aber bei Johnny und mir zeigten sich Erkältungssymptome, so dass wir tatsächlich lieber schon um 20 Uhr ins Bett wollten.

Faustregel: Wenn ich etwas Gesundes esse, bin ich in der Regel krank

Nach einer eher unruhigen Nacht, war ich am nächsten Morgen richtig verrotzt und mein Hals schmerzte ziemlich. Johnny klagte am Frühstückstisch obendrein über Schweißausbrüche, sowie Kopf- und Gliederschmerzen. Ergo musste das geplante touristisches Programm für den Silvestertag nochmal modifiziert werden. Während Daria daher nach dem Frühstück allein ein bisschen durch Wimbledon bummelte, blieben Johnny und ich lieber noch ein paar Stunden in unseren Hotelzimmern.

Queen Victoria vor dem Kensigton Palace

Um 11:30 Uhr checkten wir schließlich gemeinsam aus, deponierten unser Gepäck an der Rezeption und fuhren von Wimbledon nach Kensington. Dick eingepackt wurde ein bisschen frische Luft im Hyde Park geschnappt und sich dabei an Sehenswürdigkeiten wie dem Kensington Palace, der Royal Albert Hall und dem Albert Memorial (siehe Titelbild) erfreut. Zu guter Letzt bekamen meine Reisegleiter außerdem noch den Buckingham Palace von ihrer Bucket List.

Im Buckingham Palace residiert jetzt Victorias Ur-Ur-Urenkel Charles

Gegen 14:30 Uhr kehrten wir wieder zum Hotel zurück, schnappten uns die Gepäckstücke und steuerten per Tube umgehend Heathrow an. Dort trafen wir 15:50 Uhr und somit 1,5 Stunden vor der geplanten Abflugzeit ein. Die verzögerte sich leider am Ende etwas, aber gegen 20 Uhr Ortszeit befanden wir uns im Landeanflug auf Hannover. Die sechs Tage London (und Brighton) waren ein wirklich gelungener Abschluss des auch ansonsten sehr schönen Reisejahres 2024. An dessen Ende wünsche ich allen Lesern natürlich nur das Beste für 2025. Ich hoffe ihr seid alle gut reingekommen und bleibt dem Geschwafel auf dieser Seite auch im neuen Jahr gewogen.

Song of the Tour: Aspinalls Walk-on-Song

*Tatsächlich handelt es sich hierbei um ein in England speziell für den britischen Markt gebrautes Lager des weltgrößten Brauereikonzerns Anheuser-Busch InBev. Ist also eine ähnliche Mogelpackung wie das vorgeblich spanische, aber in Wirklichkeit englische Lager Madri von Molson Coors.

**Die dänische Prinzessin Alexandra heiratete 1863 den Kronprinz und späteren englischen König Edward VII (Eduard VII.). Nach ihr sind u. a. auch eine arktische Insel, ein antarktischer Gebirgszug, eine Sittichart (Polytelis alexandrae) und eine Palme (Archontophoenix alexandrae) benannt.