London 12/2024 (II)

  • 28.12.2024
  • Carshalton Athletic FC – Chichester City FC 1:2
  • Isthmian League Premier Division (VII)
  • War Memorial Sports Ground (Att: 632)

Am Samstagmorgen tauschten Daria, Johnny und ich am Frühstückstisch erstmal die Erlebnisse vom Vortag aus. Meine Freunde schwärmten vom besuchten Musical Harry Potter and the Cursed Child und schienen auch ansonsten einen netten Tag in der City of Westminster gehabt zu haben. Westminster Abbey, die Houses of Parliament, Downing Street 10, Neal’s Yard und Goodwins Court hatten sie u. a. auf ihrem Londoner Laufzettel abhaken können.

Frühkost

Heute standen ein paar Sehenswürdigkeiten in der City of London auf ihrer Liste und ich bot mich als Fremdenführer an. Ergo ging es nach dem Frühstück gemeinsam mit der Tube zum Tower Hill. Dort wurden ab 11 Uhr fleißig Fotos vom Tower und der Tower Bridge (siehe Titelbild) geknipst, während ich ein wenig über die normannische Eroberung und die Funktion des Tower schwadronierte.

Der Leadenhall Market

Anschließend spazierten wir durch die Häuserschluchten der City, wo ich meine Begleiter zu Sehenswürdigkeiten wie dem Leadenhall Market, der Bank of England, der Guildhall, dem Barbican Estate und den Überresten der römischen Stadtmauer lotste. Historische Anmerkungen über u. a. die Römer in Britannien, das große Feuer von 1666 und die Entwicklung Londons zu einem global bedeutenden Finanzplatz gab es meinerseits auch, aber ich glaube ich habe es nicht übertrieben.

Die Guildhall (sozusagen Londons Rathaus)

Weil ich als Stadtführer kein Sklaventreiber (mehr) bin, ging es nach 90 Minuten in der Kälte außerdem in einen Pub. Genauer gesagt in die Viaduct Tavern. Ein viktorianischer Gin Palace in einem denkmalgeschützten Gebäude von 1875. Dort gönnte sich Daria ein Ginger Beer, Johnny ein Pint Peroni und ich mir ein walisisches Red Ale namens Cwtch (von der Brauerei Tiny Rebel aus Newport). Bierpreise lagen übrigens wie in Wimbledon – abgesehen vom Wetherpoon’s – bei um die £ 7, sprich über 8 €.

Die Viadukttaverne

Nach dem Besuch der Viaduct Tavern arbeiteten wir uns via St Paul’s Cathedral wieder zur Themse hinunter. Das Ganze hätte jetzt ein richtiger Rundgang werden können, doch anstatt den Fluss zu queren und am anderen Ufer erneut die Tower Bridge anzusteuern, ging es sogleich in den nächsten Pub. In einem ebenfalls denkmalgeschützten Gebäude von 1875 lockte nämlich unweit der Themse The Blackfriar. Dort gab es für uns zwar nur noch Stehplätze an der Fensterbank, aber das gezapfte Hells Lager der Camden Town Brewery mundete auch in dieser Körperhaltung vorzüglich.

The Blackfriar im Erdgeschoss eines markanten Art-Noveau-Eckhauses

Der Name und die Gestaltung des Pubs erinnern nebenbei an ein mittelalterliches Dominikanerkloster an diesem Ort, welches jedoch 1538 der Dissolution of the Monasteries (Auflösung der englischen Klöster) zum Opfer fiel. Damals hatte King Henry VIII (Heinrich VIII.) mit der katholischen Kirche gebrochen und die Church of England gegründet. Im Zuge dessen wurden von ihm praktischerweise die Besitztümer klösterlicher Einrichtungen in England, Wales und Irland für die Krone konfisziert. Ich könnte jetzt natürlich noch weit ausholen, warum Heinrich seinerzeit mit der katholischen Kirche gebrochen hat, aber wir lassen das lieber…

Der Name Blackfriars leitet sich von den schwarzen Kutten der Dominakermönche ab

Nach dem Pint im Blackfriar trennten sich unsere Wege gegen 14 Uhr vorerst. Denn Johnny und Daria konnten sich komischerweise nicht für einen Siebtligakick im Süden Londons erwärmen. Stattdessen setzten sie die von mir geplante Route zunächst an der Themse fort, ehe es anschließend per Tube weiter nach Camden Town gehen sollte. Ich hingegen war regelrecht heiß auf unterklassigen Fußball und steuerte per ÖPNV den Stadtteil Carshalton im London Borough of Sutton an.

2018 wurden in Carshalton mehrere Spiele der CONIFA-WM ausgetragen

14:55 Uhr stand ich schließlich am Eingang des dortigen War Memorial Sports Ground (ca. 5.000 Plätzen) und zeigte mein vorab online für £ 11 (ca. 13,30 €) erworbenes Ticket vor. Auf der anderen Seite des Drehkreuzes erwarteten mich zudem Jojo und Simone nebst Nachwuchs. Denn ihr 20 Monate alte Spross sollte hier und heute seinen Länderpunkt England machen. Übrigens bereits sein vierter LP. Könnte in ein, zwei Jahren witzig im Kindergarten werden. Die anderen Kinder erzählen montags im Sitzkreis von Zoobesuchen mit Opa oder ihren sonntäglichen Spielplatzabenteuern, wohingegen er möglicherweise von der Klobasa bei Baník Ostrava oder ganz viel Feuerwerk bei Wisłoka Dębica gegen Karpaty Krosno schwärmen darf.

Die meisten der 5.000 Zuschauerplätze sind auf der Gegengerade

Während der kleine Mann nun abwechselnd Mama und Papa animierte mit ihm über die Traversen zu spazieren, verfolgte ich das Kräftemessen zwischen Carshalton (Siebter mit 32 Punkten) und Chichester (Zwölfter mit 29 Punkten) mit deutlich weniger Aktionsradius. Es waren leichte Feldvorteile für die Gäste aus der südenglischen Grafschaft West Sussex auszumachen, welche sich kurz vor der Pause mit dem 0:1 durch Rob Hutchings (42.) manifestierten.

Die Gästefans aus Chichester

Aber die Cicestrians waren vielleicht auch etwas ausgeruhter. Bei ihnen lag das letzte Spiel bereits ’ne Woche zurück, wohingegen die Carshaltonians zuletzt am Boxing Day und somit vor gerade mal 48 Stunden antreten mussten. Ist schon wild, dass in England selbst den Amateurkickern der 7. Liga pro Saison 42 Ligaspiele plus Pokalspiele und etwaige Playoffs zugemutet werden. Die müssen beinahe jede Woche zweimal auf dem Platz stehen.

Cheesy Chips für £ 3.20 (ca. 3,80 €) als Halbzeitsnack

Nichtsdestotrotz biss sich der 1905 als Mill Lane Mission gegründete CAFC im zweiten Durchgang nochmal auf die Zähne und wurde in der 83. Minute mit dem viel umjubelten Ausgleichstreffer durch Fabio Camacho-Saraiva belohnt. Freute unter den insgesamt 632 Zuschauern übrigens nicht nur die Heimfans, sondern auch ein paar angereiste Anhänger von Viktoria Köln, die mit Carshalton Athletic seit 2014 eine Fanfreundschaft pflegen.

240 Fans können im War Memorial Sports Ground überdacht auf der Haupttribüne sitzen

Aber das Glück währte nur kurz. Chichesters Angreifer Ethan Prichard konnte wenig später einen Torwartfehler ausnutzen (86.) und sorgte damit für die neuerliche Gästeführung. Anschließend rannten die Robins (Rotkehlchen) aus Südlondon nochmal an, doch die Defensive des CCFC ließ sich davon nicht mehr wirklich in Bedrängnis bringen. Man brachte den knappen Vorsprung über die Zeit und zieht damit in der Tabelle mit dem unterlegenen CAFC gleich.

Die letzten Spielminuten verfolgten wir bereits vom Stadiontor aus

Da Jojo und Simone ihrem Sohnemann noch kein Taschengeld zahlen, war leider im Anschluss der Partie nicht mit seiner Länderpunktrunde im nächstbesten Pub zu rechnen. Ergo ging es zügig per Zug wieder weg aus Carshalton. Am Bahnhof Clapham Junction musste ich mich schließlich von der sympathischen Familie verabschieden und in Wimbledon machte ich erst einmal so ’ne Art verspäteten Mittagsschlaf im Hotel. Derweil hatten Daria und Johnny mir virtuell ihr Leid über den spürbaren Overtourism in Camden Town geklagt und kündigten eine baldige Rückkehr in den Londoner Postbezirk SW19 an.

Ja, die Burger bei Wetherspoon’s sind viel handlicher geworden

Wir trafen uns schließlich gegen 19:30 Uhr im The Wibbas Down Inn, wo es an einem Samstagabend zunächst keinen freien Tisch für uns gab. Aber mit sechs wachsamen Augen hatten wir schnell ein Plätzchen. Es wurden nun für zusammen knapp £ 35 (ca. 41,50 €) zwei Pints Poretti, ein Gin Tonic, einmal Fish & Chips und zwei Triple Burger mit Beilagen bestellt. Denn da Wetherspoon’s – wie im ersten Bericht dieser Reise bereits kritisch angemerkt – sein Rindfleischpatty auf 3 oz (ca. 85 gr.) geschrumpft hat, muss es für gute Esser jetzt wohl immer Double oder Triple werden…

Signor Moretti, bester Mann

Nach dem Essen machten wir auch schnell wieder die Biege und suchten in Wimbledon den Prince of Wales auf. Daria und Johnny hatten am Vorabend bereits Live Music in jenem Pub gelauscht und klangen ganz begeistert. Heute standen zwar erwartungsgemäß andere Musiker auf der Bühne, aber auch die machten ihre Sache sehr gut und rissen uns mit Covern von u. a. Songs der Cranberries, Arctic Monkeys und Amy Winehouse mit. Außerdem lief auf den Bildschirmen des Pubs die Übertragung der Abendsession aus dem Ally Pally. Herz, was willst du mehr?

Level Head Session IPA

Stimmt, Erfrischungsgetränke fehlten noch zum vollkommenen Glück. Daria blieb Gin Tonic treu, wohingegen Johnny und ich diverse Zapfhähne öffnen ließen. Laut meinen Notizen kamen Birra Moretti, Rocking Rudolph Christmas Ale, Peroni und das Level Head Session IPA auf den Tisch. War ein richtig cooler Abend, der uns gegen Mitternacht sehr zufrieden ins Premier Inn torkeln ließ.

Song of the Tour: Das Cover dieses Songs fetzte im Prince of Wales am meisten