Köln 11/2024

  • 30.11.2024
  • 1. FC Köln – Hannover 96 2:2
  • 2. Bundesliga (II)
  • Müngersdorfer Stadion (Att: 50.000)

Als ich in der britischen Times las, dass Köln den schönsten Weihnachtsmarkt in ganz Europa hat, drängte sich eine Visite in der Vorweihnachtszeit natürlich auf. Wie gut, dass Hannover 96 am 30. November in der deutschen Karnevalskapitale gastierte und ein Ticket beim Vorverkaufsstart trotz großer Nachfrage im Warenkorb landete. Am Spieltag ging es nun um 6:19 Uhr mit Milano, Melina, Ole und Kim (inklusive Nachwuchs) per ICE von Hildesheim ins Rheinland (in meinen Fall zum Preis von 51,39 €, inklusive Sitzplatzreservierung im Familienabteil).

Der Heinzelmännchenbrunnen in der Kölner Altstadt

Da der Umstieg am Frankfurter Hauptbahnhof binnen fünfminütigem Zeitfenster wider Erwarten klappte, waren wir bereits 10:04 Uhr am Zielort und suchten sogleich einen der Weihnachtsmärkte im Zentrum der Millionenstadt auf. Die riesige Auswahl an verschiedenen Märkten mit teilweise unterschiedlichen Schwerpunkten ist nebenbei die Begründung, warum The best Christmas Market in Europe laut Times ausgerechnet in einer der hässlichsten Städte des Kontinents zu finden sein soll.

Das erste Kölsch des Tages

Unsere Wahl fiel auf den Weihnachtsmarkt in der Kölner Altstadt. Der verteilt sich auf den Alten Markt und den Heumarkt, greift thematisch die Sage von den Heinzelmännchen auf und ist mit 120 Ständen der größte der insgesamt 21 (!) Weihnachtsmärkte im Stadtgebiet. Allerdings waren die Buden fast alle noch verrammelt und offiziell öffnen sollte der Markt erst um 11 Uhr. Daher schwenkten wir spontan auf eine Schankwirtschaft um. Exakt 10:30 Uhr durften wir die ersten Gäste im Tünnes und Schäl werden und ließen uns ein paar Stangen Gaffel zapfen. Es blieb natürlich nicht bei einer Runde, aber aufgrund des heutigen Fußballspiels konnten wir hier nicht wirklich alt werden.

La Cancha di Colonia

Da das 1923 eröffnete und zuletzt 2004 komplett modernisierte Müngersdorfer Stadion ein gutes Stück vom historischen Stadtkern entfernt ist, brachen wir bereits 60 Minuten vor Anpfiff dorthin auf. Außerdem mussten wir uns vorerst von Kim und ihrem Sohn trennen, da der kleine Racker noch ungefähr 13 Monate und 12 Tage zu jung für den heutigen Stadionbesuch war. Aber keine Sorge, er hat in seinem ersten Lebensjahr mit seinen Eltern schon diverse Grounds und Länderpunkte weggescheppert. Nur eben altersgerecht alles eher Kategorie Sportplatz.

Man zelebriert die FC-Hymne

Während Mutter und Kind nun Köln weiter erkundeten, sagte ich am Stadioneingang auch erstmal leise Servus. Denn Melina, Milano und Ole hatten Plätze hinter’m Tor, wohingegen mein Sitz sich im Block O12 der Gegengerade befand. Allerdings spazierte ich unterbewusst zum Block O15 auf Höhe der Mittellinie, weil ich im Niedersachsenstadion auch immer in O15 sitze. Mir fiel zwar bereits bei der Schalparade zur Kölner Clubhymne auf, dass dieser Block wohl nicht mehr zum Gästebereich gehört. Aber im eigentlich ausverkauften Stadion sollte ausgerechnet der Ticketinhaber des von mir versehentlich okkupierten Platzes nicht erscheinen, so dass ich mir einen Blockwechsel aus Bequemlichkeit schenkte.

Choreo im Gästebereich

Ich durfte daher um 12:59 Uhr mit bester Sicht gleich zwei Choreographien bewundern. Im Gästebereich auf der Nord wurde eine runde 96-Blockfahne mit Papptafeln in den Vereinsfarben schwarz, weiß und grün umrahmt. Dabei entschied man sich für ein diagonales Muster, was dem Blockzuschnitt im Unterrang Rechnung trug. Gegenüber feierte derweil mit der Jungen Horde die Nachwuchsgruppe der Wilden Horde ihren mittlerweile 20. Geburtstag per Blockfahne und Fahnenmeer. Beide Choreos très chic!

Die Junge Horde ist alt geworden

Auf dem Rasen begann der Hausherr mit dem Selbstbewusstsein von drei Siegen in den vergangenen drei Spielen und hatte gleich in der Anfangsphase ein paar gute Torchancen. 96, zuletzt dreimal sieglos, hielt sich aber schadlos und war schließlich in der 25. Minute bei einem Standard zur Stelle. Einen Leopold-Freistoß konnte Jessic Ngankam mit Köpfchen zum 0:1 veredeln. Großer Jubel bei den 5.000 Schlachtenbummlern aus Hannover, die nun ein paar Freudenfeuer entzündeten und über weite Strecken des Nachmittags auch akustisch einen zumindest soliden Auftritt hatten.

Freude über den Führungstreffer

In der Heimkurve gab es dagegen nach dem Gegentor erstmal eine ruhigere Phase und die Kölner Mannschaft ließ nach dem Rückstand zunächst ebenfalls ein adäquates Echo vermissen. Entsprechend ging es mit 0:1 in die Pause. Zeit zum Durchschnaufen, zum Bier holen, zum Pinkeln… oder zum Vermummen. Der Personenkreis, der sich für letztere Halbzeitaktivität entschieden hatte, sorgte bei Wiederanpfiff für einen rot leuchtenden Gästeblock rund um die erneut ausgerollte 96-Blockfahne. Abermals ein Augenschmaus (siehe Titelbild).

Das erste FC-Wappen von 1948

Man wünscht sich als Fan in solchen Momenten bekanntlich immer, dass der Funke buchstäblich auf die Mannschaft überspringt. Aber heute brannte es nach Wiederanpfiff erstmal nur im eigenen Strafraum lichterloh. Gleich in der 48. Minute besorgte Lemperle das 1:1 und spätestens ab jetzt kam auch die Südkurve richtig in Fahrt. Angetrieben vom Publikum, blieb der FC am Drücker und vier Minuten später bewahrte der VAR die Niedersachsen mit einer Millimeterentscheidung vor dem drohenden Rückstand.

Die Kölner Südkurve feiert den Ausgleich

Kurz danach brannte bei Max Christiansen leider ’ne Sicherung durch. Der 96-Mittelfeldspieler ging in der 55. Minute viel zu ungestüm in einen Zweikampf und sein brutal aussehender Tritt zwang den Schiedsrichter Sören Storcks regelrecht zum Platzverweis. In Überzahl drängten die Geißböcke natürlich noch mehr auf ein zweites Tor, aber Zieler und die neun verbliebenen Feldspieler stemmten sich mit Kräften dagegen. Erst in der 81. Minute schien der Joker Damion Downs den Effzeh auf die Siegerstraße zu bringen. Er verwertete eine feine Vorarbeit von Ex-96er Linton Maina zum vom kölschen Publikum heiß ersehnten Führungstreffer.

Scarves & Flares

Ich glaube 96 % der Stadionbesucher hielten das Spiel jetzt für entschieden. Doch die Roten – heute übrigens komplett in jener Farbe auflaufend, während der Gegner ganz in weiß reüssierte – schlugen überraschenderweise nochmal zurück. In der 86. Minute flankte der eingewechselte Monju Thaddäus Momuluh in den FC-Strafraum, wo mit Timo Hübers ein weiterer Ex-96er zu einer Torbeteiligung kam. Der Verteidiger verlängerte die Hereingabe ungünstig auf die Brust seines Mitspielers Florian Kainz, von wo der Ball wiederum ins eigene Netz prallte. Man muss auch mal Glück haben…

Das 2:2 wird solennisiert

Natürlich versuchte der Absteiger im Anschluss a den Ausgleich nochmal alles. Aber die Defensive des HSV von 1896 stand sowohl in den letzten vier regulären Minuten, als in auch in der fünfminütigen Nachspielzeit bombenfest. Ergo blieb es bei einer Punkteteilung, mit der beim heutigen Spielverlauf nur eines der Teams zufrieden sein konnte. Gut, es war zwar das vierte sieglose Spiel in Folge für die Leitl-Elf. Aber bei formstarken Kölnern in Unterzahl noch einen Punkt geholt zu haben, fühlte sich beinahe wie ein Sieg an.

In die Bahn bin ich allein schon aus Prinzip nicht eingestiegen

Hannover 96 verbleibt damit vorerst auf dem 4. Platz, wenngleich man mit 23 Punkten lediglich aufgrund des schlechteren Torverhältnisses nicht auf einem direkten Aufstiegsplatz steht. Zugleich fehlen dem gegenwärtigen Elften (Darmstadt 98) aber auch nur drei Punkte und ein Tor, um mit 96 gleichzuziehen. Völlig verrückte Liga bisher, in der sich nach 14 Spieltagen noch keine Spitzengruppe absetzen konnte.

Zurück am Alten Markt

Für’s Spielende hatte unsere kleine Reisegruppe der Einfachheit halber ausgemacht, dass jeder auf eigene Faust zurück ins Zentrum fährt und wir erst im Brauhaus Zum Prinzen am Alten Markt wieder zusammenkommen. Denn dort hatten wir ab 15:30 Uhr einen Tisch reserviert. Nachdem die ersten Kölsch serviert waren, fand dort jeder was Passendes in der Speisekarte. In meinem Fall war es das Kalbsschnitzel mit Bratkartoffeln, Salat und Preiselbeeren (27,90 €). Außerdem bekamen wir noch kurz Gesellschaft von zwei Freunden aus Machtsum (Grüße an Laude und Brat), so dass sich bei der zweiten Runde Kölsch gleich ein Kranz lohnte.

Eine Wiener Spezialität kölsch interpretiert

Anschließend wollten wir gerne noch einen Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt trinken. Doch am späten Samstagnachmittag war das zum Scheitern verurteilt. Das gesamte Rheinland und weite Teile Belgiens und der Niederlande hatten nämlich die gleiche Idee. In dem Geschiebe bekamen wir sogar fast schon Angst überhaupt rechtzeitig um 17:55 Uhr am Bahnhof zurück zu sein. Aber als wir Nebenstraßen erreichten, ging es aber zum Glück wieder recht flott voran.

Keine Chance auf Glühwein

Letztlich war sogar noch genug Zeit für einen Proviantkauf im Bahnhofssupermarkt und die Rückreise klappte überraschenderweise genauso reibungslos wie die Hinfahrt. Nur ein kleiner Fratz machte ganz am Ende noch etwas Terz. Nachdem er am Nachmittag und am frühen Abend brav geschlafen hatte, realisierte der Sohnemann von Kim und Ole bei Ankunft in Hildesheim wohl, dass der Ground einfach ohne ihn gemacht wurde. Normal, da wäre ich auch sauer.

Song of the Tour: Endlich kann ich mal BAP droppen