- 23.11.2024
- Hertha BSC – SSV Ulm 1846 2:2
- 2. Bundesliga (II)
- Olympiastadion (Att: 41.758)
Wenn Shacke One seinen 10. Geburtstag als Musikkünstler in seiner Heimatstadt Berlin feiert und dies zugleich den Auftakt der diesjährigen Jubiläumstour markiert, können Hörer der beinahe ersten Stunde wie Max und ich natürlich nicht fehlen. So wurde sich beim Verkaufsstart umgehend mit Tickets eingedeckt (34,99 €) und am frühen Nachmittag des Veranstaltungstages ging es von Hannover per ICE rüber nach Berlin (20,99 €).

Gegen 17 Uhr erreichten wir den Hauptbahnhof der Hauptstadt und machten uns ober- und unterirdisch auf zum Hotel Ludwig van Beethoven (***) an der Neuköllner Hasenheide. Da hatte ich uns für 70 € pro Einzelzimmer (inklusive Frühstück) einquartiert und praktischerweise war das Hotel direkt gegenüber vom heutigen Veranstaltungsort Huxleys Neue Welt.

Für die Herausforderungen des Abends wollten wir uns nach dem Check-in natürlich noch stärken und wählten dafür das Nara Restaurant in der Sonnenallee. Dort rotierten die zwei Schawarmaspieße (Rind und Huhn) senkrecht im Schaufenster über Holzkohle, was für mich den Blick in die Speisekarte obsolet machte. Ein Teller Rindfleischshawarma mit Brot, Salat, Saucen und Fritten (15 €) sollte es werden, wohingegen Max sich für eine Falafelrolle (7 €) entschied.

Anschließend waren wir zum Cornern mit Lumi ein paar weiteren Berlinern und Wahlberlinern am Späti neben dem Huxleys verabredet. Dort dröhnten aus den Boxen bereits die größten Hits von Shacke One auf die Straße und ein gut gelaunter Mob aus Freunden von Sprühkunst und Sprechgesang ließ die Bierflaschen aneinander rasseln. Die Erwartungen waren hoch wie der Fernsehturm, aber eigentlich konnte es in dieser Konstellation nichts anderes als ein großartiger Abend werden.

Ab 21 Uhr gab es das Œuvre des Künstlers endlich live im einstigen Bierpalast namens Neue Welt und bereits für’s Bühnenbild muss ich Lob loswerden. Schön zwei besprühte S-Bahn-Waggons der Linie S1 nachgebaut, die bekanntermaßen Shackes Nordberliner Heimatkieze durchquert und der biografisch somit eine nicht zu verachtete Rolle als Verkehrsmittel und Kunstfläche zuteil wurde. Nicht ohne Grund bekam auch sein viertes Soloalbum anno 2022 den Namen S1.

Während der eine Waggon offenbar mit ausreichend Nordberliner Pils für einen langen Abend gefüllt war, warteten im anderen diverse weitere Rapmusiker auf ihre Gastauftritte. So kamen im Laufe der ersten Stunde MC Kneipenkrieger, Ivo der Bandit, Tiger 104er und G.G.B. aus der S1 hervor und unterstützten Shacke One und dessen DJ Achim Funk nach Kräften. Weitere Künstler aus dem Nordachse-Kosmos wie Produzent Klaus Layer und Tausendsassa Heiko165 durften ebenfalls nicht fehlen und selbstverständlich blieb auch der tragischerweise dieses Jahr verstorbene Freund und Mitstreiter Lukas nicht unbedacht an diesem historischen Abend.

Nach gut einer Stunde sollte mit Morlockk Dilemma schließlich ein weiterer gefeierter Artist hinzukommen. Doch nach der erwartbaren Performance von altbekanntem Liedgut gab es eine kleine Überraschung. Shacke und Morlockk offenbarten jüngst für ein gemeinsames Album im Studio gewesen zu sein und fragten, ob Interesse an ein paar Songpremieren im Publikum bestünde. Unter den 1.500 Gästen herrschte in dieser Frage Einigkeit wie früher auf SED-Parteitagen und es gab entsprechend einige weitere Duette der beiden Rapkünstler.

Nach ungefähr 96 Konzertminuten vermisste man eigentlich nur noch einen musikalischen Wegbegleiter und das war MC Bomber. Dessen lange hinausgezögertes Erscheinen ließ das Publikum tatsächlich nochmal letzte Reserven mobilisieren und bei ausgewählten Tophits der legendären zwei Nordachse-Alben von Shacke und Bomber drohte die Stimmung im Saal endgültig überzukochen.

So fehlten gegen 23:15 Uhr wirklich nur noch ganz wenige Hits aus dem zehnjährigen Schaffen von Shacke One und für deren Vortrag hatte der gottverdammte Boss der Panke noch eine weitere Überraschung parat. Der Vorhang auf der Bühne fiel und dahinter kamen Live-Musiker zum Vorschein. So wurden absolute Banger wie „Karpaten & Cevapi“, „LaLaLa“ und „Kings aus Prinzip“ mit Keyboard, Gitarre, Schlagzeug und Blasinstrumenten begleitet. Was für ein fulminantes Finale dieser über zweieinhalbstündigen Reise nach Shackistan.

Der denkwürdige Abend sollte unsererseits noch bei einen paar weiteren Pils vor’m Späti ausklingen. Aber im Trubel war uns erst Lumi verloren gegangen und der Berliner Rest wurde zumindest in diesem Kiez auch nicht mehr richtig alt. So ging’s für Max und mich kurz gegen 0:30 Uhr noch zu zweit in die nahe Eckkneipe Klaus-Jürgen Brink. Dort war’s ganz gemütlich, nur leider machte die Pinte bereits um 2 Uhr die Schotten dicht. Wäre vielleicht der perfekte Zeitpunkt gewesen, um rüber ins Hotel zu spazieren. Aber irgendwie war immer noch mehr Durst als Müdigkeit zu spüren.

Ergo ging es noch ein paar Türen weiter, um in der Bierbar am Hermannplatz in der Gesellschaft von u. a. Klaus Layer und Ivo der Bandit bis exakt 3:21 Uhr weiterzuzechen. In der Bierbar war zu diesem Zeitpunkt zwar lange noch nicht Schluss, aber wir hatten unser Limit endgültig erreicht und jeder weitere Tropfen Alkohol hätte den Rest des angebrochenen Tages nur körperlich herausfordernder gemacht.

Nach kurzer Nachtruhe ging es um 9:30 Uhr zum Frühstücksbuffet und im Anschluss der kulinarischen Revitalisierung konnten wir eigentlich gleich in Richtung Olympiastadion aufbrechen. Denn heute war für uns Hertha statt Hannover angesagt. Grund: Bei unserer Reisebuchung war Hannover 96 vs. Darmstadt 98 fix auf Sonntag terminiert, so dass wir planten am heutigen Mittag noch schön zu Hertha zu gehen, danach zwecks Samstagabendspiel nach Hamburg zu düsen und Sonntagmittag schließlich das Fußballwochenende im Niedersachsenstadion ausklingen zu lassen. Allerdings hatte die DFL bei ihrer Terminierung übersehen, dass man in Niedersachsen am morgigen Totensonntag keine Profifußballspiele austragen darf und so wurde 96 nochmal kurzfristig auf Samstagmittag vorverlegt.

Max und ich waren allerdings bereits mit Eintrittskarten und Zugtickets eingedeckt, so dass wir unsere Samstagsplanung nicht nochmal umdisponierten. Ergo ging es vormittags per U-Bahn von Neukölln gen Spandau und nach einer Rutsche Konterbier im Spandauer Bierbrunnen nahmen wir die letzten Meter zum Olympiastadion in Angriff. Gegen 12:45 Uhr ließen wir uns auf unseren Plätzen im Unterrang der Gegengerade nieder (34 €) und durften dort kurz vor Anpfiff auch Lumi als Sitznachbarn begrüßen. Aber wir drei und immerhin 2.400 Gästefans konnten nicht verhindern, dass heute mit insgesamt 41.758 zahlenden Zuschauern Herthas bisheriger Saisonminusrekord verzeichnet wurde. Dabei sei jedoch angemerkt, dass letzte Saison gleich mehrere Heimspiele in der Hinrunde unter dieser Marke lagen.

Trotz finanzieller Schieflagen und sportlicher Enttäuschungen scheint Hertha nämlich wieder attraktiver und angesagter zu sein, als in manch einer Erstligasaison. Und das liegt eben nicht an großspurigen Visionen à la Big City Club, sondern am von Kay Bernstein im Juni 2022 eingeschlagenen neuen Berliner Weg. Der einstige Vorsänger der Ostkurve hat sein hohes Amt gleichermaßen mit Leidenschaft, Demut, Offenheit und Bodenständigkeit ausgefüllt und war für Fans und Mitglieder greifbar und nahbar wie wahrscheinlich kein HBSC-Präsident zuvor. Das verschaffte ihm großes Vertrauen und breiten Rückhalt bei der schwierigen Aufgabe der wirtschaftlichen Konsolidierung der Hertha.

Kays viel zu früher Tod im Januar dieses Jahres war daher nicht nur ein riesiger Verlust für alle ihm nahe stehenden Menschen, sondern ebenso für den Verein Hertha BSC und im Prinzip den gesamten deutschen Fußball. Jüngst auf der Mitgliederversammlung am 17. November hat sich daher eine überwältigende Mehrheit entschieden, dass man dem eingeschlagenen Weg weiter folgen will. Fabian Drescher, der Kay bereits als Vizepräsident unterstützen durfte und der dem Verein nun fast ein Jahr kommissarisch vorstand, wurde von 81,7 % der anwesenden Mitglieder zum neuen Präsidenten gewählt. Die Kurve griff das heute gern nochmal auf. „Ein anderer Fußball bleibt möglich“ war das per Spruchband postulierte Statement.

In der Gästekurve fiel unterdessen ein riesiges Banner an der Brüstung des Oberrangs auf. Es war im Stile eines 90er-Jahre-Fanschals gestaltet und hatte die Aufschrift „Der Wahnsinn geht weiter“. Das trifft die gegenwärtige Ulmer Gemütslage wohl ganz gut. Denn vor 10 Jahren kickten die 2009 vom Stammverein abgespaltenen SSV-Fußballer noch fünftklassig und vor fünf Jahren schien man in der 4. Liga festzustecken. Aber wie dereinst Ende der 1990er Jahre, als es überraschend von der Regionalliga bis in die Bundesliga hoch ging, zeigten die Spatzen erneut Durchmarschqualitäten und feierten 2023 und 2024 jeweils Aufstiege. Jetzt heißt es Berlin statt Balingen und die zwischenzeitlich auf einen ganz überschaubaren Kern geschrumpfte Fanszene hat einen neuen Hype.

Sportlich steht der Aufsteiger allerdings zur Zeit unter’m Strich und kam demgemäß als Außenseiter nach Berlin, wo die Hertha trotz gegenwärtig nur Platz 11 noch an der Spitzengruppe der Liga dran ist. Heute ein Heimsieg und man könnte im engen Tableau auf ein oder zwei Punkte an die Aufstiegsplätze heranrücken. Ergo nahmen die Hausherren gerne die ihnen zugedachte Favoritenrolle an und gingen früh durch Maza (6.) in Führung. Danach dominierte die Elf von Christian Fiel weiter das Spielgeschehen und konnte sich lediglich mangelhafte Chancenverwertung vorwerfen lassen. Den Beweis, dass sich so etwas gerne rächt, erbrachte nach 38 Minuten allerdings Telalović und es ging mit 1:1 in die Pause.

Nach dem Seitenwechsel schien Hertha prompt die richtige Antwort zu finden und ging durch einen Abstauber von Scherhant (52.) abermals in Führung. Doch ein schönes Solo von Ulms Krattenmacher (59.) ließ dem zweifachen Deutschen Meister (1930 & 1931) nicht wirklich eine Atempause. Es war wirklich ein flottes Fußballspiel, bei dem die Berliner sich nicht mit lediglich einem Punkt zufrieden geben wollten.

Angetrieben vom Publikum ging es also weiter voran und ein vermeintlicher Treffer von Cuisance (86.) schien der späte, aber verdiente Lohn. Nur leider hatte der VAR im Vorfeld ein Foulspiel des Franzosen gesehen und kassierte das potentielle Siegtor wieder. Es blieb somit bei einer zumindest in der Gästekurve umjubelten Punkteteilung, wohingegen die Alte Dame tabellarisch mit dem heutigen Punkt nicht wirklich Boden gut macht.

Doch diese Saison will anscheinend eh kein großer Name aufsteigen. So hatte Tabellenführer 96 parallel das Heimspiel gegen den SVD verloren (1:2) und rutscht vorerst auf Platz 4 ab. Auch Aufstiegsaspirant Fortuna Düsseldorf ließ Federn gegen Elversberg (0:2) und vom Hamburger SV reden wir gleich noch… Am Ende werden wahrscheinlich Paderborn und Elversberg direkt hochgehen und Köln, Hannover, Karlsruhe usw. dürfen sich um den Relegationsplatz kloppen. Aber so bleibt es immerhin auch 2025/26 die beste 2. Liga aller Zeiten.

Während Lumi nun das heimische Sofa anpeilen konnte, hatten Max und ich wie erwähnt noch ein weiteres Fußballspiel auf der Agenda. Wir deckten uns in Spandau deshalb fix mit ausreichend Dosenbier ein und dann ging es 15:49 Uhr auf dem schnellsten Schienenweg in die Freie und Hansestadt Hamburg (13,49 €).
- 23.11.2024
- Hamburger SV – FC Schalke 04 2:2
- 2. Bundesliga (II)
- Volksparkstadion (Att: 57.000)
Den Hamburger Hauptbahnhof erreichten Max und ich leicht verspätet gegen 18:30 Uhr. Wir quetschten uns anschließend in die nächstbeste S-Bahn gen Stadion und sammelten in Langenfelde erst Kaja und in Stellingen schließlich noch Jan ein. Zusammen ging es nun auf die Nordtribüne, auf der mir meine Freunde freundlicherweise auch ein Sitzplatzticket (35 €) organisiert hatten.

Dort hieß es um 20:30 Uhr Vorhang auf für die hanseatische Version von „Traditionsvereine, die nicht in die 1. Bundesliga aufsteigen wollen“. Wobei der HSV nach nervösen Start mit einem Doppelschlag eigentlich Hoffnungen auf Gegenteiliges weckte. Ein schöner direkter Freistoß von Richter (29.) und ein Rechtsschuss von Königsdorffer (30.) hatten für zwischenzeitliche Ekstase im Volkspark gesorgt. Danach wirkten die Rothosen selbstbewusster und u. a. Selke hatte in den nächsten Minuten das vielleicht schon vorentscheidende 3:0 auf dem Fuß.

Aber es blieb beim 2:0 und in der Pause fand Schalkes Trainer Kees van Wonderen offenbar den richtigen Ton. Jedenfalls wirkte seine Elf nach dem Seitenwechsel auch ohne personelle Veränderungen wie ausgewechselt und erzielte in der 57. Minute durch Younes den Anschlusstreffer. Das sorgte nebenbei für meine erste akustische Wahrnehmung der ca. 6.500 Gästefans. Ich war im ersten Durchgang echt am rätseln, ob die jetzt aufgrund der sportlichen Leistungen oder wegen irgendwelchen Vorfällen auf der Anreise einen Stimmungsboykott machen. Aber entweder hatten die wirklich einen verdammt miesen Auftritt in den ersten 45 Minuten oder ich saß einfach zu weit weg und meine Wahrnehmung war obendrein durch den vielen Alkohol getrübt.

Jetzt hingegen Kontrastprogramm in der Südwestecke des Stadions. Zumal die Königsblauen am Drücker blieben und vehement auf den Ausgleich drängten. Der fiel verdientermaßen in der 74. Minute durch Kapitän Kenan Karaman. Es folgte eine packende Schlussphase, in der S04 durchaus noch am Siegtreffer schnupperte. Aber auch der HSV hatte noch seine Momente und Hefti oder Selke hätten durchaus für ein Happy End sorgen können.

Letztlich blieb es auch hier bei einem Remis, was den Hamburger SV vorerst auf den 8. Platz abrutschen lässt. Entsprechend unzufrieden wirkte das Heimpublikum. Ich spürte nach Abpfiff jedenfalls den gleichen Vibe wie Anfang Februar, als ich Tim Walters letzten Auftritt als HSV-Trainer erlebt hatte (siehe Hamburg 02/2024). Der Kredit von Steffen Baumgart war offensichtlich aufgebraucht und tatsächlich folgte am nächsten Tag dessen Demission. Im nun siebten zweitklassigen Jahr der davor ausnahmslos erstklassigen Vereinsgeschichte scheitert somit bereits der sechste Trainer an der Mission Wiederaufstieg.

Mit der Vermutung, dass diesem verflixten Verein vielleicht nur noch ein Zauberer helfen kann, ging es nach Abpfiff hinaus in die nasskalte Nacht. Während Max und Kaja noch in Hamburg blieben, fuhren Jan und ich bei Jans Vater im Auto mit nach Hildesheim. Um 1:30 Uhr lag ich schließlich nach zwei alkohol- und actionreichen Tagen im heimischen Bett und leider war mir kein Ausschlafen vergönnt. Denn dass 96 I doch nicht am Totensonntag kickte, ermöglichte im Umkehrschluss eine Auswärtsreise mit 96 II in die Kurpfalz. Aber davon berichtete ich vielleicht an anderer Stelle.