- 27.10.2024
- 1. FC Magdeburg – Hannover 96 0:3
- 2. Bundesliga (II)
- Heinz-Krügel-Stadion (Att: 27.065)
Nach meiner Italienreise hätte ich mich durchaus mit einem Sofasonntag vor der Rückkehr in die Arbeitswelt anfreunden können. Allerdings gastierte 96 einmal mehr in Magdeburg und heute war es auch sportlich ein richtiges Spitzenspiel. Beide Teams waren punktgleich (16 Punkte) und ein etwaiger Gewinner würde auf Platz 2 im Tableau vorrücken. Also wurde – dank Zeitumstellung sogar relativ ausgeschlafen – um 9:14 Uhr per Deutschlandticket via Goslar und Halberstadt gen Magdeburg gereist.

Kurz vor 12 Uhr erreichte ich die Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt. Das war ziemlich zeitgleich mit Lumi und Nik, die aus anderen Himmelsrichtungen angereist waren. Gemeinsam ging es nun mit kleinem Umweg über den Domplatz zur Spielstätte des FCM. Am Heinz-Krügel-Stadion, von dessen Namensgeber übrigens heute der 16. Todestag zu beklagen war, kamen wir eine gute Dreiviertelstunde vor Anpfiff an. Wir hatten allesamt Plätze auf der Haupttribüne und jeder von uns hatte heute noch nicht wirklich was gegessen. Ergo wurde rasch ein Imbissstand für Bratwurst (4 €), Krakauer (4,50 €) oder Bratcurry mit Pommes frites (6,50 €) aufgesucht.

Dann rückte der Spielbeginn näher und der Magdeburger Fanszene war es ein besonderes Anliegen mit einer Choreographie und zwei Fackeln an einen weiteren Todestag zu erinnern (siehe Titelbild). Am späten Abend des 1. Oktober 2016 wollte der damals 25-jährige Hannes Schindler per Zug mit drei Freunden von Haldensleben nach Magdeburg fahren. Die vier FCM-Anhänger trafen im Regionalexpress auf eine größere Gruppe Fans des Halleschen FC, die sich auf der Rückreise eines Auswärtsspiels befanden. Es kam offenbar sofort zu Handgreiflichkeiten zwischen den rivalisierenden Fans. Wenig später wurde eine Tür des fahrenden Zuges notentriegelt und Hannes stürzte die Böschung hinunter. Dabei verletzte sich der junge Mann sehr schwer und erlag am 12. Oktober 2016 bedauerlicherweise jenen Verletzungen.

Ob Hannes nun in Panik gesprungen ist oder ein Schlag, Tritt oder Schubser eines HFC-Anhängers ihn aus dem fahrenden Zug befördert hat, konnten die Ermittlungen der Polizei nicht zweifelsfrei klären. Zum einen, weil die Kameras im Zug nicht funktionsfähig waren. Zum anderen, weil sich kein unmittelbarer Augenzeuge der Tragödie fand. Denn die drei Begleiter von Hannes hatten ihre Augen in dem Tumult gerade woanders, wohingegen später polizeilich ermittelte Personen der HFC-Reisegruppe entweder die Aussage verweigerten oder angaben nichts davon mitbekommen zu haben. Umstände, welche die FCM-Fanszene bekanntermaßen dazu bewegte die Derbys gegen den Halleschen FC fortan zu boykottieren. Man wolle nicht zur Normalität zurückkehren und den Spielen durch das Fernbleiben stattdessen ein Stück ihrer Bedeutung nehmen, hieß es u. a. in einer entsprechenden Stellungnahme von Block U.

Übrigens wurde heute vor dem Spiel um 11:30 Uhr die jüngst umgestaltete Erinnerungswand hinter der Heimkurve eingeweiht. Vor jener Wand mit dem großflächigen Schriftzug „Ihr seid niemals alleine!“ hat man noch ein mit Pfosten und Kordeln abgestecktes Kiesbett angelegt, wo FCM-Familie nun Kerzen, Blumen, Fotos o. ä. ablegen kann, um verstorbenen Fans an diesem Ort zu gedenken.

Im Stadion wurde außerdem die erste Minute Spielminute geschwiegen, woran sich auch die aus Hannover angereisten Fans respektvoll beteiligten. Anschließend wurde es gewohnt laut auf der Heimseite, bzw. vielleicht sogar noch einen Tick lauter als sonst. Da hatte der ausverkaufte und ebenfalls gut aufgelegte Gästesektor in den ersten Minuten zunächst Probleme sich Gehör zu verschaffen. Allerdings durfte bereits in der 13. Minute über eine frühe Auswärtsführung gejubelt werden. Andreas Voglsammer kam bei einem Eckstoß relativ unbedrängt im Strafraum zum Kopfball und drückte das Leder zum 0:1 in die Maschen.

Während der Block U danach allein schon aus Trotz nochmal eine richtig gute Phase hatte, blieb die lautstark unterstützte Heimmannschaft eine passende Antwort schuldig. Stattdessen servierte ihr Torhüter Reimann wenig später beim missglückten Abfangversuch einer Flanke dem Voglsammer Andreas das 0:2 auf die Stirn (23.). Jetzt wurde die Laune der knapp 2.800 Schlachtenbummler aus Hannover noch besser, während ihr Team auf dem Rasen die Führung klug bis zur Pause verwaltete. Man überließ den Ball weitgehend den Blau-Weißen, stand aber so gut, dass die kaum was Gescheites mit der Kugel anfangen konnten. Bei den wenigen Torschüssen der Hausherren war ansonsten Ron-Robert Zieler zur Stelle.

Nach dem Wiederanpfiff ging das erstmal so weiter. Allerdings hatte ich schon das Gefühl, dass ein Anschlusstreffer die Karten wieder neu mischen könnte. Wie gut, dass der eingewechselte Håvard Nielsen in der 75. Minute einen schönen Konter zum vorentscheidenden 0:3 abschloss. Da war der endgültig von Siegesgewissheit ergriffene Gästesektor einmal mehr im ganzen Rund zu vernehmen. Und überhaupt kamen spätestens im zweiten Durchgang mehrere Gesänge und Schlachtrufe im sich diversen Kunstpausen gönnenden Block U an. Das verrieten allein schon die Reaktionen darauf.

Es war sicher nicht das bisher stimmungsvollste Duell dieser zwei Traditionsvereine, aber schlecht war die Atmosphäre trotzdem auf keinen Fall. Die Messlatte, die bei den bisherigen Aufeinandertreffen gesetzt wurde, ist nun mal erfreulicherweise sehr hoch und kann wahrscheinlich nicht jedes Mal auf’s neue gerissen werden. So wie mittlerweile überhaupt hohe Maßstäbe in Deutschlands Fanlandschaft herrschen. Sogar so hohe, dass selbst die mitgereisten Aerosolkünstler mit ihrer heutigen Graffiti-Aktion im Gästesektor auf keinen Innovationspreis hoffen können. Auch das hat Deutschland so oder so ähnlich schon mehrfach gesehen. Nett sah das Ergebnis natürlich trotzdem aus (Fotos).

Die Gastmannschaft aus Niedersachsen ließ in der Schlussviertelstunde natürlich nichts mehr anbrennen und hatte am Ende mit gerade einmal 29 % Ballbesitz einen klaren Auswärtssieg eingefahren. Während der 1. FC Magdeburg nun erst einmal von Platz 2 auf Platz 9 durchgereicht wurde, klettert der Hannoversche Sportverein hingegen von 6 auf 2. Allerdings mit eben nur drei Punkten mehr als der Neunte… Das Tableau ist nach knapp einem Drittel der Saison wirklich noch sehr eng und in der Gesamtschau der ersten zehn Spieltage sehe in 96 gewiss (noch) kein gefestigtes Spitzenteam. Legt die Leitl-Elf kommendes Wochenende gegen den Tabellennachbarn KSC allerdings den nächsten Sieg nach, wird es vielleicht doch mehr als eine Momentaufnahme.

Nach Anpfiff verabschiedete ich mich umgehend von Nik und Lumi, da ich gerne den erstbesten Zug gen Heimat bekommen wollte. Der fuhr gerade mal eine gute halbe Stunde nach Spielende und sollte entsprechend des knappen Zeitfensters nahezu ohne Stadionbesucher losrollen. So war mir nicht nur eine frühabendliche Heimkehr, sondern auch ein Sitzplatz gewiss. Ferner suchte ich auf der Fahrt nach guten Ansetzungen am kommenden Donnerstag (Reformationstag), entdeckte jedoch nichts Gescheites in Niedersachsen. Na ja, geht es endlich mal wieder in den Harz…