- 20.09.2024
- SC Paderborn 07 – Hannover 96 2:1
- 2. Bundesliga (II)
- *** Arena (Att: 15.000)
An die Pader reist von der Leine immer ein ganzes Geschwader… Daher graute mir eigentlich vor der S-Bahn-Fahrt ins südliche Ostwestfalen. Überhaupt reizte diese Auswärtsfahrt so gut wie gar nicht und der widerliche politische Populismus in Sachen kommendes Niedersachsenderby (siehe Hannovereint) sorgte ebenfalls eher für Frust als Lust. Aber im Zweifelsfall lasse ich mir tausendmal lieber vom SC Paderborn, als von Daniela Behrens die Freude am Fußball nehmen. Also habe ich mir doch noch ein Ticket für die Gegengerade organisiert und mich nach Feierabend in die erstbeste S-Bahn gen Paderborn gesetzt. Wozu hat man schließlich dieses Deutschlandticket?

Die Bahn um 13:55 Uhr war natürlich so voll wie erwartet und rollte deshalb zunächst auch gar nicht los. Erst als beide Zugteile gewichtsmäßig ausgeglichen waren, nahm der Hobel seine Fahrt auf. Am Ende kamen wir mit +33 in Paderborn an. Aber da der Anpfiff dennoch über zwei Stunden in der Zukunft lag, organisierte ich mir nun gern die zweite Mahlzeit des Tages. Made in Bärlin am Westerntor wirkte zwar eigentlich zu hip für einen guten Dönerläden, aber das Gegenteil war der Fall. Ich sagte am Tresen “Einmal alles bitte” und bekam für 10 € einen Teller – respektive eine Kunststoffschachtel – mit Kalbfleisch, Hähnchenfleisch, Grillgemüse, Pommes frites, Salat, Fladenbrot und drei Saucen (Knoblauch, Kräuter und Scharf). Alles sehr delikat. Klare Empfehlung an dieser Stelle.

Vom Westerntor fahren ferner die Shuttlebusse zur Spielstätte des SC Paderborn 07 ab. Ich nahm kurz nach 17 Uhr einen davon und hatte auf dem Stadionvorplatz um exakt 17:30 Uhr ein Pilger Landbier in der Hand (0,5 l für 5 €). Das entpuppte sich als deutliches Upgrade zu Warsteiner in den Vorjahren. Auch sieht diese 2008 eröffnete Arena – die übrigens bereits den vierten Sponsorennamen trägt – durch den Oberrang mittlerweile etwas weniger nach Lagerverkauf eines Möbelhauses aus und ist nun tatsächlich optisch vom bisherigen Zwilling im polnischen Gliwice (Gleiwitz) zu unterscheiden. Aber wirklich schön ist das Ding trotzdem nicht und der Standort am Arsch der Heide bleibt auf ewig kacke.

Nach ein bisschen Plausch am Gästeparkplatz, ging es schließlich eine knappe halbe Stunde vor Spielbeginn durch’s Drehkreuz. Ich saß mal wieder im I-Block (37,95 € im Clubsale) und nachdem die immer noch fürchterliche Playlist ertragen war, rollte pünktlich um 18:30 Uhr der Ball. Ich hätte heute zwar kein Geld auf 96 gesetzt, aber insgeheim hoffte ich schon auf einen Punkt oder vielleicht sogar deren drei. Schließlich war der Hannoversche Sportverein am 05.05.2024 im Niedersachsenstadion erstmals überhaupt gegen den Sportclub Paderborn siegreich gewesen (im 10. Anlauf). Einen vermeintlichen Fluch scheint es also doch nicht zu geben. Außerdem hat der SCP keine Ex-96er mehr im Kader, die heute gegen uns treffen können.

Es folgte ein flotter Spielbeginn, bei dem beide Teams bereits in den ersten zehn Minuten zu mehreren gefährlichen Abschlüssen kamen. Das erste Tor des Abends gelang aber leider den Hausherren, als Koen Kostons in der 9. Minute im Strafraum abstauben konnte. Scheisse! Doch alles wie immer in dieser seelenlosen Arena an der Autobahnanschlussstelle Paderborn-Elsen? Ein eigentlich nicht meinem Naturell entsprechender Pessimismus durchfuhr meine Glieder. Ich hoffte plötzlich nur noch, wenigstens nicht schon in der 1. Halbzeit drei- oder viermal „Hermann Löns, die Heide, Heide brennt” zu hören…

Aber die Kampfmannschaft des großen niedersächsischen Traditionsvereins brach nicht ein, sondern drängte motiviert auf den Ausgleich. Nach guten Chancen von Tresoldi (15.) und Ngankam (18.), sollte es schließlich in der 19. Minute soweit sein. Eine Flanke von unserem polnischen Neuzugang Bartłomiej Wdowik lenkte ausgerechnet Paderborns Kostons schwer bis unhaltbar ins eigene Tornetz ab. Der sowieso ganz gut aufgelegte Gästeblock durfte daher erst- und hoffentlich nicht letztmals an diesem Freitagabend jubeln.

Weitere Torfreude bei UH, GU & Co schien nach dem Ausgleich auch tatsächlich nur eine Frage der Zeit. Tresoldi (27., 31.), Leopold (37.) und Halstenberg (38.) kamen teilweise zu sechsundneunzigprozentigen Chancen. Doch Paderborns niederländischer Schlussmann Pelle Boevink hatte bedauerlicherweise einen Sahnetag. Bei dem musste sich der mehr oder weniger 1907* gegründete SCP bedanken, dass das Spiel nicht zu Gunsten der in jener Phase deutlich aktiveren Niedersachsen kippte.

Zwar hatten die bisher in dieser Saison ungeschlagenen Ostwestfalen (zwei Siege, drei Unentschieden) kurz vor dem Seitenwechsel auch noch ein, zwei gute Gelegenheiten zum 2:1. Aber aus hannoverscher Perspektive war das heute nicht nur auf den Rängen ein guter Auftritt. Im Großen und Ganzen schritt ich leicht euphorisiert zum Pausentee. Und weil Tee gerade aus war, gab es spontan noch ein weiteres Landbier.

An der bernsteinfarbenen Bierspezialität nippend, beobachtete ich während Halbzeitpause vorfreudig die Choreovorbereitungen im Gästesektor. Bei Wiederanpfiff sollten silberne Folienfetzen glitzern und pyrotechnische Erzeugnisse leuchten. Betitelt war dieser Augenschmaus mit den Worten “Hannovera Fantastica” und dazu war am Zaun eine Abbildung von mutmaßlich jenem Magier zu sehen, der die verbotene Pyrotechnik der Ultras jedes Mal am Ordnungsdienst vorbei zaubert. Schön. Hat die Polizei da endlich mal ein Gesicht zu.

Magisch ging es mitunter auch auf dem Rasen weiter. Doch Lee traf nach rund einer Stunde leider nur den Pfosten und ansonsten war der Hexer im Paderborner Gehäuse immer noch auf Zack. Dessen Vorderleute waren weiterhin ebenfalls nicht ohne, so dass es spannender Schlagabtausch blieb. Bedauerlicherweise mit dem glücklicheren Ende für den SCP. Deren 19jähriger Zauberlehrling Ilyas Ansah dribbelte sich in der 77. Minute in die Gefahrenzone, tunnelte Neumann und schlenzte die Lederkugel an Zieler vorbei. Scheisse! Doch nochmal „Hermann Löns, die Heide, Heide brennt”.

Die neuerliche Führung riss auch weite Teile des Publikums buchstäblich vom Hocker und der harte Kern in der Mitte der Heimkurve musste in der Schlussphase nicht mehr ganz allein für die akustische Unterstützung der Blau-Schwarzen sorgen. Nebenbei schien die Singing Area der Szene gegenüber den Vorjahren wenigstens noch ein bisschen gewachsen zu sein und gefühlt nahm ich sie diesmal auch lauter wahr. Es ist und bleibt Paderborn, wo einerseits nicht die Riesentradition vorhanden ist und andererseits Stadt und Umland gewisse quantitative Grenzen setzen. Aber egal ob Provinz oder Metropole, Ultrà scheint für die deutsche Jugend inzwischen noch attraktiver als vor 10 oder 20 Jahren geworden zu sein. Da kommt selbst Paderborn ein bisschen voran und grundsätzlich finde ich das gut.

Leider blieb die Leitl-Elf in der Schlussphase eine Antwort schuldig, so dass es an der Pader sportlich ebenfalls vorangeht. Tabellarisch konnte man mit dem heutigen Heimsieg auf den 4. Platz vorstoßen und somit an 96 vorbeiziehen (jetzt Sechster). Außerdem bleibt zumindest die Heimweste gegen die Roten bis auf Weiteres weiß. Aber läuft heute – abgesehen von den ewigen Wiederholungen – noch Knight Rider, A-Team oder Baywatch im TV? Richtig… Jede Serie geht irgendwann mal zu Ende!

Nach Abpfiff bekam ich erfreulicherweise das Angebot bei Gasthaus und Milano Pete im PKW gen Hildesheimat mitzufahren, weil ihre Rückbank von der Hinfahrt jetzt andere Pläne hatte. Waren a) zwei unterhaltsame Stunden mit diesen beiden Ulknudeln vom Unsinnbach, b) war es natürlich viel komfortabler als ’ne überfüllte S-Bahn und c) war ich eine Stunde früher als mit der ÖPNV-Variante im Bett. Da es am nächsten Morgen früh raus ging, kam mir das sehr entgegen. Tenor auf der Rückfahrt war von uns allen übrigens: “Das war heute aber wirklich das letzte Mal Paderborn. Ich fahr‘ da nie wieder hin.” Wir sehen uns dann nächste Saison in Paderborn…
*Der Stammbaum des SCP: Die älteste Wurzel ist die 1907 in Neuhaus gegründete Arminia, die ab 1919 als SV 07 Neuhaus firmierte. Weitere Wurzeln sind der 1908 gegründete FC Preußen Paderborn (ab 1968 1. FC Paderborn) und der TuS Sennelager von 1910. Besagter TuS Sennelager fusionierte wiederum 1973 mit dem SV 07 Neuhaus zum TuS Schloß Neuhaus und jenes Fusionsprodukt schloss sich 1985 mit dem 1. FC Paderborn zum TuS Paderborn-Neuhaus zusammen. Jener TuS Paderborn-Neuhaus benannte sich dann im Jahre 1997 in SC Paderborn 07 um.