- 15.06.2024
- TSV 1894 Mosigkau – SV Germania 08 Roßlau 0:5
- Kreispokal Anhalt (Finale)
- Paul-Greifzu-Stadion (Att: 369)
Als am Abend des 9. Juni die aus meiner Sicht unerfreulichen Ergebnisse der Europawahl über den Äther gingen, war ich tief betrübt. Die Partei für schulmedizinische Verjüngungsforschung hatte es leider nicht nach Brüssel geschafft. Es wird wohl eher nochmal einen zweiten Versuch für ein Tausendjähriges Reich geben, als dass wir Menschen in absehbarer Zeit bis zu 1.000 Jahre alt werden können. Von dieser Erkenntnis musste ich mich dringend ablenken und plante einen kurzfristigen Kurztrip für’s kommende Wochenende. Dazu wurde meine touristische Bucket List für Mitteldeutschland mit den Spielplänen der dortigen Fußballwettbewerbe abgeglichen. In Dessau matchte es dabei am gewaltigsten. Zwei mir noch unbekannte Welterbestätten und ein Pflichtspiel im selten bespielten Paul-Greifzu-Stadion.

Am 15. Juni ging es also per Deutschlandticket um 8:14 Uhr von Hildesheim nach Dessau. Den Hauptbahnhof der Doppelstadt Dessau-Roßlau (2007 per Kommunalreform vereinigt, gegenwärtig ca. 80.000 Einwohner) erreichte ich um 11:56 Uhr, so dass heute bereits ein halber Tag Kulturprogramm möglich war. Mein Schwerpunkt sollte dabei dem Bauhaus gelten. Ich hatte online für 25 € ein Kombiticket für alle Dessauer Stätten dieser bedeutenden Kunst- und Architekturschule erworben und suchte als erstes das Bauhausgebäude auf. Es wurde 1925 von Walter Gropius (* 1883; † 1969) entworfen und binnen weniger Monate als neue Bildungsstätte für das 1919 ursprünglich in Weimar gegründete Staatliche Bauhaus errichtet.

Nachdem rechte Kräfte in der thüringischen Landesregierung das Bauhaus aus Weimar vertrieben hatten, konnten Gropius & Co im damals sozialdemokratisch regierten Freistaat Anhalt – dessen Hauptstadt Dessau war – ihre Idee der Zusammenführung von Kunst und Handwerk fortsetzen. Die Studenten belegten am Staatlichen Bauhaus zunächst einjährige Vorkurse, in denen sie mit Farben, Formen und Materialien experimentierten. An einen erfolgreichem Vorkurs schloss wiederum die praktische Arbeit in den Werkstätten des Bauhauses an. So gab es u. a. eine Tischlerei, eine Weberei und eine Druck- und Reklamewerkstatt. Begleitet wurde dieser handwerkliche Ansatz natürlich auch von theoretischer Hochschullehre. Gropius gelang es etliche renommierte Künstler und Architekten für das Bauhaus zu gewinnen. So wirkten u. a. Oskar Schlemmer, László Moholy-Nagy, Lyonel Feininger, Wassily Kandinsky und Paul Klee in Dessau.

Der moderne Gebäudekomplex aus Stahlbeton und Glas wurde zugleich zu einem architektonischen Wahrzeichen der Stadt Dessau und gehört mittlerweile zusammen mit weiteren herausragenden Bauwerken des Bauhauses zum UNESCO-Welterbe. Heute beherbergen die Räumlichkeiten die Stiftung Bauhaus Dessau, die sich die Bewahrung des Erbes dieser Bildungsstätte verschrieben hat und Interessierten die einstige Lehre an diesem Ort vermittelt.

Nachdem ich mein Wissen über Lehre und Grundsätze (z. B. Form follows function) des Bauhauses im einstigen Hochschulgebäude nochmal aufgefrischt hatte, ging es weiter zu den wenige hundert Meter entfernten Meisterhäusern. Für den Direktor und die so genannten Meister hatte Gropius 1925/26 in Dessau Stadtvillen nach den Prinzipien des Bauhauses errichten lassen. Die Häuser sollten schnell und kostengünstig gebaut werden können, aber zugleich modern und ästhetisch werden. Gropius entwarf nun verschiedene Module, die er im Baukastensystem unterschiedlich zusammensetzen konnte. Sie wurden mit großzügigem Wohnraum und seinerzeit modernster Haustechnik ausgestattet (z. B. mit elektrischen Warmwasserbereitern des Dessauer Ingenieurs Hugo Junkers).

Ferner wurde jede Doppelhaushälfte zusätzlich mit einem Atelier für die Meister versehen. Mehrere tausend Gemälde und Zeichnungen entstanden dort, so dass die Meisterhäuser nebenbei als bedeutendste Künstlerkolonie der Weimarer Republik gelten. Als es mit jener Republik zu Ende ging, waren allerdings auch die Tage des Bauhauses gezählt. Für die Nazis war das Bauhaus ein Hort jüdisch-bolschewistischer Ideen. Als die NSDAP in Anhalt bereits 1932 ein bestimmender Machtfaktor wurde, strich sie dem Bauhaus unverzüglich die staatliche Förderung. Nach der reichsweiten Machtergreifung der Nazis im Folgejahr, setzte schließlich auch die politische Verfolgung der Künstler und Architekten ein. Viele Mitglieder des Bauhauses gingen nun ins Exil. wobei es insbesondere die Mitglieder jüdischen Glaubens nach Palästina zog (wo sie u. a. das Stadtbild von Tel Aviv maßgeblich prägen sollten).

Nach meinem Besuch der Meisterhäuser lag ein Streifzug durch das angrenzende Georgium förmlich auf dem Silbertablett. Dieses in den 1780er Jahren erschaffene Ensemble aus Schloss und Georgengarten gehört zusammen mit den Schlössern und Gartenanlagen Oranienbaum, Mosigkau, Luisium und Wörlitz zum insgesamt knapp 150 km² großen Gartenreich Dessau – Wörlitz und ist somit Teil des gleichnamigen Eintrages ins Welterbe der UNESCO.

Benannt sind Schloss- und Parkanlage übrigens nach ihrem Bauherrn Prinz Johann Georg von Anhalt-Dessau (* 1748; † 1811). Sein Georgium sollte dem Bruder des damaligen Fürsten Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (* 1740; † 1817) fortan als Sommerresidenz dienen. Während die Gartenanlagen heute ein schönes Naherholungsgebiet für die Dessauer Bürger sind, beherbergt das einstige Schloss von Prinz Georg mittlerweile die Anhaltische Gemäldegalerie (ein Kunstmuseum mit vielen Gemälden der alten Meister). Sicher auch einen Besuch wert, aber meine Agenda war heute schon mit Dessaus architektonischen Perlen ausreichend gefüllt.

Auf jener Agenda stand nun das Umweltbundesamt (UBA), welches unweit des Hauptbahnhofs in einem architektonisch spannenden Neubau von 2005 zuhause ist. Laut Ausschreibung sollten die Architekten in ihrem Entwurf technisch und ästhetisch auf die Fragen des Klimawandels reagieren und somit die Aufgaben des Umweltbundesamts in eine Architektursprache übersetzen. Das letztlich beauftragte Büro Sauerbruch Hutton setzte nun nicht nur auf höchste Energieeffizienz, sondern auch auf einen Entwurf, der die Umwelt regelrecht ins Gebäude hinein holt. Ein offenes Atrium mit Wasserbecken und Pflanzen, überspannt von einem Glasdach, sorgt für gutes Mikroklima und viel Tageslicht in diesem Gebäudekomplex. Formen und Farben greifen außerdem Ideen des Bauhauses auf, was den Siegerentwurf von Sauerbruch Hutton sehr in die Dessauer Architekturlandschaft passen lässt.

Weil das 1974 ursprünglich in West-Berlin gegründete Umweltbundesamt ausgerechnet heute seinen 50. Geburtstag mit einem großen Festakt und einem Tag der Offenen Tür feierte, konnte ich das Bauwerk erfreulicherweise auch von innen erkunden. Dort präsentierten UBA-Mitarbeiter interessierten Gästen gern ein bisschen was von ihrer Arbeit. An den zahlreichen Stationen drehte es sich thematisch u. a. um saubere Luft, Recycling, Artenvielfalt, Trinkwasserqualität und Klimaneutralität. Alles Umweltthemen zu denen entweder im Umweltbundesamt direkt oder extern an Hochschulen im Auftrag des UBA geforscht wird. Denn eine Kernaufgabe des Umweltbundesamtes ist die wissenschaftliche Beratung der politischen Entscheidungsträger in umweltpolitischen Fragen (weiters ist das UBA u. a. noch für die Überwachung der Einhaltung von Umweltgesetzen und für öffentliche Informations- und Aufklärungsarbeit zuständig).

Zur Feier des Tages wurden außerdem UBA-Chroniken an die Besucher verschenkt. Als ich auf dem Cover „40 Jahre Umweltbundesamt“ las, dachte ich zunächst an einen Fehldruck. Aber nein, mir wurde entgegnet, dass man vor 10 Jahren viel zu viele Chroniken gedruckt hatte und deshalb auf eine neue Version verzichtet wurde. Wer sich für die UBA-Arbeit der letzten zehn Jahre interessiere, können den Rest der Chronik gerne auf der Homepage nachlesen. Da mich besonders die Entstehungsumstände und die ersten Jahrzehnte des Umweltbundesamtes interessierten, griff ich trotzdem zu und las später im Hotel noch Erstaunliches…
„Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unvermindert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.“
Dennis Maedows in die „Die Grenzen des Wachstums“ (1972)
Zwar mussten unsere Vorfahren Anfang der 1970er Jahre noch keine Angst haben, dass ihnen so’n Habeck von heute auf morgen die Gasheizung aus dem Keller reißt oder unsere schöne Natur überall mit hässlichen Windrädern verschandelt wird, aber offenbar war die Wissenschaft trotzdem schon von grünen Ideologen unterwandert. Denn schon vor über 50 Jahren war die These vom angeblich menschengemachten Klimawandel salonfähig und die heute so gefährlichen Degrowth-Fantasien der totalitären Ökoterroristen setzte seinerzeit ein gewisser Club of Rome in die Welt. Die verrückte Kernthese in der 1972 vom Club of Rome veröffentlichten Kampfschrift “Die Grenzen des Wachstums”: Unser wachsender Wohlstand geht mit der Zerstörung unserer ökologischen Lebensgrundlagen einher und – FDP-Wähler bitte nicht weiterlesen – der Markt alleine könne das nicht regeln.
„Geht aber die Industrialisierung und die Bevölkerungsexplosion ungehindert weiter, dann wird spätestens in zwei bis drei Generationen der Punkt erreicht, an dem beim Erdklima unvermeidlich irreversible Folgen globalen Ausmaßes eintreten.“
Deutsche Physikalische Gesellschaft (1971)
In diesem politischen *hö, hö* Klima rang sich die damalige Regierung 1974 durch das Umweltbundesamt einzurichten und diese Behörde begann leider sofort alle mit ihrer linksgrünen Agenda zu drangsalieren. Sie nahmen uns beispielsweise die Asbeste in den Baustoffen, das Blei im Benzin und die Fluorchlorkohlenwasserstoffe in den Spraydosen. Ferner drückte das Umweltbundesamt der Autoindustrie immer wieder neue und noch schärfere Abgasnormen auf oder zwang Industriebetriebe zum Einbau teurer Filteranlagen in deren schöne Fabrikschlote. Schamlos feierte sich das UBA in seiner Chronik für seine marktfeindlichen Eingriffe in unsere Wirtschaft und die dreiste Bevormundung der Bürger ab.
Seit seiner Gründung am 22. Juli 1974 hat das UBA maßgeblich zum Schutz der Umwelt beigetragen. Die Luft ist sauberer geworden, die Trinkwasserqualität hat sich deutlich verbessert und ebenso die Gesundheit der Menschen insgesamt.
Umweltbundesamt (2014)
Zum Glück hat das Umweltbundesamt noch kein Fleischverbot durchgesetzt. Andernfalls wäre ich nach meiner UBA-Visite nicht in den Genuss eines Döners beim benachbarten Drehspießspezialisten Kebabas gekommen. Der Besuch lohnte gerade heute, da samstags alternativ zum Standardspieß mit Hackfleischanteil auch einmalig pro Woche ein Yaprak hinter’m Tresen rotiert. Fleisch vom letzterem Spieß kostete im Fladenbrot zwar 9 € statt 7 €, aber selbstverständlich war dieser „wahre“ Döner Kebab aus 100 % Scheibenfleisch meine Wahl. Dazu gab es noch eine Portion angebratene Peperoni und einen Granatapfeleistee (je 3 €). Mundete alles sehr!

Nach dem verspäteten Mittagessen checkte ich gegen 16 Uhr zunächst im zentral gelegenen Dormero Hotel (****) ein (EZ für 59,90 €, inklusive Frühstück), dann wollte ich mich erneut dem Bauhaus widmen. Schließlich war der Eintritt im 2019 eröffneten Bauhaus Museum auch noch in meinem Kombiticket enthalten. Jenes Museum wurde nach dem Entwurf des Architekturbüros addenda architects errichtet und knüpft wenig überraschend mit seinem Materialmix und seiner Formensprache an das architektonische Erbe des Bauhauses an.

Drinnen bietet Gebäude im Erdgeschoss viel Raum für Diskussionsforen, Konzerte und ähnliche Publikumsveranstaltungen, während im Obergeschoss eine Auswahl der insgesamt rund 50.000 Exponate großen Sammlung der Stiftung Bauhaus Dessau zu bestaunen ist. Anhand originaler Möbel, Gebrauchsgegenstände, Fotografien, Zeichnungen und Kunstwerke vermittelt die Dauerausstellung nochmal anschaulich die Arbeit am Bauhaus und die daraus resultierenden Ergebnisse und Nachwirkungen. Es werden Themen wie die künstlerischen und handwerklichen Ansätze und der Weg vom Experiment oder Entwurf zum industriellem Prototyp beleuchtet. Zugleich wird alles nochmal in den zeitgeschichtlichen Kontext gesetzt.

Nach einer Stunde im Museum, machte ich um 17:30 Uhr beim Thema Bauhaus erstmal wieder den Deckel drauf. Nun stand ein Spaziergang zum 1.896 m entfernten Paul-Greifzu-Stadion auf dem Tagesplan, wo um 18 Uhr das Finale des Kreispokals Anhalt angepfiffen werden sollte. Dabei durften sich der TSV 1894 Mosigkau und der SV Germania 08 Roßlau über immerhin 369 zahlende Zuschauer freuen. Darunter sicher mindestens 100 Menschen, die wie ich zuvorderst wegen der Spielstätte angereist waren.

Mit seinen 20.000 Plätzen verpasst das Paul-Greifzu-Stadion nämlich nur knapp die Top 50 der größten Stadien unserer Bundesrepublik. Zugleich gibt es nur sehr unregelmäßig die Möglichkeit dort ein Fußballspiel zu besuchen. Denn die Dessauer Fußballvereine sind bekanntermaßen allesamt weit weg vom großen Fußball und benötigen für ihr Tagesgeschäft keine Spielstätte dieses Ausmaßes. So muss der geneigte Stadiontourist auf Gelegenheiten wie heute warten.

Bei der Stadioneröffnung im Oktober 1952 herrschten allerdings noch andere Vorzeichen. Da grassierte an der Mulde großes Fußballfieber und die BSG Motor Dessau zog die Massen an. Jene Betriebsgemeinschaft war 1949 – noch unter dem Namen BSG Waggonbau Dessau – Sieger der Erstaustragung des FDGB-Pokals geworden (DDR-Pendant zum DFB-Pokal) und zugleich ein Gründungsmitglied der im selben Jahr gestarteten DDR-Oberliga. Die Premierensaison schlossen die Dessauer im Sommer 1950 als Dritter ab und parallel machten sich die Stadtväter Gedanken über ein neues Stadion. Aus dem noch reichlich vorhandenen Trümmerschutt des Zweiten Weltkriegs erbaute die Bevölkerung 1951/52 dann in über 50.000 freiwilligen Arbeitsstunden das zunächst für 35.000 Besucher ausgelegte Paul-Greifzu-Stadion (benannt nach einem am 10. Mai 1952 in Dessau tödlich verunglückten Motorsportler).

Leider stieg die BSG Motor bereits 1954 aus der Oberliga ab und sollte nie wieder in die Beletage des DDR-Fußballs zurückkehren. Seit 70 Jahren findet der Spitzenfußball deshalb nur ganz sporadisch seinen Weg nach Dessau. Ausnahmen waren vor der Wende noch zwei FDGB-Pokalendspiele (1964 und 1973) und nach der Wiedervereinigung berücksichtigte der DFB das Paul-Greifzu-Stadion immerhin zweimal als Austragungsort für den mittlerweile abgeschafften Ligapokal. Ferner verlegte der TSV Völpke im Sommer 2004 sein DFB-Pokal-Duell mit dem FC Bayern ins über 100 km entfernte Dessau. 20.728 Zuschauer sahen damals an der Mulde vier Tore von Roque Santa Cruz und je einen Treffer von Mehmet Scholl und Owen Hargreaves.

Keine zwei Jahre ist es außerdem her, dass nochmals ein Amateurverein seine Erstrundenpartie des DFB-Pokals in Dessau austragen wollte. Denn der FC Teutonia 05 Ottensen fand in Hamburg und ganz Norddeutschland keinen Austragungsort für sein Kräftemessen mit dem dubiosen Konstrukt RB Leipzig. Wie schön für die Hanseaten, dass sich das ferne Dessau schließlich anbot. Doch wenige Tage vor der Partie verätzten bis heute unbekannte Unholde den Rasen des Spielfelds mit einer giftigen Substanz. Entgegen der eigenen Wettbewerbsregularien erlaubte der DFB nun eine Austragung bei der eigentlichen Gastmannschaft in Leipzig.

Aber Schluss mit Anekdoten, rein ins heutige Geschehen. Germania 08 ging als frisch gekürter Landesligaaufsteiger in Partie, während die TSV Mosigkau diese und auch kommende Saison lediglich in der Kreisoberliga unterwegs sein darf (übrigens zusammen mit der 2. Mannschaft der Germanen). Entsprechend klar waren die Rollen verteilt und der Kreispokal Anhalt kannte zumindest in diesem Endspiel keine eigenen Gesetze. So zeichneten sich die Roßlauer Akteure Kühne (32.) und Franzel (41.) für eine komfortable Pausenführung aus, ehe Fleischer (63.), Ruge (66.) und Reichert (87.) nach dem Seitenwechsel für ein standesgemäßes Endergebnis sorgen sollten.

Die Mosigkauer hatten zwar gut gekämpft, aber der Klassenunterschied war dadurch nicht wettzumachen. Nichtsdestotrotz war ihre Entourage zufrieden mit dem couragierten Auftritt. Germania 08 hatte hingegen nach der Staffelmeisterschaft in der Landesklasse auch noch einen Pokalsieg zu feiern und tat das ausgelassen mit Fans und Familienangehörigen. Nebenbei berechtigt der Triumph im Kreispokal zur Teilnahme am Sachsen-Anhalt-Pokal in der kommenden Saison.

Mich zog es nach Abpfiff rasch wieder in die Innenstadt, wo ich mir noch ein schönes Abendessen gönnen wollte. Ich hatte es auf das Restaurant Tobi ornot ToBe von Tobias Felger abgesehen, welches in Magazinen und Gastroguides schon die oder andere überregionale Würdigung erhalten hat. 20:30 Uhr nahm ich dort einen Platz ein und ließ mir gern vom heutigen Tagesmenü erzählen. Letztlich stellte ich mir aber doch lieber Gänge à la carte zusammen und stieg mit den Tobillas in den kulinarischen Abend ein. Es handelt sich dabei um drei hausgemachte Sauerteig-Tacos mit gezupfter Schulter vom Leicoma*, Möhre und Pastinake. Garniert ist das Ganze mit Wildkräutern von einem Dessauer Urban Gardening Project.

Hauptgang wurde anschließend ein so genannter Pastafetzen mit gegrillter Wachtelbrust, ein wenig Schmorgemüse, Hartkäse, Pesto, Pimientos de Padrón und verschiedenen Ölen. Diesen Gang ließ ich nun auch von einer passende Scheurebe aus der Pfalz begleiten, während ich ansonsten an diesem schwülen Frühsommerabend auf eine Flasche Wasser als Getränkebegleitung setzte.

Als Dessert folgte nach dem Hauptgang noch eine Kreation namens Glaube – Liebe – Hoffnung. Dahinter verbarg sich Parfait au caramel in einem Schokoladenspitz nebst einer Hostie und Zuckerfäden. Ergänzt wurde die süße Versuchung von einem Hausbrand mit Vanille und Bitterorange. Alle drei Gänge sahen im Resümee nicht nur spannend aus, sondern schmeckten auch aufregend. Tolle Kreationen, die zusammen mit einer Flasche Wasser und einem Glas Wein gerade einmal mit 59,90 € zu Buche schlugen.

Nach knapp zwei Stunden Fine Dining ging es gegen 22:30 Uhr ins nur 300 m von Restaurant entfernte Hotelbett. Der Wecker war auf 8 Uhr gestellt, aber der Körper war bereits um 6:53 Uhr der Ansicht, dass er genug Schlaf hatte. Na gut, wenn er meint… Wenig später schaute ich beim Frühstücksbuffet vorbei und staunte nicht schlecht. Das Hotelrestaurant war gerappelt voll und die Auslagen größtenteils geplündert. Obendrein war die offenbar einzige Kaffeemaschine defekt. Während der ein oder andere Gast nun an der Theke frühstückte, gesellte ich mich zu einem ostdeutschen Opa an den Tisch.

Ich sammelte mir ein paar Reste zusammen und hoffte, dass eine Lebensgeschichte später wieder überall nachgelegt ist. Aber Pustekuchen. Es war offensichtlich zu viel Arbeit für zu wenig Personal. Na ja, satt war ich trotzdem, als ich gegen 9 Uhr auscheckte. Ich drehte nun noch eine kleine Morgenrunde an der Mulde und dann stieg ich 10:02 Uhr in einen Zug nach Wörlitz. Denn für 12 Uhr hatte ich eine eineinhalbstündige Führung durch Schloss Wörlitz gebucht (9 €) und zuvor wollte ich mich ebenfalls knapp 90 Minuten mit dem das Schloss umgebenden Landschaftspark vertraut machen.

Diesen hatte Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (* 1740; † 1817) – genannt Fürst Franz – zwischen 1765 und 1813 als Herzstück des Gartenreichs Dessau – Wörlitz errichten lassen. Fürst Franz und sein Freund und Hofarchitekt Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff hatten zuvor mehrere Bildungsreisen nach u. a. England, Frankreich und Italien unternommen und sich auf diesen Grand Tours für das heimische Gartenreich inspirieren lassen.

So erinnern der Venustempel oder das Pantheon (beides in den 1790er Jahren errichtet) an antike römische Vorbilder, während die Villa Hamilton auf einer künstlich angelegten Insel eine gleichnamige Villa am Golf von Neapel zum Vorbild hat. Als Fürst Franz 1765 das Königreich Neapel besuchte, hatte ihn Sir William Hamilton (von 1764 bis 1799 britischer Diplomat im Königreich Neapel) in seiner Villa am Meer empfangen und den deutschen Fürsten offenbar in mehrfacher Hinsicht beeindruckt. So wollte er anschließend in Wörlitz nicht nur die Villa in kleinerem Maßstab nachbauen, sondern trug mit einem künstlichen Vulkan auch Hamiltons naturwissenschaftlichen Forschungen am Vesuv Rechnung.

Die Wörlitzer Gartenanlage in ihrer Gesamtheit ist wiederum stark von den englischen Landschaftsgärten des 18. Jahrhunderts beeinflusst. Denn Fürst Franz war sehr anglophil und hätte sich nach seinen insgesamt vier Englandreisen am liebsten für immer auf der Insel niedergelassen. Allerdings obsiegte die dynastische Verantwortung für Anhalt-Dessau und die Sehnsucht nach England wurde mit dem heimischen Gartenreich gestillt. Dabei setzte Fürst Franz nicht nur auf Ästhetik, sondern auch auf modernste Technik und Methodik für die anhaltische Landwirtschaft. Der aufgeklärte Landesvater wollte in seinem Gartenreich das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden.

Während die gestiegenen landwirtschaftlichen Erträge für Wohlstand sorgten, wollte Fürst Franz mit seinem Gartenreich auch einen Bildungsauftrag für seine Untertanen erfüllen. Bis auf wenige private Rückzugsräume war das ganze Gartenreich für die Bürger zugänglich. Die sollten sich dort kostenlos über Architektur, Gartenkunst und Landwirtschaft bilden können, während der Fürst prominente Besucher wie Johann Wolfgang von Goethe, Alexander von Humboldt, Christoph Martin Wieland oder Johann Joachim Winckelmann gerne persönlich durch sein Gartenreich führte.

Neben der Gartengestaltung, sorgen in Wörlitz auch Bauwerke wie die Eiserne Brücke (erste Gusseisenbrücke des europäischen Festlands), das Gotische Haus (dem englischen Herrensitz Strawberry Hill nachempfunden) oder das Schloss Wörlitz für englisches Flair. Jenes im Jahre 1773 vollendete Schloss, welches als das erste Bauwerk des Klassizismus auf deutschem Boden gilt, bekam nun ab 12 Uhr meine volle Aufmerksamkeit.

Bei der Führung lernte unsere Kleingruppe sehr viel über das Schloss und die Lebensgeschichte von Fürst Franz. Die erste Überasschung: Schon zu dessen Lebzeiten gab es regelmäßig touristische Führungen durch sein Schloss. Wobei; er nannte es nicht Schloss, sondern einfach sein Landhaus. Allerdings war nur die Wortwahl bescheiden. Sowohl bei der technischen Ausstattung, als auch bei der künstlerischen Ausgestaltung legte Fürst Franz hohe Maßstäbe an. In England liebgewonnene sanitärtechnische Errungenschaften wie gusseiserne Öfen oder Wasserpumpentechnik musste sein. Ein Eisschrank zum Kühlen der Kost und Aufzüge für Speisen und Getränke sorgten ebenfalls für fürstlichen Komfort.

Tafeln tat der Fürst mit seinen Gästen natürlich im Speisesaal des Schlosses, während im benachbarten großen Festsaal zum Tanz gebeten wurde. Dieser Saal ist der Galleria des Palazzo Farnese in Rom nachempfunden. Wie das römische Vorbild haben die Fresken und Gemälde des Saals antike Mythen zum Motiv. Antike Skulpturen und Keramiken ergänzen diese Bildsprache stimmig. Allerdings verriet die Führerin, dass es sich nicht um Originale handelte. Tatsächlich war es Katalogware aus der der englischen Manufaktur Wedgwood, die bereits im 18. Jahrhundert solche Serienware anfertigte und per Mailorder international vertrieb.

Außer Speise- und Festsaal, waren natürlich auch die Privaträume von Fürst und Fürstin Teil der Führung. Dort erfuhren wir, dass die vom preußischen König Friedrich II. (Friedrich der Große) im Jahre 1767 arrangierte Ehe von Fürst Franz und Luise Henriette Wilhelmine von Brandenburg-Schwedt (* 1750; † 1811) keine besonders glückliche war. Zwar war Luise wie Franz sehr belesen, reisefreudig und Anhängerin der Aufklärung, aber es sollte dennoch nicht funken. Denn zumindest was das Eheleben und die Rolle der Frau betraf, war der Fürst erstaunlich konservativ.

Nachdem Luise mit Friedrich von Anhalt-Dessau (* 1769; † 1814) den ersehnten Erbprinz geboren hatte, lebte sich das Paar in den kommenden Jahren auseinander. Im Januar 1786 entband Franz seine Gattin sogar schriftlich von ihren ehelichen Pflichten. Denn der Fürst führte nun eine Nebenehe mit der damals gerade mal sechzehnjährigen Tochter seines Gartenbaumeisters. Während Franz die neue Liebe fortan im Gotischen Haus auskostete, zog sich Luise bei Aufenthalten in Wörlitz zumeist in ein Nebengebäude des Schlosses, das so genannte Graue Haus, zurück. Ferner hatte Franz ihr zwischen 1774 und 1778 das ursprünglich als späteren Witwensitz gedachte Luisium erbauen lassen. Ein sozusagen Klein-Wörlitz mit einem 14 Hektar großen englischen Landschaftsgarten, welches nun schon in den 1780er Jahren ihr Ruhesitz als quasi alleinstehende Frau wurde.

Nach meinen heutigen Eindrücken kann ich mir gut vorstellen auch nochmal das Luisium und die weiteren Anlagen des Gartenreichs Dessau – Wörlitz zu besuchen. An einem Wochenende ist eben nicht alles unterzukriegen. Nichtsdestotrotz war sehr zufrieden mit meinem Trip. Zum nahezu vollkommenen Glück musste vor der Abreise lediglich noch etwas Nahrung in den Magen. Inspiriert von den chinesischen Zimmern im Wörlitzer Schloss 😉 , beschloss ich auf dem Weg zum Bahnhof noch beim örtlichen Asiaten zu stoppen. Der dortige Wok durfte für mich mit Reisbandnudeln, Hühnerfleisch und Gemüse befühlt werden. Zusammen mit einer Cola wurden 12 € für das leider doch nur mittelmäßig leckere, aber wenigstens sehr sättigende Mahl fällig.

Um kurz nach 15 Uhr ging es dann per Bimmelbahn zurück nach Dessau und von dort mit Regionalzügen binnen vier Stunden in die Hildesheimat. Dort konstatierte ich einen würdigen Abschluss der Saison 2023/24. Denn da mich die EM nicht wirklich juckt und die Motivation für Saisonvorbereitungsspiele ebenfalls gering ist, macht Schneppe Tours die kommenden sechs bis acht Wochen tatsächlich mal so etwas wie eine Sommerpause. Aber ich denke im August wird wieder was von mir zu lesen sein. Ich muss nämlich wie dieser Fürst Franz unbedingt mal wieder auf Grand Tour…
*Leicoma ist eine alte DDR-Schweinezüchtung mit sehr hoher Fleischqualität, deren Zuchtbetriebe in den drei DDR-Bezirken Leipzig, Cottbus und Magdeburg lagen (daher das Akronym Leicoma als Name dieser Rasse).