Erst Spektakel, dann Abstiegssorgen
Ging der Sommer 2002 noch als Summer of Love für 96 durch, war der Sommer 2003 hingegen eine kleine Konfliktzone. Der Umbau des Niedersachsenstadions hatte im Frühjahr begonnen und in der Saison 2003/2004 sollte das Gros der Bauarbeiten stattfinden. Dieser Umstand sorgte für eine verminderte Kapazität von gerade einmal 23.200 Plätzen. Natürlich ein finanzieller Einschnitt für den Etat der Bundesligamannschaft. Da nun die Nachfrage das Angebot deutlich übersteigen würde, ersann sich Martin Kind eine saftige Preiserhöhung für das verknappte Angebot. Die Milchmädchenrechnung des Hörgeräteakustikermeisters: Über 50 % verminderte Kapazität = über 100 % erhöhte Preise.

Außerdem war angedacht alle Ermäßigungen zu streichen. Im Zuge dessen hätten Schüler und Studenten für 255 € für einen unüberdachten Stehplatz zahlen müssen. Und für einen Sitzplatz wären natürlich noch ein paar hundert Euro mehr fällig geworden. Astronomische Preise, die selbst zwölf Jahre später in der Ligaspitze gewesen wären. Dem Präsidenten Martin Kind fehlte mutmaßlich das Verständnis für die soziale Verantwortung von Hannover 96. Das führte bereits zu Protesten Ende der Saison 2002/03 und auch in der Sommerpause blieb das Thema am köcheln (u. a. gab es eine Fandemo). Dem Einsatz der Fans und des ehrenamtlichen Fanbeauftragten Basti Kramer waren wenigstens einige Modifikationen zu verdanken. So sollte der Preiseinstieg im DK-Verkauf nun bei 195 € liegen und ein geringes Kontingent an ermäßigten Karten für Schüler und Studenten, sowie an vergünstigten Eltern-Kind-Karten wurde nun doch bereitgehalten. Außerdem gab es die Garantie wieder sinkender Preise zum Spieljahr 2004/05 und dazu 10 % Treuerabatt für die DK-Besitzer der Saison 2003/04.
Nichtsdestotrotz artikulierte Kind öffentlich nochmal sein Unverständnis darüber, dass in der Fanszene „die Bereitschaft zur Zwischenfinanzierung über höhere Preise“ nicht vorhanden sei und es gäbe bei Hannover 96 „keine Fan-Kultur und er bedauere es ein wenig, weil er sich diese Identität schon erhofft habe“. Ganz harter Tobak, der völlig ausblendete, dass a) trotz der Wucherpreise über 17.000 Dauerkarten verkauft wurden und b) bei einkommensschwachen Menschen nicht die Bereitschaft fehlte, sondern schlicht die finanziellen Mittel. Aber in der idealen Welt des Martin Kind müssen letztere Fans wohl entweder einen Kleinkredit aufnehmen oder ihre Wertsachen ins Leihhaus bringen. Andernfalls sie sind eben keine echten Fans.

Im Sommer war nicht nur das Stadion, sondern auch der Kader eine Baustelle. Viele mussten gehen (die ganzen Leihspieler, Enttäuschung Blaise N’Kufo, Kultfigur Babacar N’Diaye, Oldie Marc van Hintum, u. v. m.). Andere waren nicht zu halten (Fredi Bobic). Aber es kamen auch hochinteressante Spieler dazu. So lieh 96 Jan Šimák von Bayer 04 aus. Hannovers Aufstiegsheld konnte in Leverkusen nicht Fuß fassen und durch die Rückkehr in vertraute Gefilde erhofften sich alle Beteiligten einen Gewinn. Im Schlepptau hatte Jannemann den Stürmer Thomas Brdarić (ebenfalls auf Leihbasis aus Leverkusen), der immerhin schon mal für die deutsche Nationalmannschaft auflief und den „Bobic reloaded“ in Hannover machen wollte. Eigentlicher Bobic-Ersatz war aber der amtierende Bundesligatorschützenkönig Thomas Christiansen vom VfL Bochum, den Ricardo Moar überraschend an Land zog. Die neuformierte Mannschaft legte wieder eine überzeugende Vorbereitung hin (u. a. gewann man den Alpencup in Innsbruck gegen die namhafte Konkurrenz von Feyenoord und Galatasaray) und wir waren alle hochgespannt auf den Saisonauftakt.
Die erste Tour führte uns wieder nach Hamburg. „Ein Präsident, der uns verachtet, hat unseren ganzen Hass gepachtet“, stand an der Brüstung des Gästeblocks auf Tapete geschrieben. Der Blick in die Zukunft verrät; es handelt sich um ein zeitloses Statement. Es gelang der Mannschaft allerdings mit Bravour von all dem Ärger der Fans mit dem Verein bzw. der KGaA abzulenken. Der frischgebackene Ligapokalsieger Hamburger SV wurde an die Wand gespielt. Besonders das tschechische Duo Jiří Štajner und Jan Šimák tat sich hervor. „Stajmak“ schien sich gesucht und gefunden zu haben. Da verwunderte es kaum, dass Šimák Štajner das 1:0 auflegte und die beiden bei vielen weiteren Angriffen gegen die heute chancenlosen Hamburger sehr sehenswert kombinierten. Die weiteren Tore zum 3:0 waren jedoch Brdarić und Idrissou vorbehalten.
Das Offensivspektakel ging auch beim Heimauftakt gegen den Deutschen Meister aus München weiter. Krupniković (direkter Freistoß), Štajner und Christiansen schossen 96 zur deutlichen Pausenführung (3:1). Doch wie schon im Vorjahr glich der FC Bayern in der 90. Minute noch aus. Anschließend ging man überraschend deutlich in Leverkusen unter (0:4), ehe Šimák und zweimal Christiansen für ein weiteres 3:3 im Niedersachsenstadion sorgten. Diesmal gegen Hansa Rostock, die ärgerlicherweise auch erst in der letzten Minute zum Remis einnetzten. Wie schön, dass beim Amateurclub VfL Kirchheim in der 1. Pokalrunde keiner in der Lage war die Führung unseres HSV zu gefährden. Man gewann klar (0:3) und sollte in der 2. Runde auf einen ganz besonderen Gegner treffen.
In der Liga folgte ein Auswärtssieg in Berlin und eine Personalveränderung im Tor. Rangnick entschied sich dafür Neuzugang Marc Ziegler (geliehen von Austria Wien) anstatt Gerhard Tremmel eine Chance zu geben (was bis Saisonende auch Bestand haben sollte). Bei Zieglers Debüt brachte zwar Ex-96er Fredi Bobic die Hertha mit 2:0 in Front, aber es griff das eherne Gesetz aus der Vorsaison: Trifft Bobic, verliert 96 nicht! Ein einmal mehr genialer Jan Šimák, sowie der brasilianische Neuzugang Kléber und Julian de Guzmán drehten das Spiel auf 3:2 für Hannover 96. Und auch die Woche darauf gab es was zu feiern. Zunächst einmal gab es in der temporären UH-Heimat, dem Unterrang der Nordkurve, eine schöne und große Choreographie zur Huldigung der Vereinslegende Jörg Sievers. Durch Tore von Christiansen und Idrissou konnte heute neben „Colt“ Sievers auch die aktuelle Mannschaft gefeiert werden. Sah so aus, als wäre das Team klug verstärkt worden und das zweite Jahr in der 1. Bundesliga entspannter als das erste.

Die Hoffnungen erwiesen sich leider als Trugschluss. Gleich nach dem Gladbach-Spiel verschwand Jan Šimák, gab tagelang kein Lebenszeichen und kehrte auch nicht wieder zurück nach Hannover. Ob nun Depressionen, Burn-Out, Alkoholismus oder alles zusammen; der Mann hatte ernste Probleme und war leider nicht mehr in der Lage der Mannschaft zu helfen. Es folgten drei Niederlagen am Stück (0:1 gegen Lautern, 1:2 gegen Schalke und 2:6 gegen den BVB), sowie ein schwaches 1:1 gegen 1860. Keine guten Voraussetzungen für das anstehende Pokalspiel beim Erzrivalen.
Denn es war am 06.09.2003, als eine isländische Schönheitskönigin zuerst die Kugel von Eintracht Braunschweig zog und danach jene von Hannover 96. Sie dürfte von beiden Teams das erste Mal in ihrem Leben gehört haben, aber ganz Fußballdeutschland wusste, dass dies eines der brisantesten Derbys der Republik ist. Fans beider Lager kampierten vor den jeweiligen Vorverkaufsstellen ihrer Vereine (damals nichts mit personalisierten Tickets und vorgeschriebener Anreise), um eines der begehrten Billets zu ergattern. Man hatte lange kein Pflichtspiel der ersten Mannschaften mehr gehabt, aber die Abneigung war nicht geringer geworden und wurde vom harten Kern bei Hallenturnieren, sowie Amateur- oder Jugendspielen kontinuierlich weitergepflegt. So auch wenige Wochen vor’m Pokalspiel, als die Amateure des HSV von 1896 bei denen des BTSV ein 2:3 in den letzten Minuten in ein 5:3 zu ihren Gunsten drehten. Wir hofften auf ein gutes Omen.

Leider weiß wohl jeder Leser, dass die Hoffnungen vergebens waren. Ca. 2.500 mitgereiste und hochmotivierte Fans aus Hannover wurden von den 96-Lizenzspielern bitter enttäuscht. Schade, denn bis der Schiedsrichter zum Anstoß bat, war es ein netter Ausflug mit all der klassischen Derbyfolklore. Gekonnt wurde von allen die Klaviatur der Erzfeindschaft gespielt, aber nach Abpfiff bekamen die freudetrunkenen Heimfans eine Auszeit als Objekt des Hasses und all der Zorn richtete sich gegen die Derbyversager, denen man am liebsten Hannover-Verbot auf Lebenszeit erteilt hätte. Wenn dann aus der Mannschaft noch so Schwachsinnsaussagen kommen, wie „Jungs, es war doch nur ein Spiel“, weiß man warum diese Zeitarbeiter mit der 96 auf der Brust so versagt haben. Da ging einiges zu Bruch in dieser Nacht. Im wörtlichen und im übertragenen Sinne.
Spiel 1 nach der Schmach führte nach Köln. An Business as usual war nicht zu denken. Bereits beim ersten Training nach dem Spiel musste die Mannschaft sich natürlich nochmal den wütenden Fans stellen. Man zog eigentlich mit dem Gefühl ab, dass die einsichtig bis reuig wirkende Mannschaft wenigstens im Nachhinein kapiert hatte worum es ging. Aber ihr offener Brief an die Fans von Hannover 96 belehrte uns eines besseren. Sie entschuldigten sich für die schlechte Leistung im Derby und versprachen gegen Köln ein ganz anderes Auftreten, um die Schmach vom vergangenen Mittwoch wieder wettzumachen.
Denken die doch tatsächlich „ein Sieg in Köln und alle liegen sich wieder in den Armen?“, war der Tenor auf der Anreise in die Domstadt, bei der nebenbei Wasserbomben verteilt wurden, um der Mannschaft im Stadion mal den Kopf zu waschen. Dass man davon letztlich doch absah, war im Wesentlichen Ralf Rangnicks Besuch im Gästeblock vor dem Spiel zu verdanken. Der Pädagoge fand etwas bessere Worte als der offene Brief der Mannschaft und der harte Kern beschloss vom Konfrontationskurs abzuweichen und passiv das Spiel zu verfolgen. So eine Art Moratorium. Dass der 2:1 Auswärtssieg (Tore: Brdarić und Stendel) außerhalb von UH und Co schon wieder frenetisch gefeiert wurde, war in meinen Augen eine falsche Replik auf die Derbyschande und den offenen Brief. Aber nun denn, die Fanszene ist eben heterogen. Notiz am Rande: Per Mertesacker debütierte bei diesem Spiel in der 1. Mannschaft.

Es muss eine einfache Rechnung der Mannschaft gewesen sein: Wir haben gegen Köln gewonnen, die Fans lieben uns wieder, also übertreiben wir es auch nicht mit Kampf und Motivation. Ist ja noch ’ne lange Saison… Und postwendend bekommt man im Semi-Derby gegen Bremen mit 1:5 eine richtig deftige Klatsche (Ehrentreffer: Jiří Štajner). Auswärts in Stuttgart setzte es eine Woche später die nächste Plaeite (1:3, Ehrentreffer: Thomas Brdarić) und das 3:0 danach gegen den SC Freiburg war auch nur wieder ein Strohfeuer. Denn bei Eintracht Frankfurt gab es eine Punkteteilung (2:2) und mit einem 1:2 in Wolfsburg und einem 2:2 gegen den VfL Bochum klang die Hinrunde ziemlich punktearm aus. Martin Kind sinnierte nun über einen Trainerwechsel und die Neue Presse war sich zu 100 % sicher, dass Ralf Rangnick zu Hertha BSC geht (spätestens im Sommer 2004). Unterdessen ging Ricardo Moar wieder auf Einkaufstour. Wir begrüßten ganz herzlich: Jaime („once again“ aus La Coruna), Clint Mathis (aus den US of A), Abel Xavier (aus der Ursuppe des Swag), Stanko Svitlica (aus Bosnien via Warschau) und Vladimir But (aus dem Vorruhestand für gescheiterte Jahrhunderttalente).

Die Neuen, deren Verpflichtung Hannover 96 laut Kind „an den Rand der wirtschaftlichen Unvernunft“ getrieben hatte, schlugen zu Rückrundenbeginn teilweise gut ein. So trafen beim 3:2 am 18. Spieltag gegen den Hamburger SV neben Nebojša Krupniković auch Jaime und Clint Mathis (bei diesem Spiel wurde übrigens erstmals der neue Nordoberrang von uns inspiziert). Und beim 1:3 bei den Bayern knipste Stanko Svitlica für 96. Danach kam Leverkusen an die Leine gereist und bei der Punkteteilung (2:2) trug sich neben Kostas Konstantinidis abermals Clint Mathis für 96 in die Torjägerliste ein. Der US-Amerikaner war auf einem guten Wege über den Verlust von Publikumsliebling Jiří Štajner hinwegzutrösten (im Winter an Sparta Praha verliehen).
In Rostock (beim 1:3) war es erneut Mathis, der für den Ehrentreffer sorgte, und als die akut abstiegsbedrohte Hertha den besten Aufbaugegner der Welt besuchte, war es abermals der „Clint Commander“, der für unsere Farben netzte (Endstand 1:3). Unschön an diesen neuerlichen Niederlagen war, dass 96 jetzt selbst in Abstiegsgefahr geriet. Die Abwehr war einfach zu löchrig und die Offensive nicht mehr torgefährlich genug. Folglich war für Rangnick nach der nächsten Niederlage (0:1 in Gladbach) Feierabend in Hannover.

Ihm folgte Ewald Lienen auf dem Trainerstuhl. Eine Trainerwechsel, denn viele Fans erstmal skeptisch sahen. Denn Rangnick hatte immer noch viel Kredit in der Szene und auf Martin Kind hatte man nun wieder einen richtigen Hals. Beim nächsten Spiel sollte eigentlich aus Protest eine Halbzeit boykottiert werden, aber Rangnick persönlich bat darum, dass wir mit allen Kräften die Mannschaft unterstützen sollen. Faire Geste eines Trainers, der immer einen kurzen Draht zu den Köpfen der Fanszene pflegte und dem man seine späteren Schandtaten (TSG Hoffenheim und „Rasenball“ Leipzig) gar nicht zugetraut hätte. Na ja, auch ohne Boykott versagte die Mannschaft gegen Kaiserslautern (0:1) und es sollte weiter unrund laufen. 2:2 auf Schalke (Doppelpack Brdaric) und 1:1 gegen den BVB stoppten zwar die Niederlagenserie zunächst, aber 96 verharrte noch immer auf einem Abstiegsplatz.
Da machten unsere diese Saison besonders zahlreich unterstützten Amateure schon mehr Spaß. Die schlugen nach dem Schalke-Kick BS II ganz deutlich mit 4:1 und wurden nach dem BVB-Spiel zahlreich und mit schöner Choreo beim Auswärtssieg (1:4) in Oldenburg unterstützt. In der Oberliga Niedersachsen/Bremen gab es viele interessante Gegner und mit Semesterticket oder Niedersachsentickets waren die Auswärtsspiele gut und günstig zu erreichen. So war es auch einem Auswärtsspiel der Amateure vorbehalten Teil des Gründungszeremoniells der Roten Kurve zu werden. Doch zunächst einmal kamen die Profis wieder auf die Siegerstraße (2:0 bei 1860 und 1:0 gegen den 1. FC Köln), ehe am 12. April 2004 das attraktive Amateure-Auswärtsspiel in Meppen anstand.
Der neue Supporters Club Rote Kurve e. V., der Faninteressen bündeln und gegenüber dem Verein vertreten sollte hatte also den 108. Jahrestag der Gründung des Hannoverschen SV von 1896 zu seiner Geburtsstunde auserkoren und organisierte zum Einstand zwei Fanbusse + diverse Kisten Herrenhäuser für lau. Weil man nun so sehr auf nichts bezahlen konditioniert war, vergaß ein Großteil der Fans auch Eintrittskarten für die Haupttribüne zu kaufen. Dafür schenkte man allen zahlenden Zuschauern ein schönes Intro mit 96-Blockfahne und etlichen Leuchtfeuern dazu. Der SV Meppen wurde mit 3:1 souverän geschlagen und die Amateure feierten mit uns den 9. Sieg in Serie.
Nach der legendären Gründungsfahrt der Roten Kurve hatte auch die Bundesliga wieder ein Highlight zu bieten. Es ging nach Bremen, wo auf dem Weg dorthin mit Grills, Wurst und Steaks bewaffnet in Achim ausgestiegen wurde. Nach dem gelungenen Szenegrillen wurde die Fahrt nach Bremen fortgesetzt und es gab den üblichen Fanzoff zwischen Bremern und Hannoveranern am Osterdeich. Im Stadion hatten die Bremer eine Choreographie unter dem Motto „Oh du wunderschöner SVW, du sollst ewig Deutscher Meister sein“. Hatten wir bereits gewusst und daher das Spruchband „Oh du wunderschöner HSV, du wirst ewig überlegen sein“ im Gepäck. 1:0 auf den Rängen für uns, aber nach 90 Minuten lediglich 0:0 auf dem Rasen. Da die Bayern heute gegen den BVB verloren, spuckte unser Punktgewinn den Bremern leider nicht mehr in die Meistersuppe. Der Meistertitel (ebenso der Pokalsieg) war den Schaaf-Schützlingen diese Saison nicht zu nehmen.

Nach der rundum gelungenen Bremen-Exkursion wartete wieder ein Amateure-Highlight auf uns. Nicht nur in der Liga rockte der Nachwuchs, auch im NFV-Pokal schafften sie es bis ins Finale. Dort wurde auf heimischem Geläuf im Eilenriedestadion die 1. Mannschaft des BTSV empfangen. Beide Teams waren damit bereits für den DFB-Pokal qualifiziert, aber es ging natürlich noch um die Ehre und einen riesigen Pokal. Unsere Jungs schlugen sich tapfer gegen den klassenhöheren Gegner, aber nach einem 2:2 in der regulären Spielzeit versagten im Elfmeterschießen die Nerven. Trotzdem, man konnte ihnen keinen Vorwurf machen und auf den Rängen gab es heute nur einen Sieger: Den HSV von 1896. Braunschweigs 200 mitgereiste Schlachtenbummler waren ganz traurige Gestalten und der harte Kern der BS-Szene blieb heute lieber einem Pflichtspiel ihrer 1. Mannschaft fern, als für die von allen heraufbeschworene 3. Halbzeit zur Verfügung zu stehen. Sehr zur Enttäuschung von einem Kamerateam des NDR übrigens, das heute nach klaren Ansagen zum letzten Mal vier Nachwuchshooligans aus Hannover begleitete. Man ahnte langsam, was dort für ein Machwerk entstehen sollte, in dem neben den naiven Protagonisten auch der Rest der Szene in einem zweifelhaften Licht stehen würde.

Beim nächsten Heimspiel in der Bundesliga sollten eigentlich die Weichen auf Klassenerhalt gestellt werden, doch Stuttgart tat uns den Gefallen nicht und entführte drei Punkte aus der Messestadt. Eine derbe 4:1-Klatsche in Freiburg am 1. Mai machte den Abstieg leider wieder zu einem sehr akuten Szenario. Nun kam die Eintracht aus Frankfurt zum Abstiegskrimi und unterzog der Fantrennung zwischen Gästeblock und Westtribüne erstmal einem Stresstest. Die sind in Hannover aber auch immer etwas übermotiviert, die Jungs aus der Mainmetropole. Hannover antwortete vorwiegend auf dem Platz und mit einem 3:0 war das 6-Punkte-Spiel souverän gewonnen. Die SGE hatte nun nur noch ganz theoretische Chancen auf den Klassenerhalt und Hannover dank der Niederlage von 1860 in Rostock den Klassenerhalt fast sicher. Besonders mitreißend war der Fußball unter Lienen nicht, aber seine Mission schien erfolgreich zu verlaufen.
Den fehlenden Punkt tütete 96 beim drögen 0:0 gegen den VfL Wolfsburg ein. Erleichterung allen Orten, aber so emotional wie vor zwölf Monaten – bei Štajners Erlösungstor gegen Gladbach – war es diesmal nicht. Am 34. Spieltag kickte 96 nochmal ganz passabel, aber dem in den UEFA Cup drängenden VfL Bochum wollte man auch nicht mit letzter Kraft die große Sause vermiesen. 1:3 asu hannoverscher Sicht hieß es am Ende und Bochums Erfolgstrainer Peter Neururer ließ sich seines Schnurrbarts entledigen. War alles in allem eine Saison mit wenigen Höhen und vielen Tiefen. Große Gewinner waren nur Per Mertesacker, den Lienen als kommenden Mann in der Innenverteidigung aufbaute und Thomas Brdarić, der sich zwar nach Wolfsburg davon stahl, aber mit seiner starken Rückrunde noch auf den EM-Zug aufsprang. Erst Bobic, nun Brdarić. 96 avancierte anscheinend zur guten Adresse für Stürmer mit Karriereknick.
37 Punkte / Platz 14 / 5 Punkte auf Platz 16 / 19 Punkte auf Platz 5 / 49:63 Tore / Meiste Auflaufprämien kassiert: Marc Ziegler und Julian de Guzmán (je 30 x) / Meiste Torprämien kassiert: Thomas Brdarić (12 x) / Zuschauerschnitt: 23.479
Moin: Thomas Christiansen (VfL Bochum), Christoph Dabrowski (Arminia Bielefeld), Kléber (Corinthians), Marc Ziegler (Austria Wien), Thomas Brdarić (Bayer Leverkusen), Jan Šimák (Bayer Leverkusen), Thomas Schneider (VfB Stuttgart), Silvio Schröter (Energie Cottbus), Stanko Svitlica (Legia Warszawa), Vladimir But (SC Freiburg), Clint Mathis (MetroStars), Abel Xavier (Liverpool FC), Jaime (Deportivo La Coruna).
Tschüss: Jaime (Deportivo La Coruna), Kai Oswald (MSV Duisburg), Thorsten Nehrbauer (1. FC Saarbrücken), Fredi Bobic (Hertha BSC), Conor Casey (Karlsruher SC), Jiří Kaufman (Energie Cottbus), Carsten Linke (Karriereende), Blaise N’Kufo (Twente Enschede), Timo Ochs (VfL Osnabrück), Gheorghe Popescu (Karriereende), Jörg Sievers (Karriereende), Dame Diouf (VfL Osnabrück), Jiří Štajner (Sparta Praha), Danijel Stefulj (1. FC Nürnberg), Babacar N’Diaye (FC St. Pauli), Jan Šimák (Künstlerpause).